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Angst vor dem Ausverkauf: Deutschen Techfirmen droht Übernahme aus dem Ausland

Aus welchem Land wird das nächste Google oder Facebook kommen? Politiker, Banker und Unternehmer fürchten, dass Deutschland den Anschluss verliert, wenn es darum geht, das Wachstum von Start-ups zu finanzieren, aus denen die Technologieriesen der nächsten Generation entstehen könnten.

Deshalb haben die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (Acatech), die staatliche Förderbank KfW und die Deutsche Börse junge Technologieunternehmen mit Kapitalgebern wie Siemens oder Deutscher Telekom zusammengebracht, um Lösungen zu erarbeiten. Die Ergebnisse liegen dem Handelsblatt exklusiv vor.

Der Befund ist eindeutig: „Wenn man sich die USA oder Asien anschaut, haben wir Nachholbedarf“, warnt Ann-Kristin Achleitner, selbst Wagniskapitalgeberin, Aufsichtsrätin und Wirtschaftsprofessorin. Vor allem in der Wachstumsphase, wenn zweistellige Millionenbeträge gebraucht werden, um junge Tech-Firmen auf die nächste Stufe zu hieven, reißen in Deutschland die Finanzierungsketten oft ab.

Dann springen häufig ausländische Geldgeber ein. Deshalb fürchten die Initiatoren einen Ausverkauf heimischer Technologiefirmen, denn zwei von drei mit ausländischem Kapital geförderte Unternehmen werden später auch an einen ausländischen Investor verkauft oder gehen außerhalb Deutschlands an die Börse, zeigt eine noch unveröffentlichte Studie der TU München.

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Als einen Teil der Lösung sieht der Bericht eine Lockerung der Regulierung für Banken, Versicherungen und Pensionsfonds vor, die bislang für Investments in junge Unternehmen hohe Eigenkapitalpolster vorhalten müssen. Achleitners Fazit: „Es darf nicht passieren, dass Innovationen aus Deutschland exportiert werden, nur weil es hier an Geldgebern mangelt.“

Wie es gehen kann, zeigt ein Blick nach München. Dort will das Start-up Tacterion Maschinen das Fühlen beibringen. Mit der von ihm entwickelten flexiblen Sensorhaut werden Produkte vom Roboterarm bis zu Textilien empfindlich für Berührungen – was die Mensch-Maschine-Interaktion auf eine neue Stufe heben kann. Doch die Entwicklung bis zur Marktreife kostet Zeit und Geld: „Gerade bei Technologie muss man einen langen Atem mitbringen“, sagt Mitgründer Daniel Strohmayr.

Diesen langen Atem beweist die bayerische Unternehmerfamilie Unger, die 2016 eine langfristige Finanzierungsvereinbarung mit der jungen Firma geschlossen hat. Einen achtstelligen Betrag investiert Unger in das Unternehmen, das 2015 als Spin-off des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt startete.

Es sind Firmen wie Tacterion, die Impulse für die Digitalisierung in Deutschland setzen. Anwendungen für die Industrie 4.0 oder das Internet der Dinge können die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts stärken.

Doch was das nötige Startkapital angeht, ist Tacterion eher die Ausnahme als die Regel. Gerade für Technologie-Start-ups mit hohem Kapitalbedarf stellt die Finanzierung eine erhebliche Herausforderung dar.

Gute Kapitaldecke für die frühe Start-up-Phase

„Innovative Technologieunternehmen in Deutschland benötigen besseren Zugang zu Kapital auf ihrem Wachstumsweg“, sagt daher auch KfW-Vorstandsmitglied Ingrid Hengster. Zwar gibt es für die frühe Start-up-Phase hierzulande inzwischen eine vergleichsweise gute Kapitaldecke. So können Unternehmen aus dem 2005 erstmals aufgelegten „High-Tech Gründerfonds“, hinter dem neben dem Bund und der KfW Unternehmen wie Bosch, BASF, SAP oder Haniel stehen, bis zu drei Millionen Euro abrufen.

Und die im Oktober 2018 gegründete Tochter KfW Capital investiert – unterstützt vom Bund – in den nächsten zehn Jahren rund zwei Milliarden Euro in Venture-Capital-Fonds.

Doch oft reißt die Finanzierungskette ab, wenn in der Wachstumsphase zweistellige Millionenbeträge gebraucht werden. Nur 16 Prozent der im vergangenen Jahr getätigten Finanzierungen hatten ein Volumen von mehr als zehn Millionen Euro, zeigt das Start-up-Barometer der Beratungsfirma EY.

„Wenn Sie über einen 20-Millionen-Euro-Vertrag verhandeln, müssen Sie zunächst mal zu einem Notar und sehr viel Geld und Zeit investieren“, berichtet einer der am Bericht beteiligten Start-up-Unternehmer. „Das dauert nicht ein paar Tage, sondern Wochen und Monate.“ Und es laufe jedes Mal anders ab – im Gegensatz zu den standardisierten Verfahren in den USA.

Zwar gebe es auch hierzulande gute Ansätze wie den Europäischen Investitionsfonds (EIF) und andere Geldtöpfe, schreiben die Autoren. Diese seien aber oft zu klein oder zu wenig transparent.

So kommen die größten deutschen Wagniskapitalfonds auf ein Volumen von 300 bis 350 Millionen Euro. Um das Risiko zu streuen, fördern sie vor allem viele kleinere Einzelinvestments. Und als Anlageobjekt für Versicherungen oder Pensionskassen, die über Milliarden verfügen, sind sie auch nicht interessant.

Für Deutschland kann daraus ein Standortnachteil erwachsen, denn in anderen Weltregionen wird mehr für Wachstumsunternehmen getan. Zwar sind die Venture-Capital-Investitionen in Europa zwischen 2012 und 2017 von 4,1 auf 15,6 Milliarden Euro gestiegen, zeigt eine Roland-Berger-Studie. Doch in China oder den USA wird das Vierfache investiert. Entsprechend kommen von dort die meisten schnell wachsenden Unternehmen.

Nicht selten greifen ausländische Investoren deutschen Technologie-Start-ups unter die Arme. Ein „Ausverkauf“ kann die Folge sein: Zwei von drei mit ausländischem Kapital geförderte Unternehmen werden später an einen ausländischen Investor verkauft oder gehen außerhalb Deutschlands an die Börse, zeigt eine noch unveröffentlichte Studie der Lehrstühle für Entrepreneurial Finance an der TU München. Zwar sei Kapital aus dem Ausland oft wichtig, um sich dort Märkte oder Technologien zu erschließen.

Es dürfe aber nicht nur deshalb zum Export von Innovationen kommen, weil sich hierzulande kein Geldgeber findet, heißt es in dem Bericht weiter. Die Projektpartner fordern deshalb, mehr inländisches Kapital für die Wachstumsfinanzierung zu mobilisieren.

Die Pflicht, hohe Eigenkapital-Risikopolster vorzuhalten, hielten viele Banken, Versicherungen oder Pensionsfonds von entsprechenden Investments ab. Auch vermögenden Eigentümerfamilien oder Privatleuten sollte das Engagement leichter gemacht werden.

Bis zur erfolgreichen Realisierung neuer technologischer Geschäftsideen können leicht zehn Jahre und mehr vergehen. Diese langen Entwicklungszeiten kollidieren aber oft mit dem kurzen Anlagehorizont von Investoren.

Neben dem klassischen Wagniskapital sollten deshalb auch verstärkt alternative Instrumente zum Einsatz kommen, etwa sogenannte Mezzanine-Finanzierungen, die Eigen- und Fremdkapital kombinieren. Die KfW baut zudem das relativ neue Venture-Debt-Modell aus, langfristige Darlehen zur Ergänzung der Eigenkapitalbasis.

Geld für europäische Start-ups kommt zu oft aus dem Ausland

Am Mittwoch gaben das Bundeswirtschaftsministerium und die KfW bekannt, dass sie ein neues Venture-Debt-Programm auflegen werden. Die staatliche Bank werde jährlich 50 Millionen Euro dafür zur Verfügung stellen. Der Bund übernimmt in den ersten fünf Jahren eine 95-prozentige Absicherung der hieraus resultierenden Risiken. Damit will die Bundesregierung innovativen und schnell wachsenden Unternehmen Kredite zur Finanzierung des weiteren Wachstums verschaffen.

„Wir erhoffen uns davon einen wichtigen Impuls für die Belebung des in Deutschland noch sehr schwach entwickelten Venture-Debt-Marktes“, sagte Ulrich Nussbaum, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Voraussetzung für das neue KfW-Programm ist, dass sich ein privater Kreditgeber mit einem Anteil von 50 Prozent beteiligt.

Ziel der Instrumente ist es, dass Gründer, die noch keine großen Sicherheiten oder keinen großen Kundenstamm vorweisen können, unkomplizierter an Geld kommen, ohne dass Investoren sich zu sehr einmischen oder die Anteile früher Geldgeber verwässert werden. „Unser Ziel ist es, dass ihnen in allen Phasen ihrer Entwicklung ausreichend Kapital zur Verfügung steht“, sagt Finanzstaatssekretär Jörg Kukies. „Junge innovative Unternehmen, die erfolgreich wachsen können, tragen zum Erhalt unserer Wettbewerbsfähigkeit und zur Sicherung hochqualitativer Arbeitsplätze in Deutschland bei.“

Auch Klaus Hommels bereitet das Sorgen. Er ist einer der bekanntesten Wagniskapitalgeber Europas. Zwar habe sich aus seiner Sicht die Finanzierung europäischer Start-ups in den vergangenen Jahren verbessert. „Doch das Geld für europäische Start-ups kommt viel zu oft aus dem Ausland“, sagt der Investor, der mit seiner Firma Lakestar früh in Unternehmen wie Facebook, Xing, Skype, Airbnb und Spotify investierte

„Die acht führenden europäischen Digitalunternehmen wurden mit insgesamt 8,3 Milliarden Euro finanziert“, sagt Hommels. „Der größte Teil davon kam aus Ländern außerhalb Europas.“ Bei Auto1 ist der japanische Fonds Softbank investiert, bei Spotify und Klarna sind es die US-Investoren Sequoia und TPG.

„Ich halte es sogar für möglich, dass in wenigen Jahren mächtige internationale Geldgeber die Zukunftsbranchen in Europa beherrschen.“ Hommels denkt dabei an mächtige Financiers wie den „Softbank Vision Fund“, der mit rund 100 Milliarden Dollar Kapital ausgestattet ist, unter anderem aus Saudi-Arabien und Abu Dhabi. „Die Investitionssumme von Softbank ist so groß, dass der Fonds Anteile an allen wichtigen Technologieunternehmen kaufen kann.“

Die vorgeschlagenen Schritte zu einer besseren Förderung von Start-ups „sind zwingend notwendig“, sagt Hommels. „Mehr finanzielle Mittel für junge Unternehmen sind keineswegs Geschenke. Mit den Investitionen in Start-ups werden alle Beteiligten gute Geschäfte machen.“

Es gibt auch noch andere vielversprechende Wege für die Finanzierung. „Wir müssen ein gründerfreundliches Ökosystem schaffen, in dem Start-ups, etablierte Unternehmen und die Wissenschaft viel stärker zusammenarbeiten“, sagt Ann-Kristin Achleitner, Professorin an der TU München und Mitglied im Acatech-Präsidium.

Ein Beispiel ist die enge Kooperation zwischen BMW und dem einstigen Start-up Eos, das sich inzwischen nach eigenen Angaben zum weltweit führenden Technologieanbieter im 3D-Druck entwickelt hat. „Für einen Konzern oder einen Mittelständler kann die Kooperation mit dem Start-up wie eine Frischzellenkur auf dem Weg ins digitale Zeitalter sein“, sagt Achleitner. Und die Gründer könnten ihre Geschäftsidee in den Praxistest schicken. Eine Win-win-Situation.