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EU und USA nähern sich im Handelsstreit an – Hogan sieht Spielraum für geringere Zölle

Laut dem EU-Handelskommissar laufen die Gespräche zwischen der EU und den USA über einen Minideal konstruktiv. Dabei sollen langjährige Streitpunkte ausgeräumt werden.

Europäische Union und USA nähern sich im Handelsstreit an. EU-Handelskommissar Phil Hogan sagte im Handelsblatt-Interview, die Gespräche zwischen beiden Seiten über ein begrenztes Abkommen liefen „konstruktiv“. Von einem möglichen Deal könnte demnach auch die deutsche Wirtschaft profitieren: „Es gibt Spielraum, um die Zölle auf viele europäische Industriewaren zu verringern“, so Hogan.

US-Präsident Donald Trump und der frühere Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatten im Sommer 2018 vereinbart, über ein Industriezollabkommen zu verhandeln. Die Gespräche kamen aber lange kaum voran, weil Washington auf der Öffnung des europäischen Landwirtschaftssektors bestand – für die EU eine rote Linie.

Nach dem Treffen Trumps mit Junckers Nachfolgerin Ursula von der Leyen Ende Januar in Davos kam aber Bewegung in die Verhandlungen. Er erwarte eine Vereinbarung zu Zollsenkungen, sagte Hogan. Deren Umfang hänge vom Gesamtpaket ab. Deutsche Wirtschaftsverbände hatten wiederholt für ein Zollabkommen mit den USA geworben.

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Ein Deal würde laut Hogan auch einen Teil der regulatorischen Hürden beseitigen, die den Export von Agrargütern erschweren. Der Ire versicherte aber, die europäischen Lebensmittelvorschriften würden dafür nicht geändert. Die US-Regierung drängt darauf, mit Chlor behandelte Hühnchen und genmodifizierte Lebensmittel in der EU zuzulassen.

Daneben sprechen beide Seiten über engere Kooperation bei Technologien wie Künstlicher Intelligenz und höhere Lieferungen von US-Flüssigerdgas nach Europa. Auch im Streit um die Subventionen für die Flugzeugbauer Airbus und Boeing gehen beiden Seiten laut dem Kommissar aufeinander zu.

Das komplette Interview lesen Sie hier:

Herr Kommissar, die Corona-Epidemie zeigt, wie verwundbar Welthandel und Lieferketten sind. Haben wir die Globalisierung zu weit getrieben?
Ich hatte schon als Agrarkommissar mit vielen Krankheiten zu tun, der Afrikanischen Schweinepest etwa oder Sars. Solche Epidemien gehören nun einmal zu den Geschäftsrisiken. Auch deshalb habe ich großen Respekt vor Unternehmern, die bereit sind, Risiken einzugehen.

Die Regierungen versuchen derzeit, ihre Reaktionen auf die Epidemie innerhalb von EU oder G7 abzustimmen. Ist die internationale Zusammenarbeit in der Politik der Aufgabe gewachsen?
Es gibt keine politische Antwort auf einen Virus. Wir können nur versuchen, die wirtschaftlichen Folgen abzumildern. Priorität hat jetzt aber, die Ausbreitung des Virus einzudämmen und dafür zu sorgen, dass unsere Bürger sicher sind.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen spricht viel über die „technologische Souveränität“ und „strategische Autonomie“ Europas. Sollte die EU die Abhängigkeit von anderen Weltregionen verringern?
Ich glaube, das wurde etwas fehlinterpretiert. Natürlich will Europa etwa in der Datenökonomie hier mehr Wertschöpfung und Arbeitsplätze schaffen. Aber wir verhandeln auch in der Welthandelsorganisation mit allen 164 Mitgliedstaaten über ein Abkommen zum E-Commerce, das global gültige und durchsetzbare Regeln für Telekommunikationsdienste und Plattformen schaffen würde. Ich hoffe, dass wir bis zur nächsten WTO-Ministerkonferenz einen gemeinsamen Text haben, wann auch immer diese stattfinden wird.

Wackelt die für Juni geplante Konferenz auch wegen des Coronavirus?
Ja, alle Treffen werden derzeit hinterfragt. Schließlich weiß niemand, wie lange die Epidemie dauert.

Die Verhandlungen der EU mit China über ein Investitionsabkommen sind ebenfalls betroffen: Die Unterhändler dürfen sich seit Beginn des Ausbruchs nicht mehr treffen.
Nein, aber wir sprechen regelmäßig in Videokonferenzen miteinander. Diese Woche findet eine weitere Verhandlungsrunde statt.

Lassen sich so Fortschritte erzielen?
Natürlich würden wir es bevorzugen, von Angesicht zu Angesicht miteinander zu sprechen. Aber wir müssen nun mal die Umstände und den ärztlichen Rat berücksichtigen.

Wird der für Ende März geplante EU-China-Gipfel in Peking stattfinden?
Das werden Präsidentin von der Leyen und Präsident Xi gemeinsam in Kürze entscheiden.

Kommen sich beide Seiten inhaltlich näher?
Das jüngste Angebot Chinas für einen besseren Zugang zu seinem Markt war ein großer Schritt in die richtige Richtung. Aber Themen wie die chinesischen Subventionen für die Industrie, die Rolle der Staatsunternehmen und der erzwungene Technologietransfer sind noch nicht gelöst.

Ist ein Abkommen bis September realistisch? Kanzlerin Angela Merkel würde beim ersten Treffen aller EU-Staats- und Regierungschefs mit der chinesischen Führung in Leipzig gerne Ergebnisse präsentieren.
Der Inhalt des Pakets ist wichtiger als die Geschwindigkeit. Europa und China sollten die Gelegenheit ergreifen, in dieser turbulenten Zeit für mehr Stabilität und Planungssicherheit im Handel zu sorgen. Wenn wir den politischen Willen auf beiden Seiten haben, können wir in diesem Jahr ein Abkommen abschließen.

Bislang war Peking nicht bereit, größere Zugeständnisse zu machen.
Ich bin Optimist. Die Europäische Union will jedenfalls ein substanzielles Abkommen erreichen, das einen gleichwertigen Marktzugang für chinesische und europäische Unternehmen ermöglicht.

Kann die EU dabei etwas vom „Phase One“-Deal der USA mit China lernen?
Auch mit dem Deal sind immer noch Zölle auf Exporte im Wert von 370 Milliarden Dollar in Kraft. Das ist ein echtes Hindernis für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze und hilft niemandem. Wir brauchen Stabilität und Berechenbarkeit im Welthandel – erst recht angesichts der Folgen des Coronavirus.

Glauben Sie, dass China angesichts des wochenlangen Stillstandes der Wirtschaft seine Zusage erfüllen wird können, US-Güter im Wert von 200 Milliarden Dollar zusätzlich zu kaufen?
Es wird schwierig angesichts der Umstände. Uns gefällt diese Art des gesteuerten Handels ohnehin nicht. Wenn wir in der EU Deals machen, dann nur solche, die mit den WTO-Regeln vereinbar sind.

China hat sich im „Phase One“-Deal auch dazu verpflichtet, seinen Markt etwa für US-Finanzdienstleister weiter zu öffnen. Verlangen Sie nun das Gleiche für europäische Unternehmen?
Wir bestehen darauf, dass die Chinesen uns all das anbieten, was sie den Amerikanern angeboten haben – sei es in der Landwirtschaft oder der Industrie. Das sehen die Regeln des Welthandels so vor. Wir warten jetzt auf ihre Antwort.


„Werden europäische Lebensmittelvorschriften nicht ändern“

Wie laufen Ihre Verhandlungen mit den USA? Am 18. März will Washington die Strafzölle auf Airbus-Flugzeuge erhöhen. Sind Sie zuversichtlich, sich bis dahin auf etwas zu einigen?
Der 18. März ist keine Deadline, die Substanz muss stimmen. Die Gespräche zwischen uns und den USA über einen Minideal laufen konstruktiv. Wir wollen viele der langjährigen Streitpunkte ausräumen. Bislang habe ich noch nicht genug in dem Paket, um etwas zu verkünden. Aber wenn der politische Wille auf beiden Seiten so groß bleibt, bin ich zuversichtlich, dass wir in den nächsten Wochen einige Fortschritte erreichen können.

Die EU weigert sich, ihre Agrarmärkte für amerikanische Farmer zu öffnen. Warum sollte sich Präsident Trump also auf einen Deal einlassen?
Es gibt auf beiden Seiten eine lange Liste von regulatorischen Hürden für den Handel mit tierischen und pflanzlichen Erzeugnissen, von denen wir zumindest einige aus dem Weg räumen könnten. Wir warten etwa seit neun Jahren darauf, dass der Export von europäischen Äpfeln und Birnen in die USA genehmigt wird.

Die US-Regierung fordert, mit Chlor behandelte Hühnchen und genmodifizierte Lebensmittel in der EU zuzulassen.
Die USA fordern das schon länger, aber wir werden die europäischen Lebensmittelvorschriften und die Regeln für den Einsatz von Biotechnologie nicht ändern. Die Verhandlungen müssen also auf der Basis laufen, dass die Vereinigten Staaten von uns ebenso wenig eine Anpassung der Regeln verlangen wie wir vom US-Kongress.

Aber noch einmal: Warum sollte sich Trump auf einen Deal einlassen, wenn es nur um Äpfel, Mandeln oder Austern geht?
Das sind nur Beispiele, es geht noch um etliche andere Produkte und Themen. Wir fordern für die EU-Staaten schon seit Langem einen besseren Marktzugang für Rindfleisch, Hühnerfleisch oder Eier. Bei bestimmten pflanzlichen Produkten warten wir seit 29 Jahren auf die Zulassung.

Tut sich auch bei den Einfuhrzöllen für Industriewaren etwas? Trump und Ex-Kommissionspräsident Juncker wollten ja eigentlich ein Zollabkommen auf den Weg bringen.
Ja, wir erwarten, dass wir eine ausgewogene Vereinbarung für niedrigere Zöllen erreichen. Wie weit wir kommen, hängt von der Zusammensetzung des finalen Pakets ab. Es gibt Spielraum, um die Zölle auf viele europäische Industriewaren zu verringern. Natürlich erwarten die USA dafür auch von uns ein Entgegenkommen.

Bislang hatte sich der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer geweigert, über die Industriezölle zu reden, solange die EU die Landwirtschaft ausklammert.
Wir haben uns bereits viermal getroffen. Das zeugt doch von Verhandlungsbereitschaft.

Die EU hat schon vor Längerem angeboten, die geltenden Autozölle abzuschaffen. Lassen sich die USA darauf ein?
Wir sind offen dafür, uns die US-Forderungen zu allen Industrieprodukten anzuhören, Autos eingeschlossen. Aber natürlich bleiben wir innerhalb der Grenzen, die uns Mitgliedstaaten und Europaparlament setzen.

Trump hat immer wieder mit hohen Sonderzöllen auf Autos gedroht. Halten Sie das für glaubhaft angesichts der großen Widerstände auch in der US-Wirtschaft?
Wir sind gut beraten, die Aussagen von Präsident Trump zu Zöllen sehr ernst zu nehmen. Die Drohung mit Autozöllen ist nicht verschwunden, nur weil diese bislang nicht angeordnet wurden.

Trump bezeichnet sich selbst als „Tariff Man“.
Er geht davon aus, dass Zölle ein gutes Mittel sind, um die Leute an den Verhandlungstisch zu bringen. In einigen Fällen hat die Strategie gut funktioniert, in anderen weniger.

Sprechen Sie mit der US-Regierung auch über gemeinsame Regeln für neue Technologie wie Künstliche Intelligenz oder ultraschnelle Mobilfunknetze?
Ich habe den Eindruck, dass es in den USA viel Unterstützung für eine engere Kooperation bei diesen Technologie-Themen gibt. Und ich erwarte, dass wir Fortschritte erzielen können für eine Agenda, wie wir dort künftig zusammenarbeiten können.

Gilt das auch für den Umgang mit dem chinesischen Netzausrüster Huawei? Washington drängt die EU-Staaten ja, das Unternehmen aus den 5G-Netzen auszuschließen.
Industriekommissar Thierry Breton hat ja kürzlich den europäischen Ansatz dazu vorgestellt. Unsere Maßnahmenvorschläge wurden von den Vereinigten Staaten positiv aufgenommen, das haben mir meine Gesprächspartner bestätigt.

Sie sprechen zudem über zusätzliche Energielieferungen aus den USA, richtig?
Wir sprechen darüber, wie wir unsere Energieversorgung breiter aufstellen können durch den Import von US-Flüssigerdgas. Das Handelsvolumen ist 2019 bereits um vier Milliarden Dollar gestiegen, aber es gibt Spielraum für noch höhere Einfuhren.

Die EU-Kommission kauft selbst kein Erdgas. Wie wollen Sie das beeinflussen?
Natürlich entscheiden am Ende die Marktteilnehmer, ob sie das LNG kaufen oder nicht. Aber wir können den Marktzugang für die US-Lieferanten verbessern, etwa durch den Bau von Terminals oder Pipelines. Es ist im Interesse der EU, dass wir untereinander konkurrierende Lieferanten haben, aus Russland, dem Nahen Osten und den USA.

Könnten auch die strittigen Subventionen für die Flugzeugbauer Airbus und Boeing Teil einer Paketlösung sein?
Das ist ein getrenntes Thema, aber auch hier gibt es Bewegung. Die USA haben kürzlich Schritte eingeleitet, um das Urteil der WTO zu den illegalen US-Staatshilfen umzusetzen. Wir warten ab, was bei diesem Prozess herauskommt. Nun ist es an uns, die nächsten Schritte zu machen.

Wie gut verstehen Sie sich eigentlich mit Ihrem US-Gegenpart? Robert Lighthizer hat ja irische Wurzeln, hilft das?
Er heißt mit Vornamen Robert Emmet und wurde nach dem irischen Revolutionsführer aus dem 18. Jahrhundert benannt. Botschafter Lighthizer ist extrem professionell und beschäftigt sich schon sein ganzes Berufsleben mit Handelsthemen. Ich bewundere sein Fachwissen. Wir haben eine vernünftige Beziehung zueinander aufgebaut und ich habe den Eindruck, dass wir miteinander Geschäfte machen können. Aber die Probe dafür steht natürlich noch aus.

Herr Hogan, ich danke Ihnen für das Interview.