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Lufthansa-Chef Spohr kämpft um die Urlauber – und die Zukunft des Konzerns

Das Tourismusgeschäft wächst stärker als das mit Dienstreisen, auch wegen Corona. Spohr will den Bereich ausbauen. Doch jetzt wird ein Flugverbot für Ferienreisen diskutiert.

Lufthansa will stärker im Geschäft mit Freizeitreisen expandieren, weil dieses Segment stark wächst. Das Markenwirrwarr auf der touristischen Langstrecke konsolidiert werden. Das neue Ziel, eng am Lufthansa-Kern: „Eurowings Discover“. Foto: dpa
Lufthansa will stärker im Geschäft mit Freizeitreisen expandieren, weil dieses Segment stark wächst. Das Markenwirrwarr auf der touristischen Langstrecke konsolidiert werden. Das neue Ziel, eng am Lufthansa-Kern: „Eurowings Discover“. Foto: dpa

Das Projekt „Ocean“ hatte Lufthansa-Chef Carsten Spohr schon vor der Pandemie angestoßen – jetzt ist es aber der große Hoffnungsträger, um nach der Coronakrise wieder durchzustarten. Die angeschlagene Fluggesellschaft will das Geschäft mit Touristen ausbauen, das sich – so Spohrs Erwartungen – viel schneller erholen soll als die Geschäftsreisen.

Doch das Projekt stößt auf immer neue Widerstände. Seit Dienstag hängt das Damoklesschwert eines weitgehenden Verbots touristischer Reisen über der Branche. Wegen der zahlreichen Virusmutationen will Bundesinnenminister Horst Seehofer auch drastische Maßnahmen prüfen - bis hin zu einer „Reduzierung des Flugverkehrs nach Deutschland auf nahezu null“.

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Zwar hat die Regierung noch keine konkreten Entscheidungen getroffen, die internen Beratungen dauern an. „Wenn die Fallzahlen sinken, spricht das im Grundsatz nicht für eine Verschärfung der Maßnahmen“, sagte Unionsfraktionsvize Torsten Frei dem Handelsblatt: „Wir sollten uns dann zunächst auf die Länder fokussieren, die als Virusvariantengebiet eingestuft sind.“ Beschlüsse, wie sie Seehofer skizziert hat, könnten als Ultima Ratio infrage kommen.

Doch schon die Drohung reicht, um die Unsicherheit in der Branche und auch bei den Reisenden zu schüren. Für Spohrs Projekt „Ocean“ kommt das zur Unzeit. Der Ausbau des Geschäfts mit Touristen ist ein wichtiges Element in der Strategie von Lufthansa-Chef Carsten Spohr, um das Unternehmen aus der Krise zu führen und die Staatshilfen von bis zu neun Milliarden Euro abzulösen. Das Projekt „Ocean“ soll im Sommer starten. Ein Markenname ist auch schon gefunden: Eurowings Discover.

Das Freizeit-Segment ist in der Luftfahrt schon seit mehreren Jahren stärker gewachsen als das der Geschäftskunden. Die Pandemie dürfte diesen Trend verstärken: Nach ihren positiven Erfahrungen mit Videokonferenzen dürften sich die Unternehmen künftig noch stärker bei Dienstreisen zurückhalten, erwarten Experten.

Doch schon vor der Debatte um Flugverbote stieß der oberste Lufthanseat mit seiner Expansion in das Geschäft der Ferienflieger auf viel Gegenwind: bei der Konkurrenz, in Teilen der Politik – und auch im eigenen Haus. Ferienflieger Condor hat Mitte Januar beim Bundeskartellamt bereits Beschwerde wegen angeblichen Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung gegen den deutlich größeren Airline-Konzern eingereicht.

Lufthansa fliegt bisher mit zu vielen Marken

Grund ist die Kündigung einer langjährigen Partnerschaft, die es Condor bisher ermöglichte, bei Lufthansa vorab feste Kontingente zu festen Preisen für Zubringerflüge zu buchen. Condor braucht diese, um die eigenen Langstreckenjets zu füllen. Nun vermutet der Ferienflieger, dass die Lufthansa den kleineren Rivalen zugunsten der eigenen Expansionspläne schlicht verdrängen will.

Die Politik beobachtet das mit Sorge: „Lufthansa will das Feriengeschäft mit Eurowings wieder selbst bedienen. Das ist Corona geschuldet“, zeigt der Europaabgeordnete und Verkehrsexperte Ismail Ertug (SPD) einerseits Verständnis für das Vorgehen des MDax-Konzerns. Andererseits warnt der Europapolitiker vor der Entwicklung hin zu einem „Quasimonopol“ der Lufthansa nach der Pandemie.

Lufthansa will mit der neuen Airline-Marke die touristische Langstrecke von Eurowings übernehmen. Der Billigableger der Lufthansa hat sich mit dem „touristischen Fernverkehr“ eher schwergetan.

Das lag vor allem am bislang komplexen Konstrukt. Die touristischen Langstreckenflüge unter der Marke Eurowings wurden von der deutschen Sunexpress durchgeführt, die mittlerweile eingestellt wurde. Aber auch die zur Lufthansa-Gruppe gehörenden Airlines Lufthansa City Line und Brussels Airlines sind im Touristiksektor aktiv, ebenso die Kernmarke Lufthansa. Spohr will dieses Wirrwarr konsolidieren – auf eine Plattform, ein sogenanntes AOC (Air Operator Certificate), eng angebunden an die Kernmarke Lufthansa.

Vorbild ist Edelweiss, die Schwestergesellschaft der Lufthansa-Tochter Swiss. Sie ist sehr erfolgreich im Freizeitgeschäft unterwegs und profitiert dabei von der engen Anbindung an Swiss.

Allerdings tritt Lufthansa mit der neuen touristischen Marke gegen die auf Feriengäste spezialisierten Airlines wie Condor und Tuifly an. Condor und die Tuifly-Mutter Tui wurden ebenfalls mit Staatshilfen aufgefangen. Während Tuifly die eigenen Flugzeuge in der Regel gut mit den Kunden der Mutter Tui füllen kann, sieht das bei Condor anders aus.

Die bekannte Marke ist nach der Insolvenz der früheren Mutter Thomas Cook auf sich allein gestellt. Sie arbeitet eng mit Reiseveranstaltern zusammen, hat aber nach der Kündigung des Kooperationsvertrags mit Lufthansa keinen festen Zubringerdienst mehr. Wer in dem Streit am Ende recht bekommen wird, ist offen. Lufthansa will sich zu dem laufenden Verfahren nicht äußern.

Doch selbst wenn die Kartellwächter keinen Missbrauch feststellen sollten, „Eurowings Discover“ wird kein Selbstläufer. Zum einen bekämpfen die Gewerkschaften das Vorhaben. Sie sehen in der neuen Plattform einen Versuch, Tarifverträge in den bestehenden Flugbetrieben zu umgehen, und fürchten Lohndumping. Und das auf Kosten der Beschäftigten bei anderen Airlines.

Wenn Lufthansa die Staatshilfen dazu benutze, „andere Corona-Opfer aus dem Markt zu drängen, ist dies nicht tolerierbar“, sagt Daniel Flohr, der scheidende Vorsitzende der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation (UFO). Lufthansa verweist dagegen darauf, dass man die Auslastung der eigenen Jets schützen müsse.

Zum anderen sehen auch Teile der Führungsmannschaft die neue Touristikmarke mit einer gewissen Skepsis. Es sei nicht der erste Versuch des Unternehmens, in dem Geschäft mit Urlaubsreisenden stärker Fuß zu fassen, heißt es. Bisher seien alle fehlgeschlagen. „Lufthansa hat nicht die Kostenstruktur, das Vertrauen, dass ,Ocean‘ funktioniert, ist brüchig“, sagt eine Führungskraft.

Neue Touristikplattform startet klein

Spohr kann die Aufregung um „Ocean“ oder „Eurowings Discover“ dagegen nicht nachvollziehen. Es werde zu viel Wind gemacht um ein paar Jets – bei einer Flotte von 800 Flugzeugen bis zu Beginn der Pandemie. Tatsächlich wird die neue Marke sehr behutsam starten.

Statt wie geplant mit 14 Flugzeugen an den beiden Drehkreuzen Frankfurt und München zu beginnen, soll es nun im Sommer erst einmal mit drei A330 und nur in Frankfurt losgehen.

Doch es ist kein Geheimnis, dass Spohr langfristig Größeres mit „Eurowings Discover“ vorhat. Auch wenn es wohl noch lange dauern wird, bis die geplanten 14 Flugzeuge erreicht werden, grundsätzlich hält man im Konzern auch eine Größe von bis zu 60 Jets für denkbar, wenngleich diese Zahl bisher noch in keinem Plan genannt wird.

Der Aufsichtsrat hat die Gesamtstrategie bei der letzten Sitzung des Gremiums am 3. Dezember verabschiedet. Auch wenn bei einigen Punkten nicht jeder Kontrolleur hundertprozentig überzeugt war, wie Unternehmenskreise berichten. Das gilt auch für die neue Touristikplattform.

Einige Kontrolleure sehen bessere Chancen für das Projekt, wenn sich Lufthansa dafür einen starken Partner suche, der sich im Tourismus auskenne, heißt es im Umfeld des Aufsichtsrats. Vor allem aber müssten die Kosten und die Komplexität weiter gedrückt werden.

Spohr weiß das, sieht sich hier aber auf einem guten Weg. „Das Freizeitgeschäft ist sehr wettbewerbsintensiv, deshalb muss man niedrige Kosten haben“, sagte der oberste Lufthanseat in der vergangenen Woche bei einer Diskussionsveranstaltung der europäischen Flugsicherungsorganisation Eurocontrol.

Man habe die Kosten schon um die Hälfte gesenkt und sich bis Ende vergangenen Jahres von 29.000 Stellen getrennt. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass der Stellenabbau zu einem weit überwiegenden Teil im Ausland stattfand. Auch entfallen viele Jobs auf einen eh geplanten Abbau bei der Cateringtochter LSG SkyChefs sowie den Verkauf von deren Europageschäft. „Der Koch in Panama hat aber nichts mit der Effizienz im Flugbetrieb zu tun“, sagt eine Führungskraft.

Und dann ist da noch die Unsicherheit, wie die Kartellbeschwerde von Condor ausgehen wird. „Ich bin nicht sicher, ob Condor mit seinen Beschwerden durchkommt“, sagt der Europaabgeordnete Ertug. Aber nicht nur er mahnt, bei dem Fall genau hinzuschauen. „Ich erwarte vom Bundeskartellamt eine vorurteilsfreie Prüfung trotz der staatlichen Finanzhilfen“, fordert auch der Europaabgeordnete Jan-Christof Oetjen (FDP).

Die EU-Kommission will den Fall bisher nicht kommentieren. Laut Insidern beinhalten die gemachten Zusagen unter anderem, ein „aggressives Geschäftsverhalten“ zu vermeiden. Dass sich die Kommission zu einem späteren Zeitpunkt noch zum Fall Lufthansa äußern wird, wird in Brüsseler Kreisen deshalb nicht ausgeschlossen.

„Brüssel wird sehr genau drauf achten, dass hier nicht ein neuer Goliath entsteht. Lufthansa wird sich noch die eine oder andere unangenehme Frage gefallen lassen müssen“, glaubt Peter Smeets, Gründer und CEO des Flugzeugfinanzierungsspezialisten 360AF.

Vorerst heißt es aber sowieso, zu hoffen, dass die Überlegungen, touristische Reisen weitgehend zu verbieten, nicht noch das wichtige touristische Ostergeschäft der „Hansa“ verderben. Ausgeschlossen ist das nicht. Seehofers Wortmeldung sei als Warnsignal an die Fluggesellschaften zu verstehen, heißt es in Berlin. Schon jetzt müssen sich diese von Passagieren aus Risikogebieten einen negativen Coronatest vorlegen lassen. In der Bundesregierung wächst die Verärgerung darüber, dass nicht alle Airlines diese Vorschriften umsetzen. Sollte das so bleiben, behält sich die Regierung vor, zu anderen, noch härteren Mitteln zu greifen.