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Grenze nach Frankreich zu: Diese Konsequenzen hat das Chaos in Kent

Wegen einer noch ansteckenderen Corona-Variante stoppen mehrere EU-Staaten Verkehr aus Großbritannien. Auch wenn es Zeichen für eine Entspannung gibt: So kurz vor dem Brexit-Ultimatum hat das dramatische Konsequenzen.

Auf einer elektronischen Anzeigetafel in Dover steht: „Grenze nach Frankreich geschlossen“. Durch kommen nur Lastwagen, die Frachtcontainer geladen haben, die am Hafen umgeladen werden. Alle anderen Brummis müssen umkehren.

Die Szene, die man an diesem Tag in allen Nachrichtensendungen in Großbritannien sieht, schockiert das Land. Denn normalerweise rollen jeden Tag aus beiden Richtungen bis zu 10.000 Lkw durch die Küstenstadt, die Großbritannien mit dem französischen Calais verbindet. Es ist die wichtigste Verbindung der Inselnation nach Kontinentaleuropa. Doch in der Nacht auf Montag hat Frankreich seine Grenze zu Großbritannien für vorläufig 48 Stunden dichtgemacht. Es drohen massive Lkw-Staus im Südosten Englands und Engpässe im gesamten Land. Großbritannien ist an diesem Tag vom Rest Europas so gut wie abgeschnitten.

Zahlreiche europäische Staaten haben wegen einer neuen Mutation des Coronavirus, die sich rasant in Südengland und London ausbreitet, ihre Verbindungen nach Großbritannien gekappt. An britischen Flughäfen strandeten tausende Reisende, als ihre Flüge kurzfristig gekappt wurden. Unter anderem Deutschland, Italien, die Niederlande, Österreich, die Schweiz, Frankreich, Belgien, Israel und Kanada haben die Einreise für Personen aus Großbritannien kurzfristig untersagt. Im Laufe des Montags kappten zahlreiche weitere Länder weltweit ihre Flugverbindungen mit Großbritannien.

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Zuletzt gab es Anzeichen auf Entspannung – zumindest teilweise. Die Regierung in Paris etwa will für Entlastung an den Grenzen sorgen: Flugzeuge, Schiffe und der von London aus fahrende Eurostar-Zug könnten vom Mittwochmorgen an wieder verkehren, teilte der Beigeordnete Minister für Verkehr, Jean-Baptiste Djebbari, am Dienstagabend via Twitter mit. Französische Staatsbürger, Menschen mit Wohnsitz in Frankreich und andere autorisierte Reisende müssten einen negativen Corona-Test haben. „Das Ziel ist, den Warenverkehr wieder anlaufen zu lassen“, sagte Djebarri im Nachrichtensender BFMTV. Auch die EU-Kommission betonte in einer unverbindlichen Empfehlung: „Flug- und Zugverbote sollten eingestellt werden, da unverzichtbare Reisen sichergestellt und Unterbrechungen der Lieferketten vermieden werden sollten.“

Die deutsche Bundesregierung etwa hatte sich jedoch schon vor den Empfehlungen der EU-Kommission auf ein deutlich strikteres Vorgehen festgelegt: Seit diesem Dienstag ist Transportunternehmen die Passagierbeförderung aus Großbritannien und auch aus Südafrika per Flugzeug, Schiff, Bahn oder Bus nach Deutschland weitgehend verboten. Das legt eine im Bundesanzeiger veröffentlichte Verordnung des Gesundheitsministeriums fest, die bis zum 6. Januar gilt. In Südafrika ist eine ähnliche Virus-Variante aufgetaucht, die aber unabhängig von der britischen entstanden ist.

Die Maßnahme hätte für Großbritannien kaum zu einem schlechteren Zeitpunkt kommen können. Denn in wenigen Tagen endet die Brexit-Übergangsfrist. Danach wird es an den britischen Grenzverbindungen nach Europa in jedem Fall zu Verzögerungen kommen, weil das Land dann sowohl den Binnenmarkt als auch die Europäische Zollunion verlassen wird. Mehr noch: Die Verhandlungen über ein Handelsabkommen für die Zeit danach waren am Montagmittag noch immer nicht abgeschlossen. Es droht, mal wieder, ein No Deal-Szenario. Im schlimmsten Fall könnte das dazu führen, dass ab Anfang Januar auf einen Schlag auch noch Zölle und Einfuhrsteuern auf Waren erhoben werden müssen, die zwischen Großbritannien und dem europäischen Festland transportiert werden. Das Chaos wäre perfekt.

Dabei haben sich bereits in den vergangenen zwei Wochen mehr als 30 Kilometer lange Lkw-Staus vor Dover und dem nahe gelegenen Felixstowe gebildet. Zahlreiche britische Unternehmen haben wegen des drohenden No Deal-Brexits in den vergangenen Wochen eilig ihre Warenlager gefüllt, um Engpässe zu verhindern. Das hat den LKW-Verkehr zwischen Großbritannien und Kontinentaleuropa stark ansteigen lassen.

Die weitgehende Schließung der Grenzen hat es in der jüngeren Geschichte in dieser Form nicht gegeben. Selbst als früher im Jahr wegen der Coronapandemie die meisten Grenzen innerhalb Europas geschlossen wurden, rollte der Lkw-Verkehr zwischen Großbritannien und dem europäischen Festland weiter. Doch das Aufkommen der neuen Variante des Coronavirus hat weltweit Sorge ausgelöst. Denn Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Mutation das Virus noch ansteckender gemacht haben könnte. Premier Boris Johnson hat deswegen am Wochenende die geplanten Lockerungen für Weihnachten zurückgenommen und weite Teile im Süden und Osten des Landes in den Lockdown geschickt.

Britische Supermärkte erklärten nach den Grenzschließungen sogleich, dass ihre Warenlager ausreichend gefüllt seien, sodass es zu Weihnachten keine weitreichenden Lebensmittel-Engpässe geben werde. Die Supermarktkette Sainsbury’s warnte jedoch, dass bereits in den kommenden Tagen gewisse Frucht- und Gemüsesorgen knapp werden könnten, beispielsweise Salate, Broccoli und Zitrusfrüchte.

Der Chef des Hafenbetreibers Port of Dover, Doug Bannister, warnte vor möglichen „dramatischen Auswirkungen“, falls sich die Lage nicht ändern sollte. „Durch den Hafen werden jedes Jahr Waren im Wert von 120 Milliarden Pfund transportiert. Jede Unterbrechung wird empfindlich zu spüren sein.“ Bannister fügte hinzu, er hoffe, dass die Regierung in London eine Lösung finden werde, um den Grenzverkehr wieder in Gang zu bekommen.

Die Regierung in London ließ wissen, dass sie keine Einschränkungen in ihrem Impfprogramm erwarte. Nach einer Eilentscheidung durch die britische Medikamentenzulassungsbehörde wird in Großbritannien bereits seit dem 8. Dezember der Impfstoff von Biontech und Pfizer verabreicht. Dieser Impfstoff wird in Belgien hergestellt und soll im Notfall auch von der Royal Air Force nach Großbritannien gebracht werden.

Der neue Corona-Stamm wurde bereits in Patienten in mehreren Ländern nachgewiesen, unter anderen in Dänemark und Italien. Der britische Verkehrsminister Grant Shapps versuchte, den Ernst der Lage herunterzuspielen. So kämen weiter Waren aus Frankreich ins Land, erklärte der Minister. Experten wiesen jedoch darauf hin, dass anhaltende Verzögerungen beim Grenzverkehr in Richtung Europa auch LKW-Fahrer in Europa davon abhalten könnten, nach Großbritannien zu fahren, da sie dort auf unbestimmte Zeit stranden könnten.

Die Grenzschließung hat auch die Spannungen zwischen London und Edinburgh weiter erhöht. So forderte die schottische Erste Ministerin Nicola Sturgeon von London, die EU um eine Verlängerung der Brexit-Übergangsfrist zu bitten, die Ende des Jahres ausläuft. „Der neue Covid-Stamm (..) bedeutet, dass wir wir uns einer zutiefst ernsten Situation gegenübersehen, die unsere hundertprozentige Aufmerksamkeit erfordert“, schrieb Sturgeon auf Twitter. Es wäre „unzumutbar“, die Lage auch noch „durch den Brexit zu verschlimmern.“

Mehr zum Thema: António Costa übernimmt im Januar die EU-Ratspräsidentschaft. Er zeigt sich optimistisch, dass ein harter Brexit vermieden werden kann.