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Gea-Chef: „Der Aktionär ist doch nicht der Zigarre rauchende Bentley-Fahrer“

Nach mehreren Gewinnwarnungen will der Gea-Chef trotz Corona an seinen Zusagen festhalten. Dazu gehört auch eine persönliche Hauptversammlung.

Nachdem sein Vorgänger die Investoren mit mehreren Gewinnwarnungen in Folge verprellte, schrieb sich der Vorstandschef des Düsseldorfer Anlagenbauers Gea Zuverlässigkeit und Stabilität auf die Fahne. Daran will Stefan Klebert auch in der Coronakrise festhalten – und verspricht seinen Aktionären eine stabile Dividende.

„Genauso, wie wir unseren Mitarbeitern ihre Löhne und unseren Führungskräften ihre Boni für 2019 bezahlt haben, sollten wir auch unsere Aktionäre am Geschäftserfolg des vergangenen Jahres teilhaben lassen“, sagte der Manager im Interview mit dem Handelsblatt.

Er selbst und seine Vorstandskollegen hingegen verzichten auf zehn Prozent ihres Gehalts – aber nicht aus wirtschaftlichen Gründen, wie Klebert betont. So werde es für die Mitarbeiter in diesem Jahr etwa keine außertariflichen Gehaltserhöhungen geben. „Da ist es eine Frage der Kultur, dass wir als Vorstand mit gutem Beispiel vorangehen – auch wenn die Not nicht so groß ist.“

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Anders als viele andere Börsenkonzerne, die ihre Hauptversammlung wegen der Corona-Pandemie in diesem Jahr virtuell abhalten, hält Klebert an einer Präsenzveranstaltung fest. „Wir wollen unseren Investoren mit der Verschiebung die Möglichkeit geben, all ihre Fragen zu stellen und auch in einer klassischen Generaldebatte zu vertiefen.“ Das sei bei einer rein digitalen Veranstaltung nur eingeschränkt möglich, so der Manager.

Einen Teil der geplanten Dividende, die die Hauptversammlung eigentlich erst beschließen muss, will Klebert bereits im Mai vorab auszahlen. Dass die Aktionäre keinen Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten müssen, lässt der 54-Jährige nicht gelten. „Ich finde, die Diskussion um Dividenden in der Krise wird oft sehr einseitig geführt.“ Bislang habe in der Krise kaum jemand so viel Geld verloren wie die Aktionäre, so der Manager.

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Herr Klebert, bei Ihrem Amtsantritt haben Sie sich Verlässlichkeit und Berechenbarkeit auf die Fahne geschrieben, nachdem Gea die Investoren in den Jahren zuvor mit mehreren Gewinnwarnungen verprellt hatte. Hat Ihnen die Coronakrise nun einen Strich durch die Rechnung gemacht?
Wir erleben derzeit eine Situation, in der wir alle dazulernen müssen. In unserer Generation hat noch niemand zuvor auch nur ansatzweise etwas Ähnliches wie die Corona-Pandemie erlebt. In solchen Zeiten muss man offen sein und seine Maßnahmen ständig an die aktuelle Situation anpassen. Wir müssen auf Sicht fahren, halten aber an unseren bisherigen Zusagen fest.

Anders als viele andere Unternehmen halten Sie sowohl die Jahres- als auch die Mittelfristprognose aufrecht. Was macht Sie so sicher, dass Gea weitgehend unbeschadet durch die Krise kommt?
Wir haben ein sehr stabiles Geschäftsmodell: Rund 80 Prozent unseres Umsatzes verdienen wir mit Kunden aus der Nahrungsmittel- und Getränke- sowie der Pharmaindustrie. Da sehen wir einerseits Kunden, die einen unheimlichen Auftragsboom haben – etwa bei Fertiglebensmitteln, da die Menschen ja im Moment vielerorts nicht in Restaurants gehen können. Andererseits gibt es in anderen Bereichen starke Rückgänge, zum Beispiel bei den Brauereien. In der Summe werden wir zwar ein paar Schleifspuren sehen. Vor einem dauerhaften Problem stehen wir aber nicht.

Wie sieht es auf der Angebotsseite aus? Viele Unternehmen, die noch produzieren, klagen derzeit über gestörte Lieferketten.
Die Versorgung mit Vormaterialien verläuft bei uns im Wesentlichen reibungslos. Für viele Produkte haben wir mehrere Lieferanten, das gibt uns die nötige Flexibilität. Besonders behalten wir dabei natürlich auch die Situation in Italien im Auge, das eine wichtige Rolle als Zulieferer für die ganze Branche spielt und wo wir zum Teil auch selbst produzieren.

Gea ist in vielen weiteren Teilen der Welt aktiv. Wie verschaffen Sie sich einen Überblick?
Wir haben im Rahmen unseres Krisenmanagements der aktuellen Corona-Situation schnell ein eigenes Reporting aufgebaut, das mich täglich mit den wichtigsten Informationen von all unseren Standorten versorgt: Wie viele und welche Standorte sind wie betroffen? Wie viele Mitarbeiter arbeiten von zu Hause aus, wie viele sind daheim und können nicht arbeiten? Welche Kundenprojekte wurden verschoben oder ganz abgesagt? Das ist im Moment ein sehr großer Aufwand, hilft uns aber enorm bei der Steuerung.

Als einer der ersten deutschen Börsenkonzerne hat sich Gea entschieden, die für Ende April geplante Hauptversammlung voraussichtlich ans Jahresende zu verschieben. Warum war eine virtuelle Hauptversammlung, wie sie derzeit viele Firmen durchführen, für Sie keine Option?
Wir wollen als Gea verlässlich sein und uns unseren Aktionären stellen. Wir wollen unseren Investoren mit der Verschiebung die Möglichkeit geben, all ihre Fragen zu stellen und auch in einer klassischen Generaldebatte zu vertiefen. Das wäre bei einer rein digitalen Veranstaltung aus unserer Sicht nur sehr eingeschränkt möglich gewesen. Nur so ist ein echter Dialog zwischen dem Vorstand und den Aktionären möglich. Von den Schutzgemeinschaften und unseren Investoren haben wir dafür sehr positive Rückmeldungen bekommen.

Dort dürfte auch gut angekommen sein, dass Sie im Vorstand auf einen Teil Ihres Gehalts verzichten. Wenn es so gut läuft: Warum der Verzicht?
Wir als Vorstand verzichten in der Tat sechs Monate lang auf zehn Prozent unseres Fixgehalts. Das hat aber grundsätzlich keine wirtschaftlichen Gründe für das Unternehmen. Wir haben ein tragfähiges Geschäftsmodell, bei uns muss wegen dieser Krise keiner ernsthaft um seinen Arbeitsplatz fürchten. Wir erwarten jedoch im Moment von unseren Mitarbeitern einen gewissen Beitrag zur Bewältigung dieser außergewöhnlichen Situation. Deshalb haben wir unsere Mitarbeiter etwa gebeten, Teile ihres Jahresurlaubs jetzt zu nehmen, damit wir, wenn die Wirtschaft wieder volle Fahrt aufnimmt, nicht in Kapazitätsprobleme kommen. Auch wird es in diesem Jahr keine Gehaltserhöhungen im außertariflichen Bereich geben. Da ist es eine Frage der Kultur, dass wir als Vorstand mit gutem Beispiel vorangehen – auch wenn die Not nicht so groß ist.

Ist Kurzarbeit für Sie ein Thema?
In Italien haben wir Teile unserer Belegschaft in Kurzarbeit geschickt. Ansonsten sind wir aber weitgehend um größere Maßnahmen herumgekommen. Dass wir auch Mitarbeiter in Deutschland in den nächsten Monaten in Kurzarbeit schicken müssen, kann ich aber zurzeit nicht ausschließen.

An der geplanten Dividende von 85 Cent halten Sie derweil fest – und wollen den gemessen an ihrem Jahresergebnis gesetzlich erlaubten Maximalbetrag von 42 Cent sogar schon vorab im Mai auszahlen. Müssen die Aktionäre in der Krise keinen Beitrag leisten?
Das kann man so nicht sagen. Ich finde, die Diskussion um Dividenden in der Krise wird oft sehr einseitig geführt. Denn bislang hat in der Krise kaum jemand so viel Geld verloren wie die Aktionäre. Und genauso, wie wir unseren Mitarbeitern ihre Löhne und unseren Führungskräften ihre Boni für 2019 bezahlt haben, sollten wir auch unsere Aktionäre am Geschäftserfolg des vergangenen Jahres teilhaben lassen – in Form einer angemessenen Dividende. Zumal der Aktionär doch typischerweise nicht der Zigarre rauchende Bentley-Fahrer ist, sondern oft auch ganz viele Menschen aus den mittleren Einkommensschichten, die geringe Beträge in Fonds bei ihrer Sparkasse investiert haben.

In der Politik mehren sich Forderungen, Unternehmen, die in diesem Jahr eine Dividende ausschütten, von öffentlichen Hilfen wie Notkrediten und staatlichen Kapitalzuschüssen auszuschließen. Wie stehen Sie dazu?
Wenn sich eine Firma in einer existenzbedrohenden Situation befindet, ist es sicher vollkommen richtig, die Dividende zu streichen. Dann werden auch Mitarbeiter auf Gehalt verzichten, dann sitzen alle im gleichen Boot. Davon sind wir bei Gea aber weit entfernt.

Als die Coronakrise einschlug, steckte Gea mitten in einem Konzernumbau. Sie wollten den Tochterunternehmen mehr unternehmerischen Freiraum geben, gleichzeitig zentrale Funktionen wie den Einkauf bündeln und Personal abbauen. Wirft Sie die Pandemie nun zurück?
Ich bin unheimlich froh, dass wir hier schon vor dem Ausbruch der Pandemie gut vorangekommen sind. Denn mit der neuen Aufstellung können wir die Krise viel besser managen. Es gibt an allen Standorten fast täglich kurzfristige Entscheidungen zu treffen – sei es in Indien, in Italien oder in Amerika. Wenn es irgendwo auf der Welt einen Coronafall im Unternehmen gibt, können Sie mit der Entscheidung über eine mögliche Werksschließung nicht warten, bis in Deutschland die Sonne aufgeht. Das muss sofort passieren. Daneben sehen wir aber auch im normalen Geschäft bereits die positiven Auswirkungen dieser neuen Struktur.

Wie viele solcher Fälle gab es bislang?
Es gab bei uns weltweit bisher eine niedrige zweistellige Zahl an Infizierten. Mittlerweile sind beispielsweise in Deutschland aber alle genesen. Deshalb bin ich stolz, sagen zu können, dass wir hier derzeit keinen Mitarbeiter haben, der an Corona erkrankt ist.

Wie stellen Sie sicher, dass das auch so bleibt? Mussten Sie Ihre Produktionsprozesse verändern?
Aufgrund der Erfahrungen in unseren Fabriken in China haben wir bereits Ende Februar unsere Kantinen für die Mitarbeiter geschlossen und die Schichten voneinander getrennt – damit wir nicht gleich die ganze Fabrik stilllegen müssen, wenn sich eine Person mit dem Virus infiziert. Wo es nötig war, haben wir den Abstand der Montagearbeitsplätze auf die empfohlenen 1,5 Meter erhöht. Zudem haben wir die Hygienestandards verschärft, wo machbar Temperaturmessungen durchgeführt, und wir halten Desinfektionsmittel und Mund-Nasen-Schutz für die Mitarbeiter bereit. Wer konnte, hat in den vergangenen Wochen zudem von zu Hause aus gearbeitet.

Wie haben sich die Maßnahmen auf die Produktivität ausgewirkt?
Die Vorstellung, dass man die Hälfte der Mitarbeiter nach Hause schicken kann, ohne dass die Produktivität auch nur etwas leidet, ist sicher illusorisch. Hinzu kommt, dass die Schulen und Kindergärten zu sind und viele Mitarbeiter deshalb zu Hause unter erschwerten Bedingungen arbeiten müssen. Wir sehen also vereinzelt Effizienzverluste, aber die Organisation steht auch in einer solch einzigartigen Situation sehr solide da. Es gibt sogar Bereiche, da ist die Effizienz gestiegen – etwa weil Reisen wegfallen oder durch Videokonferenzen ersetzt werden, was Zeit spart. Unsere Mitarbeiter machen insgesamt einen tollen Job und tun alles, um unsere Kunden bestmöglich zu versorgen.

Werden uns diese Anpassungen auch nach der Coronakrise noch begleiten?
Ich glaube, dass die Welt merken wird, dass man nicht so viel reisen muss, um erfolgreich Geschäfte zu machen. Hier gab es vor Corona unglaubliche Ineffizienzen. Wir planen aber nicht, wegen der guten Erfahrungen mit Homeoffice etwa die Präsenzpflicht für unsere Mitarbeiter abzuschaffen, wie es nun teilweise diskutiert wird. Ein Unternehmen ist immer noch ein soziales Gefüge, das vom gegenseitigen Austausch lebt. Deshalb höre ich auch von vielen Mitarbeitern, dass sie sich darauf freuen, wieder ins Büro zu dürfen.

Sie beliefern nicht nur Nahrungsmittel- und Getränkehersteller, sondern auch Impfstoffproduzenten. Hat schon einer bei Ihnen angeklopft, um eine Anlage für einen Corona-Impfstoff zu bestellen?
Wir hören von unseren Kunden das, was auch in der Presse zu lesen ist, und sind mit vielen in Gesprächen zu den aktuellen Herausforderungen. Wir haben auch bereits erste Aufträge in diesem Zusammenhang, wie zum Beispiel zur Lieferung einer Separatorenanlage für Impfstoffe nach China. Die Anlage soll für klinische Muster und später für den eigentlichen Produktionsprozess zur Herstellung eines möglichen zukünftigen Corona-Impfstoffs eingesetzt werden. Aber sosehr sich die Welt im Moment auch nach einem Impfstoff sehnt: Ich glaube nicht, dass uns zeitnah ein entsprechendes Medikament zur Verfügung steht. Es ist gut und richtig, dass mittels solcher Tests bestimmte Qualitätskriterien eingehalten werden. Denn es wäre nicht wünschenswert, dass Spätfolgen oder Nebenschäden durch einen solchen Impfstoff entstehen.
Herr Klebert, vielen Dank für das Interview.