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Fiat-Chrysler und Renault starten eine Attacke auf VW

 

Die Gerüchte sind schon sehr lange auf dem Markt. Erst war General Motors als möglicher Partner im Gespräch, dann war sogar einmal von Volkswagen die Rede. Weil Fiat Chrysler (FCA) und der Peugeot-Mutterkonzern PSA schon seit Jahrzehnten gemeinsam leichte Nutzfahrzeuge produzieren, machte im Frühjahr plötzlich die Spekulation von der ganz großen Fusion beider Unternehmen die Runde.

Fiat Chrysler ist auf Brautschau, das italienisch-amerikanische Unternehmen sieht für sich allein seit geraumer Zeit keine gesicherte Zukunft mehr. Schon der im vergangenen Jahr verstorbene Firmenpatriarch Sergio Marchionne hatte die Devise ausgegeben, dass Fiat Chrysler nach einem Partner Ausschau halten müsse. „Das ist die nächste Runde der Konsolidierung in der Automobilindustrie“, orakelte Marchionne bereits 2017.

Bislang liefen jedoch alle Spekulationen ins Leere – bis zu diesem Wochenende. Weder PSA oder General Motor sollen es werden, Fiat Chrysler macht den französischen Renault-Konzern zum bevorzugten Partner. Noch vor Börsenbeginn gab der italienisch-amerikanische Konzern am Firmensitz in Turin bekannt, dass Renault eine Fusion unter Gleichen im Verhältnis 50:50 vorgeschlagen werden soll.

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Die am Montag vorgeschlagene Fusion der beiden Automobilkonzerne könnte tatsächlich so etwas wie ein Meilenstein für die gesamte Branche werden. Mit etwa 8,7 Millionen verkauften Fahrzeugen würden Fiat Chrysler und Renault zum drittgrößten Autohersteller der Welt aufsteigen. Nur VW und Toyota sind mit jeweils knapp elf Millionen abgesetzten Autos noch ein Stück größer.

Tatsächlich will das Bündnis aus Fiat Chrysler und Renault die Kräfteverhältnisse in der Autoindustrie neu sortieren. Käme es zustande, könnte das Gespann die Marktführer aus Deutschland und Japan überrunden. Das wäre der Fall, wenn sich auch der langjährige japanische Renault-Partner Nissan einer neuen französisch-amerikanisch-italienischen Autoallianz anschließen würde.

Dann käme das neue Bündnis auf mehr als 15 Millionen verkaufte Autos und besäße im globalen Maßstab die größte Marktmacht. Entsprechend reserviert verfolgt der Volkswagen-Konzern die Entwicklung. „Kein Kommentar“, sagte ein Sprecher auf das geplante Bündnis von Fiat und Renault. Hinter den offiziellen Kulissen verbreitet man aber demonstrative Gelassenheit. „Die neue Allianz muss erst einmal zustande kommen und wirklich funktionieren“, hieß es am Montag aus Unternehmenskreisen.

Volkswagen sei von der möglichen Fusion zudem nicht überrascht worden. Angesichts der hohen Investitionen für Elektromobilität und Digitalisierung bleibe kleineren Unternehmen aus der Branche gar nichts anderes übrig, als gemeinsame Wege zu gehen. Ein Bündnis Renault-Fiat sei voraussichtlich nicht die letzte mögliche Fusion.

Der VW-Konzern verfolgt derzeit keine eigenen Fusionspläne. Aber immerhin strebt der Wolfsburger Autokonzern mit dem US-Konkurrenten Ford eine umfassende Kooperation an. Dazu gehören gemeinsame Projekte bei leichten Nutzfahrzeugen, beim autonomen Fahren und beim Elektroantrieb.

Sollte sich allerdings auch Nissan an der geplanten neuen französisch-amerikanisch-italienischen Allianz beteiligen, würde mit 15 Millionen verkauften Autos der Branchenprimus entstehen. Das könnte auch den großen VW-Konzern noch einmal nachdenklich werden lassen, meinen Branchenexperten.

Dann sei vielleicht mehr möglich als nur die geplante Kooperation mit Ford. Auch Toyota wollte sich am Montag nicht zu den Fiat-Renault-Plänen äußern. „Ich glaube nicht, dass Toyota sich auch nur eine Sekunde vor der Allianz fürchtet“, sagte Chris Richter, Aktienanalyst von CLSA in Japan. Noch sei die Fusion keine beschlossene Sache.

Der Renault-Verwaltungsrat hat das Angebot von FCA am Montagmorgen über mehrere Stunden diskutiert. Am Ende teilte Renault mit, dass der Konzern dem Angebot aus Turin wohlwollend gegenüberstehe. Die Möglichkeit einer Fusion werde „mit Interesse“ untersucht. Sie könne Renaults weltweite Produktionskapazität stärken und zusätzlichen Wert für die Allianz mit Nissan schaffen. Aus Branchenkreisen war zu hören, eine Einigung über die Fusion sei eine Angelegenheit von Tagen oder Wochen.

Frankreich pocht auf sichere Arbeitsplätze

Der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire betonte, dass sich der Zusammenschluss innerhalb der bestehenden Allianz von Renault mit Nissan vollziehen solle. Renault habe sich gegenüber der Regierung dazu verpflichtet, dass keine Werke in Frankreich geschlossen werden. Die Renault-Manager haben nur begrenzt Spielraum, was Werksschließungen angeht: Der französische Staat gehört mit einem Anteil von 15 Prozent zu den wichtigsten Anteilseignern.

Den Vorteil des Mergers für Renault sieht der Hersteller vor allem in der Größe. Renault allein sei mit 3,9 Millionen produzierten Autos zu klein. Auch die Finanzen und die Forschungskapazitäten könnten eine Stärkung gebrauchen, um möglichen Erschütterungen auf dem Automarkt standzuhalten.

Seit Monaten wird darüber diskutiert, dass der gesamten Branche nach zehn Jahren Aufschwung ein Absatzeinbruch bevorsteht. Zudem bürden Elektroantrieb und Digitalisierung allen Herstellern zusätzliche Investitionen in zweistelliger Milliardenhöhe auf. Fiat Chrysler und Renault würden gleichermaßen davon profitieren, wenn sie solche Ausgaben teilen könnten.

Der italienisch-amerikanische Partner würde Renault außerdem Zugang zum US-Markt verschaffen. FCA sei dort mit den Marken Dodge, RAM und Jeep sehr rentabel, führt man in Paris an. Der französische Hersteller ist bislang sehr einseitig auf Europa ausgerichtet.

Ein Zusammengehen mit Fiat Chrysler würde bei Renault diese Abhängigkeit vom europäischen Markt verringern. Durch eine Fusion mit FCA sähe sich Renault auch in der Allianz mit Nissan gestärkt. Die Japaner sind volumenmäßig größer, aber weniger rentabel als Renault. Nissan hatte kürzlich einen französischen Vorschlag für eine Fusion abgelehnt.

In Paris will man zwar nicht von einem veränderten Kräfteverhältnis gegenüber Nissan sprechen, lässt aber dennoch durchblicken, dass es nicht schlecht sei, Nissan gegenüber an Gewicht zu gewinnen. Die Fusionsgespräche mit FCA laufen unabhängig von Nissan. Renault und Nissan sind durch eine gegenseitige Kapitalverflechtung verbunden: Renault hält 43 Prozent am japanischen Partner, Nissan 15 Prozent an Renault.

Seit der Verhaftung des Topmanagers Carlos Ghosn im vergangenen Herbst wegen Korruptionsverdacht ist das Verhältnis zwischen beiden Seiten extrem belastet. Ghosn hatte an der Spitze beider Unternehmen gestanden. Die neuen Verhandlungen für eine französisch-amerikanisch-italienische Allianz wurden von Renault-Verwaltungsratschef Jean-Dominique Sénard und FCA-Chef John Elkann geführt.

Renault sieht einen möglichen Merger mit FCA nicht als einen Akt, der sich gegen Nissan richte. Auch Nissan-Boss Saikawa stehe dem möglichen Zusammenschluss positiv gegenüber. Nissan könne davon profitieren, etwa auf dem US-Markt, wo Nissan im Gegensatz zu Renault präsent ist.

Die Japaner erlösten dort zeitweilig 40 Prozent ihrer Gewinne. „Wir stehen einem konstruktiven Meinungsaustausch über eine Stärkung der Allianz immer positiv gegenüber“, sagte Nissan-Chef Hiroto Saikawa am Montag in Tokio. In dieser Woche würden sich die Spitzenmanager von Renault und Nissan treffen und über das mögliche Fiat-Bündnis sprechen.

CSLA-Analyst Chris Richter nimmt an, dass Renault nicht mit Fiat Chrysler verhandelt, um Nissan zu verärgern. Denn er kann sich nicht vorstellen, dass die Franzosen Nissan vergraulen wollen. „Es wäre sehr unglücklich für Fiat Chrysler und Renault, Nissan zu verlieren“, betonte Richter.

Erstens seien die Japaner stark im wichtigen chinesischen Markt, während die Franzosen und Italiener dort nichts zu melden hätten. Zweitens produziere Nissan als einziger der drei Hersteller bereits in Indien, einem weiteren Zukunftsmarkt. Zudem sei Nissan der technologische Pionier der Allianz bei Elektroantrieben und autonomem Fahren.

Französische Analysten wie François Maury von Oddo BHF sehen Vorteile eines Zusammenschlusses vor allem aufseiten von Fiat Chrysler. Die italienisch-amerikanische Gruppe habe bei der Technologie für das digitalisierte und elektrifizierte Fahrzeug „deutlich weniger zu bieten als Renault“. Der französische Konzern hat sich bereits als Anbieter von rein batteriegetriebenen Fahrzeugen etabliert.

Fiat geht es nicht gut in Italien. Zwar werden gerade im Werk Mirafiori in Turin die Produktionsstraßen für den ersten elektrischen Fiat 500 aufgebaut, der im nächsten Frühjahr auf den Markt kommen soll. Aber der Fiat-Absatz auf dem eigenen Heimatmarkt stockt seit Langem.

Kosten sollen um fünf Milliarden Euro pro Jahr sinken

Fiat Chrysler und Renault gehen nach eigenem Bekunden davon aus, ihre Kosten nach einem Zusammenschluss um jährlich fünf Milliarden Euro zu senken. Damit stünde ihnen dann auch mehr Geld für Investitionen wie in die E-Mobilität zur Verfügung. Fiat-Aktionären winkt außerdem eine Sonderdividende von 2,5 Milliarden Euro.

Es hat nicht lange gedauert, da liefern in Italien die Gewerkschaften angesichts dieser neuen Kostensenkungspläne Sturm. In Italien sind die Fiat-Fabriken nicht ausgelastet. Es fehlt an attraktiven neuen Modellen gerade etwa im Bereich der Elektromobilität. Die Angst ist groß, dass eine mögliche Fusion schnell zu Werksschließungen führt.

„Fiat und Renault sind in Europa in einem vergleichbaren Produktsegment unterwegs“, sagte Ferdinand Dudenhöffer, Automobilprofessor an der Universität Duisburg-Essen. Doppelstrukturen könne sich niemand erlauben. „Wir waren immer für strategische Allianzen, um bei der globalen Konsolidierung der Branche mithalten zu können“, sagte Marco Bentivogli, Chef der Gewerkschaft FIM-CISL. Das dürfe aber nicht zulasten der Fiat-Belegschaft gehen.

Die Angestellten der Turiner Werke von Fiat-Italien schickten am Montag einen offenen Brief an FCA-Präsident John Elkann, in dem sie ihn dringlich darum baten, keine Werke zu schließen. Über die Jahre hinweg seien in Turin immer mehr Produktionsstätten und Personal abgebaut worden.

In Italien ist eine mögliche Fusion von Fiat mit Renault sofort zu einem politischen Thema geworden. Der Anteil des französischen Staats an Renault hat die Koalition in Rom aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung auf den Plan gerufen. Für Claudio Borghi, europaskeptischer Ökonom der Lega, ist der Staatsanteil eine „Anomalie“.

Die italienische Regierung könnte eine Beteiligung an dem neuen Unternehmen verlangen, um mit den Franzosen gleichzuziehen. „Wir könnten Symmetrie fordern“, so Borghi. Die nationalen Interessen Italiens müssten verteidigt werden.