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Für die Nuss-Marke Seeberger wird der Klimawandel zum Risiko

Das Familienunternehmen ist Europas führende Marke für Nüsse und Trockenfrüchte. Doch Ernteausfälle machen das Geschäft unwägbarer.

Die Buschbrände in Australien haben auch Folgen im schwäbischen Ulm. Die Feuer haben nicht nur Koalas und Kängurus getötet, allein in New South Wales wurden 6000 Bienenstöcke zerstört. Den Mandelbäumen fehlen nun ab Juli Millionen Bienen zum Bestäuben.

„Das könnte zu gravierenden Ernteausfällen bei Mandeln führen“, fürchtet Ralph Beranek, Co-Geschäftsführer von Seeberger, Spezialist für Nüsse und Trockenfrüchte. Schließlich ist Australien nach den USA der zweitgrößte Mandelproduzent der Welt.

Der Klimawandel wird für Seeberger immer mehr zum unwägbaren Geschäftsrisiko. „Die Wasserknappheit in Kalifornien vor einigen Jahren ließ die Preise von Walnüssen, Mandeln und Pistazien explodieren“, sagt der 54-Jährige. Vor drei Jahren gab es wegen der Dürre weltweit kaum getrocknete Aprikosen. Um Risiken besser zu streuen, bezieht Seeberger seine Waren schon seit einigen Jahren verstärkt aus verschiedenen Klimazonen und Kontinenten.

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Seit mehr als 175 Jahren vertreibt der einstige Kolonialwarenhändler Seeberger Kaffee, Nüsse und Trockenfrüchte. Mit knapp 600 Mitarbeitern erwirtschaftet das Familienunternehmen heute rund 300 Millionen Euro.

„Wir hatten nie Verlustjahre und sind zuletzt stark gewachsen. Aber steigende Rohstoffkosten sind schon eine Belastung“, sagt Clemens Keller, Co-Geschäftsführer aus der Gesellschafterfamilie. Zum Ergebnis äußert er sich schwäbisch zurückhaltend nur so: „Wir sind zufrieden.“

Zweites Standbein

„Seeberger hat sich in Deutschland als Platzhirsch im Bereich Frucht- und Nuss-Snacking etabliert“, konstatiert Sebastian Theopold, Geschäftsführer der Beratung Munich Strategy. Europas führender Markenanbieter profitiert vom Trend der natürlichen Snacks. Haftete Trockenfrüchten und Nüssen lange etwas Altbackenes an, so stehen sie heute auf dem Speiseplan von Veganern und Hipstern.

Weil die Preise der Naturwaren stark schwanken, hat sich Seeberger ein zweites Standbein aufgebaut: die Rundumversorgung von Firmen und Gastronomie mit Kaffee und Tee. Die Ulmer bieten bundesweit Kaffeeautomaten samt Befüllung, technischem Service und hauseigenen Zahlungssystemen. „Dazu liefern wir eigenen Röstkaffee, unsere Nuss- und Frucht-Snacks und auch Haferriegel in eigenen Automaten – das kann sonst keiner“, sagt Beranek. Kunden sind etwa Miele, Iveco oder Philips.

Angefangen hat Seeberger 1844 als kleiner Kolonialwarenladen. Die freie Handelsstadt Ulm war damals neben Hamburg Hauptstadt für Nüsse und Saaten. Die wurden aus den norditalienischen Häfen geliefert. 1882 kam eine eigene Kaffeegroßrösterei hinzu, sie gehört heute zu den ältesten in Deutschland.

Nach dem Zweiten Weltkrieg übergab Familie Seeberger, die keine geeigneten Nachkommen hatte, ihre Fünf-Mann-Firma an die heutige Inhaberfamilie Rohm/Keller. Ralph Beranek ist seit 1996 in der Geschäftsleitung, zunächst mit Inhaber Julius Rohm. Der Ulmer Beranek absolvierte bereits sein duales BWL-Studium bei Seeberger. Nach zwei Jahren im Vertriebscontrolling einer internationalen Spedition holte ihn die Firma für das Auslandsgeschäft zurück. „Es war ein steiniger Weg, unsere Marke auch im Ausland bekanntzumachen“, räumt er ein.

Heute beträgt der Auslandsumsatz rund ein Viertel der Gesamterlöse. 2003 übernahm Clemens Keller, 48, den Geschäftsführerposten von seinem Onkel Julius. Nach dem Studium hatte er einige Jahre in der Industrie gearbeitet.

Keller kümmert sich um den Standort Ulm, Produktion, Finanzen und Personal. Beranek betreut Vertrieb, Marketing und Einkauf. „Wir ergänzen uns auch vom Typ gut: Ich bin der eher Extrovertierte, Clemens Keller der Analytiker und Stratege“, sagt Beranek. Als 2014 wegen steigender Aufträge zwei Schichten eingeführt wurden, gab es Ärger mit dem Betriebsrat. „Das hat sich längst eingespielt, die Zusammenarbeit läuft konstruktiv und gut“, betont Keller.

Den Erfolg von Seeberger erklärt Beranek so: „Anders als Wettbewerber arbeiten wir mit festen Lieferanten – teilweise schon über Generationen. Wir kennen die komplette Lieferkette bis zurück zum Baum. Die Bauern holen für uns die besten und schönsten Nüsse und Früchte vom Feld.“ Nur zehn Prozent einer Ernte habe „Seeberger-Qualität“.

Die hat ihren Preis. „Die Kunden erwarten von uns das Besondere, mit den Preisen der Discounter können und wollen wir nicht mithalten“, erklärt Keller. Auf Handelsmarken verzichtet das Unternehmen bewusst. Unter den Markenprodukten liegt Seebergers Marktanteil bei rund 30 Prozent. Wettbewerber sind das Familienunternehmen Kluth aus Henstedt-Ulzburg oder Nussspezialist Ültje, der zur Knabbergebäck-Gruppe Intersnack gehört.

Seeberger versucht, sich mit Produktinnovationen von der Konkurrenz abzuheben. Etwa mit Softfrüchten wie Pflaumen oder Aprikosen. Die Ulmer haben 2009 ein Spezialverfahren entwickelt, damit diese saftig und zugleich haltbar bleiben. Bestseller bleibt Studentenfutter. Exotische Nussmischungen mit Cranberrys und Mangos sind immer gefragter.

„Unsere Kunden werden jünger“, so Keller. „Auch Studenten leisten sich heute hochwertige Naturprodukte.“ Vor drei Jahren übernahm das Traditionsunternehmen das Start-up Müsliglück aus dem Schwarzwald. Doch es dauerte, bis mit Porridge der Durchbruch kam. „Ein neues Produkt schlägt deutschlandweit selten ein wie eine Bombe, da müssen wir langen Atem mitbringen“, sagt Beranek. Branchenexperte Theopold honoriert das: „Seeberger ist extrem stark darin, neue Konzepte bis ins Regal zu bringen.“

Konkurrenz durch Konzerne

Neu im Sortiment von rund 100 Produkten sind natürliche Snacks für unterwegs wie Fruchtkugeln, Haferriegel und Nussmix im Riegelformat. „Gesundes Snacking ist weiterhin ein Wachstumssegment“, so Theopold. Das lasse sich nicht zuletzt daran ablesen, dass Nestlé und Mars gerade groß in diesen Markt einsteigen. Mars mit dem Nussriegel „Be Kind“ und Nestlé mit „Yes!“

Immer mehr Verbraucher achten neben ausgewogener Ernährung auch auf Nachhaltigkeit. Rund 100 Millionen orange Beutel Trockenfrüchte und Nüsse produziert Seeberger im Jahr. Die Verpackung soll diese möglichst lange frisch halten. „Das können biologisch abbaubare Folien aus Mais oder Zuckerrohr momentan noch nicht“, bedauert Beranek. Allerdings stellen die Ulmer in diesem Jahr die Verpackung auf recycelbare Folie aus Monomaterial um.

Die Seeberger-Chefs verkaufen nicht nur Naturprodukte, sie sind auch in der Freizeit naturverbunden. Viele Jahre unternahmen sie Rennradtouren und Triathlons. Mehrmals absolvierten sie im Zweierteam den einwöchigen Transalpine Run.

„Beim Extremlauf lernt man sich gegenseitig schätzen und vertrauen“, sagt Beranek, der inzwischen sportlich etwas kürzertritt. Clemens Keller läuft weiterhin und setzt dabei auf eine Geheimwaffe aus dem Hause Seeberger: „Kein Marathon ohne getrocknete Ananas.“