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Ist die EZB in eine Falle getappt? Ökonomen kritisieren frühe Zinswende, hoffen aber auf Schub für die deutsche Wirtschaft

Zinswende, und jetzt? Die Zinssenkung der EZB hilft der deutschen Wirtschaft, aber kam sie zu früh?  - Copyright: Picture Alliance
Zinswende, und jetzt? Die Zinssenkung der EZB hilft der deutschen Wirtschaft, aber kam sie zu früh? - Copyright: Picture Alliance

Die Europäische Zentralbank ist mit der Zinswende vorgeprescht. Als erste der großen Zentralbanken senkte die EZB am Donnerstag ihre Leitzinsen. Zum ersten Mal seit 14 Jahren agierte die EZB damit auch vor der US-Notenbank Fed, die sich mit Zinssenkungen noch zurückhält. Diese frühe Zinssenkung rief zum Teil heftige Kritik von Ökonomen hervor. Sie entzündet sich daran, dass die EZB sich bereits früh auf eine Zinssenkung im Juni festgelegt hatte. Zuletzt ist die Inflation aber wieder leicht gestiegen und der Preisdruck bleibe durch stark steigender Löhne und Gehälter hoch sei. Ist die EZB in eine selbst gestellte Falle getappt? Auf der anderen Seite hoffen Volkswirte durch niedrige Zinsen auf Rückenwind für die Konjunktur besonders in Deutschland.

Hier sind einige Reaktionen einflussreicher Volkswirte auf die EZB-Zinswende:

Moritz Schularick (IfW): Rückenwind für deutsche Wirtschaft

„Die Senkung des Leitzinses stellt die Weichen für die konjunkturelle Erholung der deutschen Wirtschaft. Anders als in der Vergangenheit ist zur Zeit vor allem die deutsche Wirtschaft auf niedrigere Zinsen angewiesen, während andere Euroländer mit dem bisherigen Zinsniveau besser zurechtgekommen sind. Von den verbesserten Finanzierungskonditionen werden Verbraucher, Unternehmen und insbesondere der Bausektor profitieren.“

Clemens Fuest (Ifo): Impuls begrenzt, weitere Zinsschritte fraglich

„Der Schritt ist sinnvoll, weil sich die Inflation in Europa mittlerweile in Richtung der angestrebten zwei Prozent zurückentwickelt. Diese Zinssenkung ist an den Märkten allerdings bereits eingepreist, der Impuls für die Konjunktur wird begrenzt sein. Dass weitere Zinssenkungen bald folgen können, ist angesichts deutlich steigender Löhne und verschobener Zinssenkungen in den USA eher fraglich.“

Friedrich Heinemann (ZEW): Vorsicht Falle

„Negativ überrascht hat zuletzt allerdings die Hartnäckigkeit der Inflation. Der EZB-Rat sollte sich jetzt mit vorschnellen Ankündigungen weiterer rascher Zinssenkungen zurückhalten. Sonst tappt er in eine kommunikative Falle, die er sich selbst stellt.“

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„Auch darf die EZB angesichts der zunehmenden Verschuldungsprobleme wichtiger Euro-Staaten und der jüngsten Herabstufung des Frankreich-Ratings nicht den Eindruck erwecken, dass ihr die Finanzierbarkeit der Staatsverschuldung wichtiger sei als die Preisstabilität. Aus heutiger Sicht sind daher ein bis zwei weitere Zinssenkungen das Maximum, was für dieses Jahr zu verantworten ist.“

Carsten Brzeski (ING): Wie Asterix' Zaubertrank

„Wäre die sehr lautstarke Kommunikation seit Februar nicht gewesen, hätten die jüngsten Makrodaten eine weitere Pause auf der heutigen Sitzung leicht rechtfertigen können. Der jüngste Anstieg des Lohnwachstums und der Inflation sowie eine gewisse positive Dynamik der Wirtschaft wären starke Argumente gegen eine Zinssenkung gewesen. Tatsächlich hat es den Anschein, dass die EZB die Zinsen nicht so sehr gesenkt hat, weil sie es musste, sondern weil sie es einfach konnte.

Was die Zinssenkung zeigt, ist ein Wandel innerhalb der EZB selbst: Die EZB hat wieder Vertrauen in ihre eigenen Prognosefähigkeiten gewonnen. Es ist wie bei Asterix und seinem Zaubertrank. In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass die neuesten EZB-Projektionen eine leichte Aufwärtskorrektur der Inflationsprognosen für 2025 auf 2,2 Prozent aufweisen.“

Moritz Demary (IW): Festgeld-Anlage prüfen

„Die Inflation könnte schnell wieder steigen. Vorsicht ist geboten. Offenbar gehen die Geldhüter von einer weiter sinkenden Inflationsrate aus. Doch liegen sie damit richtig? (...) Indikatoren, die man zur Prognose der Inflation nutzt, zeigen keine weitere Entspannung: Die Nachfrage der privaten Haushalte ist stabil. Der Fachkräftemangel dürfte die Preise künftig ebenfalls nach oben treiben. Solange diese Indikatoren hoch sind, können unerwartete Anstiege von Energie- und Nahrungsmitteln wieder schnell zu einer hohen Inflation führen.


Die Leitzinssenkung ist daher mit Vorsicht zu genießen, in jedem Fall sollte die EZB in kleinen Schritten vorgehen. Verbraucher sollten prüfen, ob sich nicht eine Geldanlage zum Festzins noch lohnen könnte: Während es Monate dauern kann, bis Kreditnehmer die besseren Konditionen bei ihrer Bank bekommen, werden die Institute die Zinskonditionen für Sparer schnell anpassen.“

Christian Reicherter (DZ Bank): Inflation nicht besiegt

„Angesichts der anhaltend hohen Inflation lässt die Zinssenkung der EZB Raum für Kritik. Wir rechnen in den kommenden Monaten nicht mit einem aggressiven Zinssenkungskurs, da die Teuerung noch nicht besiegt ist. Rückschläge müssen weiter einkalkuliert werden. Ein ausgeprägter Lohndruck könnte vor allem die Preise im Dienstleistungssektor nach oben treiben. Die EZB dürfte den weiteren Lockerungspfad deshalb mit Vorsicht beschreiten. Wir erwarten eine weitere Lockerung der Zinszügel im September und Dezember. Zum Jahresende dürfte der Einlagensatz dann bei 3,25 Prozent liegen.

Michael Heise (HQ Trust): Zinsschritt verfrüht

„Der Zinsschritt wirkt angesichts der aktuellen Daten zu Inflation und Konjunktur verfrüht. Allein mit den aktuellen Daten wäre die Zinssenkung schwer zu begründen. Die EZB demonstriert mit der Zinssenkung ein hohes Maß an Zuversicht, dass die Inflation in 2025 und danach wieder am Zwei-Prozent-Ziel liegen wird. Der Autopilot für Zinssenkungen bleibt ausgeschaltet. Allenfalls eine weitere Zinssenkung im September ist realistisch. Der Einlagensatz läge dann bei 3,5 % am Jahresende.“

Mark Wall (Deutsche Bank): Die Falken sind noch da

"Wie erwartet hat die EZB die Zinsen um 25 Basispunkte gesenkt. Aber die Erklärung gab weniger Hinweise darauf, was als Nächstes kommt, als erwartet. In diesem Sinne ist der unmittelbare Ton ein „hawkish cut“. Diese Zentralbank hat es nicht eilig, die Politik zu lockern.