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Ex-Vorstand der Geno soll Hunderte Genossenschafter betrogen haben

Die Wohnbaugenossenschaft wollte 10.000 Mitglieder mit Immobilien versorgen. Nach der Pleite beharrt der frühere Vorstand auf seiner Unschuld.

Jens Maier, Ex-Chef der Geno, soll neue Mitglieder dazu gebracht haben, insgesamt über zwei Millionen Euro einzuzahlen. Foto: dpa
Jens Maier, Ex-Chef der Geno, soll neue Mitglieder dazu gebracht haben, insgesamt über zwei Millionen Euro einzuzahlen. Foto: dpa

Das Coronavirus war ein Grund dafür, warum der Prozess gegen den früheren Vorstand der Ludwigsburger Geno Wohnbaugenossenschaft eG, Jens Meier, am Freitagmorgen unglücklich startete – jedenfalls aus Sicht der Verteidiger. So fand Strafrechtsprofessor Klaus Bernsmann aus Düsseldorf keinen Weg, um seinen Mandanten am ersten Verhandlungstag vor die 6. Große Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stuttgart zu begleiten.

Weder habe es Flüge gegeben noch habe er in Stuttgart ein offenes Hotel gefunden, sagte Bernsmann dem Handelsblatt. Um mit der Bahn aus Düsseldorf pünktlich zur Sitzung anzureisen, hätte er um 3 Uhr morgens in einen Zug steigen müssen. Bernsmann zählt sich wegen des Alters zur Risikogruppe. „In die Uni darf ich nicht hinein, aber ins Gericht soll ich kommen“, sagte der Jurist. Das passe nicht zusammen.

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Neben dem 52 Jahre alten Angeklagten nahm deshalb am Freitag ein Pflichtverteidiger Platz, als die Staatsanwaltschaft ihre Klageschrift verlas. Die Ankläger gehen davon aus, dass die Genossenschaft schon am 1. Januar 2015 insolvent gewesen sei und nicht wie angemeldet erst drei Jahre später.

Die Strafverfolger werfen Meier vorsätzliche Insolvenzverschleppung und gewerbsmäßigen Betrug in 172 Fällen vor. Er habe sich schuldig gemacht, weil die Geno – obwohl längst pleite – weiter neue Genossen aufgenommen habe. Die Mitglieder soll er über die wirtschaftliche Lage „gezielt getäuscht“ und Einlagen von fast 2,4 Millionen Euro veranlasst haben.

Die Geno sei als wirtschaftlich gesundes, wachsendes und prosperierendes Unternehmen präsentiert worden, sagte der Staatsanwalt. In Wahrheit sei eine Mitgliedschaft jedoch ab spätestens Januar 2015 mit dem Risiko eines Totalverlusts behaftet gewesen.

In der 182 Seiten starken Anklageschrift legen die Ermittler dem ehemaligen Vorstand auch Untreue und Bankrott-Taten zur Last. Nach ihrer Auffassung hat er sich durch Abschluss und Valutierung zweier unbesicherter Darlehen im Jahr 2016 strafbar gemacht. Er soll die überschuldete Vertriebsgesellschaft mit rund vier Millionen Euro aus der Kasse der Genossenschaft querfinanziert haben.

Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe

Nur wenige Monate vor der Insolvenz soll der Manager 19 Immobilien an ein Unternehmen eines Albaners verkauft haben. Der Preis habe deutlich unter Wert gelegen, wie der Staatsanwalt in seinem knapp einstündigen Vortrag ausführte. Eigentlich hätte die Geno mehr als drei Millionen Euro verlangen müssen, stattdessen habe sie die Häuser für knapp die Hälfte hergegeben. Beim Abnehmer soll es sich um eine eigens gegründete Strohfirma handeln.

Folgt das Gericht der Staatsanwaltschaft, droht dem Manager eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren. Er sitzt seit Ende November in Untersuchungshaft. Damals wurde er wegen Flucht- und Verdunklungsgefahr festgenommen.

Der ehemalige Vorstand machte am Freitag von seinem Recht zu schweigen Gebrauch. Während der Verlesung huschte gelegentlich ein Lächeln über das Gesicht des gelernten Maurers, der noch 2017 Bezüge von rund 300.000 Euro kassiert haben soll.

„Herr Meier bestreitet die Vorwürfe, er geht davon aus, dass er keine dieser Straftaten begangen hat“, sagte sein Verteidiger Bernsmann dem Handelsblatt weiter. Beide haben sich bislang nicht persönlich besprechen können. Auch daran trägt Corona Schuld. Reisen gestaltete sich zuletzt schwierig und Telefonieren offenbar auch.

Die JVA ermögliche ausschließlich Skype-Gespräche, sagte Bernsmann. Der nächste Termin zum Skypen ist am kommenden Mittwoch. Ein intensiver Austausch werde bald notwendig, betonte Bernsmann. „Juristisch wird das ein sehr anspruchsvolles Verfahren.“

Die Genossenschaft war einst mit dem Ziel angetreten, ihren Mitgliedern zu günstigem Wohnraum zu verhelfen. Die Geno sein keine Wohnungsbaugenossenschaft im klassischen Sinn, erklärte Meier in einem Interview 2017. „Wir schaffen für Mitglieder Eigentum nach den Wünschen der Menschen.“ Der Werbeslogan lautete: „Immer sicher wohnen“.

Das Geschäftsmodell dazu war der sogenannte Optionskauf. Genossen zahlten eine niedrige Einlage und sollten nach einiger Zeit in eine Wohnung oder ein Haus der Geno einziehen können. Ihre Mieten führten sie an die Genossenschaft ab. Nach 35 Jahren konnten sie das Objekt zum ursprünglich festgelegten Preis übernehmen. Der Vorteil lag auf der Hand: Die Mitglieder benötigten keine Bankkredite zur Finanzierung.

Zu wenige Wohnungen für 10.000 Genossen

So weit die Theorie. Die Praxis sah aber anders aus. Auch wenn im Laufe der Jahre rund 10.000 Genossen der Geno beitraten, sah nur ein winziger Teil von ihnen jemals eines der Häuser von innen. So verfügte die Geno laut Insolvenzverwaltung niemals über mehr als 120 Objekte in ganz Deutschland. Ab 2014 seien nur drei Immobilien zugeteilt worden, hieß es im Gerichtssaal.

Auch wirtschaftlich kam die Genossenschaft nie in Fahrt. Seit ihrer Gründung 2002 erzielte sie nur in einem einzigen Jahr Gewinn. Seit 2011 habe sich die Gesellschaft in der Krise befunden, sagte der Staatsanwalt. Jedes Jahr sei ein Verlust von einer Million Euro entstanden. 2015 und 2016 sogar von vier Millionen Euro. Der Gesamtschaden soll laut Schätzung des Insolvenzverwalters bis zu 40 Millionen Euro betragen.

Insolvenzverwalter der Geno ist Frank-Rüdiger Scheffler aus Dresden. Er sagte am Freitag: „Der Prozess in Stuttgart kann als Signal für die Genossenschafter gewertet werden, dass sie möglicherweise ein Recht auf Schadensersatz haben.“ Viele Genossen lässt der Skandal bis heute nicht los. „Ratenzahlungen der Einlagen sind rechtlich nicht möglich gewesen“, sagt Scheffler. Er müsse daher wohl oder übel Nachforderungen stellen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit 2015 gegen mehrere Vorstände. Geno-Mitglieder hatten Anzeige erstattet. Vorstand und Aufsichtsrat galten lange als tief zerstritten. Das Insolvenzverfahren wurde im August 2018 eröffnet.

Der Prozess wird in zwei Wochen fortgesetzt. Am 28. Mai will sich Meier zunächst zur Person äußern. Ihm und seinen Verteidigern bleibt nur eine kurze Frist, um sich auf die Verteidigungslinie zu einigen. Der Prozess könnte sich ohnehin über das ganze Jahr erstrecken. Die Ermittlungsakte hat mehr als 100 Bände. Das Landgericht hat 49 Termine bis in den Januar 2021 eingeplant.

Am Landgericht wird verhandelt, ob der Ex-Vorstand sich der Untreue schuldig gemacht hat. Er bestreitet die Vorwürfe. Foto: dpa
Am Landgericht wird verhandelt, ob der Ex-Vorstand sich der Untreue schuldig gemacht hat. Er bestreitet die Vorwürfe. Foto: dpa