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Ex-Aurubis-Chef erhebt schwere Vorwürfe gegen Salzgitter

Im Vorfeld der Hauptversammlung behauptet Werner Marnette, der Großaktionär sei am ganzen Unternehmen interessiert. Deshalb hat der Manager mehrere Gegenanträge eingebracht.

Wenn der scheidende Aurubis-Chef Jürgen Schachler am Donnerstag bei der Hauptversammlung ein letztes Mal vor seine Aktionäre tritt, hat er ein kleines Abschiedsgeschenk dabei: Obwohl der Konzerngewinn vor Steuern im vergangenen Jahr von 445 Millionen Euro um mehr als ein Viertel auf 322 Millionen Euro einbrach, schlägt der Vorstand vor, die Dividende zu erhöhen. So soll die Ausschüttung je Aktie von 1,45 Euro im Jahr 2018 auf nunmehr 1,55 Euro steigen – ein Plus von sieben Prozent.

Freuen dürfte das vor allem den größten Aktionär des Konzerns: den niedersächsischen Stahlkonzern Salzgitter, der 25 Prozent der Anteile an Aurubis hält und mit seiner Beteiligung in diesem Jahr rund 17,4 Millionen Euro Dividende einstreicht.
Doch glaubt man dem früheren Aurubis-Chef Werner Marnette, ist Salzgitter längst nicht nur an den Gewinnen des größten europäischen Kupferkonzerns interessiert – sondern gleich am ganzen Unternehmen. So hat Marnette, der wegen seiner früheren Tätigkeit weiterhin Aktien an Aurubis hält, im Vorfeld der Hauptversammlung mehrere Gegenanträge eingebracht, mit denen er die Rolle des Großaktionärs klären will.

Besonders irritiert ist der ehemalige Manager dabei über die zahlreichen Chefwechsel, die die Aurubis in den vergangenen Jahren auf Trab hielten. „Fünf Wechsel im Vorstandsvorsitz seit 2011 lassen Zweifel an der ordnungs- und pflichtgemäßen Tätigkeit des Aufsichtsrats entstehen“, heißt es in Marnettes Einreichung.

Im Gespräch mit dem Handelsblatt erneuert der ehemalige Chef seine Vorwürfe gegen den Großaktionär, der mit dem Salzgitter-Vorstandsvorsitzenden Heinz Jörg Fuhrmann derzeit einen Vertreter im Kontrollgremium des Kupferkonzerns stellt. So habe Salzgitter dafür gesorgt, dass wichtige Investitionen nicht vorgenommen worden seien.

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„Vor allem im stark wachsenden Recycling-Geschäft hat der Konzern inzwischen einen großen Innovationsbedarf“, klagt der frühere Manager, der den Konzern von 1994 bis 2007 selbst leitete.
Marnettes Verdacht: Salzgitter bereite eine Übernahme der deutlich profitableren Aurubis vor, um die eigene Ertragslage zu verbessern.

„Für die Aurubis wäre eine solche Übernahme aber weder strategisch noch wirtschaftlich sinnvoll. Es gibt praktisch keine Synergien zwischen dem Kupfer- und dem Stahlgeschäft. Eine Übernahme durch die Salzgitter würde die eigenständige Entwicklung der Aurubis stark behindern“, so die Einschätzung des Aktionärs.

Frühere Avancen

Auf Anfrage wollte sich der Konzern zu Marnettes Vorwürfen nicht äußern. Als Antwort aus Niedersachsen erhielt der Kleinaktionär allerdings Ende 2018 den deutlichen Hinweis: „Bis heute hat der Vorstand der Salzgitter AG keine Beschlüsse gefasst oder vorbereitet, die eine Übernahme der Aurubis zum Ziel oder Gegenstand haben.“

Doch schon 2015 hatte Fuhrmann in einem Interview verlauten lassen, dass er eine Fusion grundsätzlich für denkbar halte. „Ich kann mir gut vorstellen, dass eines Tages aus Aurubis und Salzgitter ein Konzern wird“, sagte der Manager damals. Auch zum Vorwurf verhinderter Investitionen sagt Salzgitter nichts.

Doch Marnette bleibt unbeirrt. Er will seine Fragen am Donnerstag bei der Hauptversammlung öffentlich klären lassen – und gegebenenfalls fordern, den Verantwortlichen die Entlastung für das vergangene Geschäftsjahr zu verweigern. Laut eigener Angabe vertritt der Kleinaktionär zusammen mit übertragenen Stimmrechten allerdings bloß rund 40.000 Aktien. Das entspricht weniger als ein Prozent am Gesamtvolumen von rund 44 Millionen Stückaktien.

Hoher Ergebnisbeitrag

Für die Übernahme-Theorie des 73-Jährigen spricht, dass Salzgitter erst Ende 2018 seinen Anteil an dem Kupferkonzern von 16 Prozent auf 25 Prozent anhob und damit seither wieder eine sogenannte Sperrminorität hält, die Salzgitter ein umfangreiches Vetorecht bei wichtigen Geschäftsentscheidungen einräumt.

Zuvor hatte der Stahlkonzern schon einmal einen ähnlich hohen Anteil an Aurubis gehalten, der durch die Rückzahlung einer Umtauschanleihe im Oktober 2017 auf 16 Prozent gesunken war. An den vorläufigen Geschäftszahlen für 2018, die Salzgitter am Mittwoch vorlegte, lässt sich zudem die Bedeutung der Aurubis für die Ertragslage der Niedersachsen ablesen: Von den rund 347 Millionen Euro, die der Stahlhersteller 2018 als Vorsteuergewinn erzielte, stammen rund zwölf Prozent von Aurubis. Ein Jahr zuvor trug der Kupferkonzern sogar mehr als ein Drittel zum Vorsteuergewinn der Salzgitter bei.

Angesichts dieser Zahlen scheint es kaum verwunderlich, dass der Konzern offenbar auch eine Erhöhung seiner Anteile in Erwägung zieht – das zumindest berichtete die „Welt“ vor einigen Tagen unter Berufung auf Unternehmenskreise.

Entgegenkommen dürfte Vorstandschef Fuhrmann dabei, dass sich der Aktienkurs der Aurubis seit einem Jahr im Sinkflug befindet: Kostete das Papier im Januar 2018 noch zeitweise mehr als 85 Euro, sind es heute noch knapp 50.

Doch mit einer Marktkapitalisierung von rund 2,2 Milliarden Euro wäre Aurubis immer noch zu teuer für die Salzgitter, die am Mittwoch für Ende 2018 flüssige Mittel in Höhe von netto 192 Millionen Euro vermeldete. Allerdings ist der Stahlhersteller mit einer Eigenkapitalquote von 38,1 Prozent derzeit solide ausgestattet.

Und so könnten die Niedersachsen einen schuldenfinanzierten Kauf mithilfe der gesamten Aurubis-Erträge (2018: 290 Millionen Euro nach Steuern), von denen der Konzern derzeit nur seinen 25-prozentigen Dividendenanteil erhält, wohl innerhalb weniger Jahre wieder abzahlen.

Zumindest Aurubis-Vorstandschef Jürgen Schachler, dessen Vertrag bald ausläuft, muss sich um solche Rechenspiele wohl keine Gedanken mehr machen: Am 30. Juni wird er den Vorstandsvorsitz an seinen Nachfolger Roland Harings abgeben, der vom sachsen-anhaltinischen Kupferverarbeiter MKM nach Hamburg wechseln wird.

Mehr: Wie Thyssen-Krupp seine Mitarbeiter auf die Aufspaltung einstimmt, lesen Sie hier.