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Europa ist unsere Zukunft und unsere Verantwortung

Dem Kontinent droht eine Denkzettelwahl. Das ist schlimm, aber keine Katastrophe, wenn die Politik die richtigen Schlüsse daraus zieht – und sich den Zukunftsthemen widmet.

Angela Merkel hat kürzlich in einem Interview einen bemerkenswert ehrlichen Satz gesagt: „Viele Leute machen sich Sorgen um Europa, ich auch.“ Die Bundeskanzlerin begründete ihre Sorgen mit den wachsenden geopolitischen Herausforderungen, auf die Europa keine Antwort findet.

Der Kontinent droht im globalen Wettlauf zwischen den USA und China um technologische und politische Führerschaft abgehängt zu werden. Und dann sind da noch das ewige Brexit-Chaos und die österreichische Video-Affäre, wo sich politische Abgründe auftun.

Die Diagnose der Kanzlerin ist treffend. Bei der Europawahl steht viel auf dem Spiel. Im Kern geht es um die Frage, ob die nächste Europäische Kommission die Phase von Selbstzufriedenheit und Reformverweigerung überwindet und sich gezielt den Zukunftsthemen widmet. Europa fehlt ein ambitioniertes Programm, das den Bürgern das gute Gefühl gibt, in einer globalisierten und zunehmend digitalisierten Welt mithalten zu können.

Eine glaubwürdige Vision, keine Träumerei, das ist der einzige Weg, den Aufstieg der Populisten in Europa zu beenden.

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Selbstkritisch müssen die Staats- und Regierungschefs einsehen, dass es ihnen nicht gelungen ist, die Menschen für Europa und die Ideale einer freien und offenen Gesellschaft zu begeistern. Das Versagen in der Klimapolitik, das Brexit-Votum und die Überforderung in der Flüchtlingskrise sind nur einige dieser Momente, die die Menschen weiter vom Projekt Europa entfernt haben.

Die Europawahl droht zum traurigen Höhepunkt dieser Enttäuschung zu werden. Die Warnungen, dass es eine Denkzettelwahl wird, sind berechtigt. Jüngste Umfragen zeigen hohe Verluste bei den etablierten Parteien – und Gewinne bei den Populisten. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird erstmals ein Zweierbündnis aus Konservativen und Sozialdemokraten keine Mehrheit im Europäischen Parlament haben.

Ein politisches Beben ist alles andere als wünschenswert, muss aber keine Katastrophe sein. Im besten Fall verstehen die politisch Verantwortlichen den Aufstand der Bürger als Weckruf, die Verzagtheit der Vergangenheit zu beenden. Es reicht nicht, wenn die EU-Staaten nur auf neue globale Herausforderungen reagieren, aber keine eigene Idee entwickeln, wie Europa zu neuer Stärke gelangen soll.

Mit einer Stimme sprechen

Ein Reformer wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron allein reicht nicht, um Europa voranzubringen. Eine breite Mehrheit der Staats- und Regierungschefs muss mehr politische Verantwortung für Europa übernehmen. Europa gelingt nur zusammen.

Um auf der Weltbühne nicht nur wahr-, sondern auch ernst genommen zu werden, braucht Europa mehrere Reformen: erstens eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Sie ist die Voraussetzung, um geopolitische Interessen zu formulieren und durchzusetzen. In einer Welt, in der andere Länder ohne Rücksicht auf Regeln für ihre Interessen kämpfen, muss Europa in der Außen- und Sicherheitspolitik mit einer Stimme sprechen.

Der transatlantische Handelskonflikt, der Streit über die Iransanktionen oder die jüngsten Auseinandersetzungen mit Russland oder China haben gezeigt, wie einfach es für die Regierungen in Washington, Peking oder Moskau ist, Europa zu spalten. Dass sich ein europäisches Kernland wie Italien einseitig an Chinas Investitionsprojekt „Neue Seidenstraße“ beteiligt, schwächt Europa.

Außerdem ist es unabdingbar, dass Europa sich geschlossen gegen die US-Strafzölle stemmt.

  • Der erste Schritt zu einer geopolitischen Selbstbehauptung Europas könnte die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips in der Sicherheits- und Außenpolitik sein.

  • Zweitens sollte die nächste EU-Kommission klare Ziele definieren, wo der Kontinent Weltspitze bleiben und werden will. Etwa in der Künstlichen Intelligenz, der Robotik, beim autonomen Fahren, bei erneuerbaren Energien oder in der Pharmaforschung. Europa sollte sich nicht damit abfinden, dass die wertvollsten Unternehmen der Welt in den USA und China zu Hause sind, sondern den Anspruch haben, selbst vorn mitzuspielen. Dazu braucht es keine aktive Industriepolitik, aber eine Standortpolitik, die vor allem Forschung und Bildung fördert.

  • Drittens: Notwendig ist ein breiter Investitionsschub. Das Geld sollte vornehmlich in die digitale Infrastruktur und Künstliche Intelligenz fließen.

  • Viertens muss der europäische Binnenmarkt vollendet werden. Zwar ist er eine der größten Erfolgsgeschichten, aber in vielen Industrien dominieren immer noch nationale Regeln. Der Grund für die mangelnde Konsolidierung im Bankensektor zum Beispiel ist der Flickenteppich in der Regulierung.

  • Fünftens müssen die Rahmenbedingungen für Gründer verbessert werden. Im internationalen Vergleich ist die Gründungsquote in Europa viel zu gering, in Deutschland ist die Zahl der Unternehmensgründungen sogar rückläufig. Das ist ein Alarmsignal, doch die Politik reagiert nicht. Vor allem fehlt es an Wagniskapital in der Wachstumsphase junger Unternehmen.

Die Folgen sind gravierend: Um expandieren zu können, suchen sich erfolgreiche Gründer immer häufiger Geldgeber in den USA und Asien oder gehen im Ausland an die Börse. Den Rückstand zu den großen Tech-Firmen wie Amazon, Google oder Apple wird Europa möglicherweise nicht mehr aufholen, es sollte aber die Voraussetzungen schaffen, dass junge Unternehmen mit innovativen Geschäftsmodellen in und aus Europa wachsen können. Die Erfolgsgeschichten von Wirecard, N26 oder Auto1 sollten keine Ausnahmen, sondern die Normalität werden.

Europa ist unsere Zukunft und unsere Verantwortung. Wenn künftige Generationen stolz auf ihre europäische Heimat sein sollen, müssen jetzt die notwendigen Reformen angepackt werden. Noch ist es nicht zu spät. Nur eins sollte den politisch Verantwortlichen in Europa bewusst sein: Der Rest der Welt wartet nicht auf uns.

Mehr: Die EU und ihre Baustellen: Lesen Sie hier über vier Denkanstöße für die Zukunft Europas.