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Europa entdeckt neues Selbstbewusstsein gegenüber China

Erst vor ein paar Minuten haben die drei Europäer Emmanuel Macron, Angela Merkel und Jean-Claude Juncker artig Chinas Xi Jinping auf dem Kies vor dem Elysée-Palast begrüßt, da bricht ein Sturm los. Chinesische TV-Teams rempeln voran, vorbei an der Limousine Marke „Rote Fahne“, als gelte es, den Präsidentenpalast zu stürmen.

„Zurück, alle sofort zurück!“ Wie ein Racheengel faucht eine Elysée-Mitarbeiterin von einer Treppe herab die robusten Chinesen an, stößt einen kräftig vor die Brust. „So benehmt ihr euch nicht im Hof des Elysée!“

Noch seien die Chinesen nicht die Herren in Paris, sagt die zornige Dame einen Moment später. Am dritten Tag des Xi-Besuchs liegen die Nerven bei manchen Franzosen blank. Zu anmaßend und rücksichtslos ist ihnen das Auftreten einiger Vertreter der Weltmacht.

Mit großem Selbstbewusstsein voran geht Xi selbst, in den französischen Medien „roter Kaiser“ genannt. „Wir haben in 40 Jahren geschafft, wofür Europa 300 Jahre brauchte“, sagt er im frisch renovierten Festsaal des Palastes.

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Der Subtext ist klar: „Eure Zeit ist abgelaufen.“ Da hatte er gerade etwas über eine Stunde mit dem französischen Präsidenten, der Kanzlerin und dem Präsidenten der EU-Kommission im „Salon des Ambassadeurs“ zusammen ausgelotet, was Multilateralismus bedeutet.

Noch kein Präsident vor Macron ist so über seinen Schatten gesprungen, hat einen bilateralen Staatsbesuch europäisch geöffnet. Macron hatte Mitte vergangener Woche das Format improvisiert. Der Vorteil: Chinas starker Mann kann sich die Regierungschefs nicht einzeln vornehmen, wie er es in Italien vorgeführt hat, wird ins Sandwich genommen.

Erst holte Macron seine Partner Merkel und Juncker an Bord, danach wurde der chinesische Präsident informiert, war am Dienstag zu erfahren. Dem blieb wenig anderes übrig als zuzustimmen. Vielleicht ist es Xis etwas zu arroganter Ton, der Europas Umdenken beschleunigt.

Lange hat man zugesehen, wie China erst wirtschaftlich stärker wurde, dann politisch und nun sogar den Spaltpilz in die EU trägt, indem es einzelne kleinere Länder wirtschaftlich an sich bindet, systematisch Hochtechnologie-Unternehmen kauft und die EU-Zentrale ignoriert. „Wir waren naiv“, hat Macron mehrfach festgestellt.

Das Imperfekt ist wichtig: Einig wie selten zuvor setzen sich Franzosen und Deutsche für eine neue Hackordnung im Verhältnis EU-China ein. „Wir wollen eine andere Partnerschaft, um Dominanz zu verhindern“, sagt ein französischer Minister. In Regierungskreisen fügt man hinzu: „Die Botschaft des heutigen Tages ist: Künftig müssen die Beziehungen Chinas mit Europa über die EU laufen.“

China achte die EU-Institutionen nicht, rede lieber mal mit der einen, mal mit der anderen Regierung, vor allem in Mitteleuropa, Griechenland und Portugal. Das wollen Paris und Berlin nicht länger tolerieren.

In aller Öffentlichkeit hat die Kanzlerin dem chinesischen Herrscher einen weiteren Zahn gezogen: Der Versuch, Europa gegen die USA auszuspielen, indem er sich als Verteidiger des Multilateralismus gegen angeblichen amerikanischen „Unilateralismus“ gibt, werde misslingen: „Multilateralismus wird es nur mit den USA geben“, sagte Merkel, neben Macron sitzend, am Dienstag.

Die beiden wissen, dass es schwierig wird, das Rad der Beziehungen wieder auszuwuchten. Mit dem Kauf von Infrastruktur, Firmenübernahmen und selbstherrlich organisierten Konferenzen mit einigen EU-Staaten hat China Fakten geschaffen. Aber genau deshalb ziehen Deutsche und Franzosen nun die Bremse an. Beispiel Mobilfunk: Paris wehrt sich dagegen, dass China mit seinem Unternehmen Huawei eine strategische Überlegenheit erringt.

„Man muss verstehen, dass 5G nicht die Fortsetzung von 4G ist, sondern ein völlig neues System“, das andere Systeme wie Hunderttausende autonom fahrende Autos oder zentrale Regierungsfunktionen steuere, begründet ein französisches Regierungsmitglied und stellt eine rhetorische Frage: „Wollen wir das in die Hände einer fremden Macht legen?“

Beispiel Investitionen: Seit zehn Jahren verhandelt die EU mit China über ein Abkommen, das die Bedingungen für Investitionen regelt. In der Zwischenzeit hat China ein brillantes Portfolio an europäischen Unternehmen gekauft, während es seinen eigenen Markt geschlossen hielt oder Europäer nur als Minderheitspartner ins Land ließ. „Wir wollen Gleichgewicht“, sagte Macron, und Merkel legte nach: „Es muss Reziprozität geben“, das heißt: Der europäische Markt wird nur noch so offen sein, wie es der chinesische ist.

Beispiel Wettbewerb: Geht es nach Paris und Berlin, werden die Europäer Chinas Tricksereien nicht mehr hinnehmen. Die Regierung in Peking verschaffe den eigenen Unternehmen, egal ob staatlich oder privat, die finanzielle Feuerkraft, um in Europa auf Einkaufstour zu gehen. Das europäische und WTO-Recht seien nicht darauf eingestellt.

„Hier geht ein Staat systematisch nach anderen Regeln vor, als die westlichen Marktwirtschaften es sich jemals vorgestellt haben“, sagen Regierungskreise. Es gehe nicht mehr nur um einzelne Anti-Dumping-Zölle, sondern um die Anpassung des EU-Wettbewerbsrechts an ein System, das auf die Aushöhlung Europas abziele.

Beispiel Seidenstraße: Die von Xi Jinping vorangetriebene „Belt and Road“-Initiative lehnen Paris und Berlin nicht ab. Doch auch hier soll das Funktionieren unter einem neuen Leitwort stehen, nämlich dem des ausgewogenen Vorteils. Projekte, die einzelne Länder in finanzielle Abhängigkeit stürzen, lehne man ab, sagte Macron.

In jedem Einzelfall müssten der Schutz des Klimas, der Gesundheit und der Entfaltung des Einzelnen in den teilnehmenden Staaten gesichert sein. „Wir werden uns gerne einbringen“, versprach Merkel.

Auch Macron sagte Xi Jinping in ungewohnt offenen Worten, dass er eine neue Architektur der Beziehungen will. „Es gibt zwischen uns Partnerschaft und Rivalität, wir wollen eine Agenda des strategischen Vertrauens“, erläuterte er dem neben ihm sitzenden Präsidenten.

Auf elegante Weise machte er Xi klar, dass für dessen Volkswirtschaft einiges auf dem Spiel steht: „Die Öffnung des europäischen Marktes hat den chinesischen Fortschritt begleitet.“ Das habe aber „zu großen Ungleichgewichten in Europa beigetragen, zu starken Spannungen, die den Ruf nach legitimem Schutz auslösen“, warnte er.

Die Antwort darauf solle nicht sein, dass Europa sich abschließe, fügte er versöhnlich hinzu, sondern mehr Gleichgewicht in den Beziehungen. Die Botschaft aber ist klar: „Wir können auch anders.“ Kommissionspräsident Juncker war der Dritte, der Xi Jinping klarzumachen versuchte: „Ab heute spielen wir nicht mehr nach deinen Regeln.“

Blumig fing er an: „Ich bin in China verliebt, China und Europa können zusammen große Dinge vollbringen.“ Und wurde schnell sachlich: „Ich bin als Kommissionspräsident heute dabei, weil wir allein zuständig sind für die europäischen Außenhandelsbeziehungen, und ganz in diesem Sinne organisiere ich den EU-China-Gipfel.“

Er lege Wert darauf, dass die Verpflichtungen, die China eingegangen sei, eingehalten werden: „Ich will eine bessere Reziprozität, die EU-Unternehmen müssen den gleichen Marktzugang in China haben, wie die chinesischen ihn bei uns genießen, wo er völlig offen ist.“ Es sei notwendig, schnellstmöglich die Beziehungen ins Gleichgewicht zu bringen.

Und Xi? Das neue europäische Selbstbewusstsein wollte er nicht zur Kenntnis nehmen. Der Präsident sprach viel über eine bessere weltweite Governance. Die europäischen Bedenken und Forderungen behandelte er wie eine milde Form von Verfolgungswahn: Die Europäer sollten ihrem Partner nicht misstrauen. Sie sollten auch nicht ständig argwöhnisch hinter sich schauen.

„Gemeinsam sollten wir die Logik des Nullsummenspiels aus dem Kalten Krieg und das Gesetz des Dschungels ablehnen.“ Das Investitionsabkommen erwähnte er mit keinem Wort. Bereitschaft zu Änderungen an der Seidenstraßen-Initiative ließ er nicht erkennen, lud lediglich Frankreich dazu ein teilzunehmen.

Xi schloss mit einem Bild, das den Europäern wenig schmeichelte: „Vom Eiffelturm hat man den besten Blick über Paris, auch wir müssen an Höhe gewinnen, um unsere Beziehungen voranzubringen.“ Erdlinge, nehmt die Nase aus der Furche! Besser konnte er die drei Musketiere kaum motivieren, ihre Initiative für mehr europäische Souveränität fortzusetzen. Sie steckt noch in den Anfängen. Aber etwas ist in Gang gekommen in Paris.