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Die etwas andere Cloud im Silicon Valley

Cannabis-Legalisierung - Die etwas andere Cloud im Silicon Valley

Meine Nachbarn sind alle krank. Denn anders ist der unverkennbare süßlich-schwere Geruch nicht zu erklären, der an den Wochenenden durch mein Apartmenthaus im Zentrum von San Francisco wabert. Der Geruch von Hasch-Wolken, der etwas anderen Cloud im High-Tech-Valley. Cannabis darf man in Kalifornien heute nur aus medizinischen Gründen legal rauchen. Dazu braucht man eine Ausnahmegenehmigung vom Arzt.

Wie man die bekommt, weiß mein Kumpel, der am Abend tiefenentspannt vor unserer Stammkneipe einen langen Anti-Schmerz-Zug aus seinem Joint genießt. Er verrät mir auch, welche Schmerzen man beim Arzttermin besser haben sollte, damit man für die vielen Dollar der Visite auch ein Ergebnis bekommt. Solche Tipps werde ich aber vielleicht bald nicht mehr brauchen.

Der Stargast des „New West Summit“ in Kalifornien war guter Laune. Eigentlich könne er jetzt einen Zug oder zwei vertragen, scherzte der braungebrannter Milliardär und Serienunternehmer Richard Branson. „Die Zukunft von Cannabis ist jetzt“, beschwor der Gründer und Chef der Virgin-Unternehmensgruppe.

Die rund 1000 Cannabis-Aktivisten und Unternehmer im großen Saal im Hyatt Regency Mitte Oktober hören die Botschaft gerne, live übertragen von Bransons Karibikinsel Necker Island. Solche Gallionsfiguren wie Branson, der seit Jahren unermüdlich für die Legalisierung der Droge kämpft, braucht die Branche. Die Stimmung ist euphorisch an diesen zwei Tagen des „New West Summit“. Am 8. November wird nicht nur ein Präsident in den gewählt, sondern neun Bundesstaaten, darunter das reiche Kalifornien, stimmen auch über die vollständige Legalisierung von Cannabis ab. Vier Bundesstaaten, Alaska, Colorado, Oregon und Washington, erlauben die Droge bereits als Genussmittel. Die Legalisierung in Kalifornien, dem bevölkerungsreichsten Staat der USA, wäre der Durchbruch.

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An den über 30 Infoständen im Hotel herrscht an beiden Tagen reges Gedränge. Da gibt es die Cannabis-Heimplantage aus der Box, Mini-Labore für den Schnelltest der Aussaat, die Kunstlicht-Innen-Plantage für den Kellereinsatz oder Luxus-Mundstücke aus Edelholz für die „Tüte“, so wie früher Zigarettenspitzen. „Da hat dann jeder seine eigene, wenn man den Joint kreisen lässt, erklärt der freundliche Mitarbeiter am Stand, „das kann sonst schon mal etwas unangenehm werden, wenn jeder da an der Papiertüte gesabbelt hat“, schmunzelt er mit einem Augenzwinkern.

Die „Oaksterdam University“, das nach eigenen Angaben „erste Cannabis College“ der USA, bietet im benachbarten Oakland Kurse für Studenten an, von der Aufzucht der Pflanzen bis zu Vertrieb und Marketing und was man machen muss, wenn doch mal die Polizei klingeln sollte. „Wir kennen die Gesetze nicht nur, wir schreiben sie“, so die kecke Eigenwerbung. Jeder will hier vorbereitet sein, wenn man 2017 hoffentlich aus der Schmuddelecke herausdarf.


Mit High-Tech „high“ werden

Mark Williams ist kaum vom Stand von Firefly loszueisen. Das Interview hätte längst beginnen sollen, doch immer kommt ein neuer Teilnehmer vorbei, grüßt, verwickelt ihn in ein Gespräch, muss unbedingt einen Termin ausmachen oder seine Visitenkarte abgeben. Der frühere Apple-Designer ist bekannt in der Szene und zufällig in die junge Industrie eingestiegen. „2011 war einfach die Zeit, mein eigenes Ding zu machen“, erläutert er den Grund, warum er den gutbezahlten Job bei in Cupertino aufgegeben hat. Er entwickelte „Firefly“, einen tragbaren Verdunster für Kräuter und eben auch Cannabis, sozusagen das iPhone der Hasch-Industrie. Mit 350 Dollar gehört das Modell „Firefly2“ zu den teuersten Angeboten. Das Präparat kommt in eine winzige runde Pfanne im länglich-rechteckigen Gerät, hermetisch abgeschlossen durch einen magnetischen Deckel. Ein Heizelement im Boden bringt die feingemahlenen Kräuter in drei Sekunden auf Betriebstemperatur. Es folgt ein ruhiger, kontinuierlicher Zug am Mundstück von zehn Sekunden. Das reicht für den „Kick“. Zahlen zu Umsatz und Ertrag will Williams nicht nennen, aber eines gibt er preis: „Seit 2011 haben wir über 100.000 Geräte verkauft und 2016 wird unser bestes Jahr bislang.“

Williams ist der Prototyp des neuen Hasch-Unternehmers. Er hat Geld, Know-How und klar definierte Ziele. „Wir müssen das Image vom zugedröhnten Kiffer loswerden, der weggetreten in der Ecke hängt“, sagt er unverhohlen. So was ist für ihn klarer Missbrauch, so wie der restlos Betrunkene, der hilflos vor der Kneipe liegt, Alkohol missbraucht. Der Cannabis-Konsument von morgen nimmt einen oder zwei Züge pro Tag, prophezeit er, so wie ein gutes Glas Rotwein zum Mittagessen und am Abend.

Vorbild ist für ihn die „Harvest Dispencery“ in San Franciscos Richmond District. Hier wird nicht nur Cannabis für medizinische Zwecke auf Rezept abgegeben, heute schon legal in Kalifornien, sondern eine eigene Lounge nur für Mitglieder bietet ein Ambiente wie in einem englischen Club. Hier wird ein „Zug“ in luxuriöser Umgebung genossen. „Wir werden es mit der Alkoholindustrie aufnehmen“, so Williams. Cannabis als Totengräber der Kneipe?” Schon heute schießen die „Hookah“-Lounges aus dem Boden. Das sind Bars mit Wasserpfeifen („Hookah“), in denen spezieller Tabak verdampft und inhaliert wird. Doch Spezialisten wie die Mediziner der berühmten Mayoklinik warnen ausdrücklich davor zu glauben, Hookah sei ungefährlicher als Zigaretten. Im Gegenteil: Der Dampf filtere keinerlei Giftstoffe aus. Am Ende eine Hookah-Sitzung mit bis zu 60 Minuten sammele sich sogar mehr Nikotin im Körper an als beim gelegentlichen Rauchen.

Da stimmt der Ex-Apple-Mann nur zu: „Wir bieten keinen Tabak für Firefly an und werden das auch nicht machen“, stellt er klar. Er werde nicht das Geschäft von „big tobacco“ erledigen, sagt er. Er habe „sehr großzügige Angebote“ von Tabakkonzernen gehabt, sich an seinem Start up zu beteiligen. Er habe sie alle abgelehnt. Die Zukunft liege in der Vaporisierung von Kräutern und Gräsern. „Warum nicht Tee? Oder Kaffeine? Ein Zug eines natürlichen Schlafmittels statt der üblichen Pille?“ Firefly soll 2017 auch flüssige Substanzen verdunsten können. „Da stehen wir noch ganz am Anfang“, schwärmt er.

Das glaubt auch Eric Eslao von Défoncé Chocolatier, ebenfalls früher bei Apple tätig. Der Schokoladenbetrieb in Oakland, nahe San Francisco, hat sich auf Luxusschokolade mit dem gewissen Kick spezialisiert. Es ist der berauschende Bestandteil des Cannabis eingerührt. Noch braucht man die „medical card“, um die Medizinschokolade zu kaufen. Viele Patienten, die den Wirkstoff zum Beispiel zur Schmerzlinderung nehmen, bevorzugen in der Öffentlichkeit ein unverfängliches Stückchen Schokolade, um ihre Dosis zu sich zu nehmen. Jeder Riegel hat genau 18 pyramidenförmige Stückchen mit jeweils genau zehn Milligramm THC. Das ist sozusagen Toblerone auf Ecstasy. Dosierung ist hier das A-und-O. Statt bunter Werbebildchen gibt es Warnhinweise und Dosierungsanleitungen.


Kriminelle und Dealer sollen es künftig schwerer haben

Noch liegen die kostspieligen Riegel in den Regalen der Hasch-Apotheken. Aber nächstes Jahr könnten sie auch in Luxus-Lebensmittel-Ketten wie Whole Foods für Erwachsene gegen Vorlage des Ausweises erhältlich sein. So wie Alkohol.
Vor allem Jugendschützer können sich mit dieser Vorstellung wenig anfreunden. Immer wieder ist es in den vergangenen Jahren zu teils gefährlichen Zwischenfällen gekommen, wenn zum Beispiel Kleinkinder versehentlich ein paar Hasch-Cookies vom Tisch gegessen und in Krankenhäusern gelandet sind.
Doch Befürworter wie Branson, der Eltern empfiehlt, den ersten Joint mit den Kindern zu rauchen, statt sie alleine damit anfangen zu lassen, ficht das wenig an. Und auch Williams sieht eher die positiven Aspekte wie die Dekriminalisierung des Handels und weniger Haftstrafen. Auch nach der Prohibition, dem Alkoholverbot in den , war es der Verkauf unter staatlicher Lizenz, die Alkohol aus den Händen der Mafia zurück in die Ladengeschäfte brachte.

Und während in den Augen der einen schon die Dollarzeichen leuchten, wächst die Frustration bei den anderen. In Oakland trafen sich vergangene Woche farbige Bürgerrechtsaktivisten und Nachbarschaftsorganisationen, um ein brisantes Thema zu diskutieren. Wie schaffen es diejenigen, die unter Gefahr für Leib und Leben jahrelang illegal Cannabis angebaut und verkauft haben, um ihre Familien durchzubringen den Einstieg in die legale Zukunft? Denn es wird richtig groß werden, glaubt San Franciscos früherer Bürgermeister Willie Brown. Das werde „die zweite Tech-Industrie“ in Nord-Kalifornien, glaubt er und „es wird keine Industrie der Weißen werden, weil hier ein paar Leute sind, die das verhindern werden.“ So sollen Menschen, die wegen Handel mit Cannabis schon einmal verhaftet wurden, trotzdem Lizenzen erhalten können. Auch Menschen, die in sechs bestimmten Stadtteilen von Ost-Oakland mit hohem Anteil schwarzer Bevölkerung seit mindestens zwei Jahren leben, sollen bevorzugt Lizenzen erhalten.

Trotzdem wird es hart werden. Viele haben kein Kapital, um gegen die Silicon Valley-Investoren zu bestehen, die schon vorsichtig Oakland infiltrieren, leere Lagerhäuser mieten, kleine Ladenlokale, um Produktion und Vertrieb vorzubereiten. Die Verbitterung ist groß. Gerade jetzt, wo es richtig losgehen wird. Aber die einen haben Geld, und die anderen bekommen nicht mal Kredit. Und so ganz uneigennützig ist das alles auch nicht. Die chronisch unterfinanzierte Stadt Oakland will in Zukunft 25 Prozent aller Gewinne aus den Lizenzen als Steuer.

Für mich jedenfalls werden die berauschten Wochenenden wahrscheinlich noch einfacher. Ich nehme statt des Aufzugs dann einfach die Treppe rauf in den fünften Stock und atme dabei tief durch. Da kommt man schon beflügelt oben an.