Erstmals durchfährt ein Frachtschiff die Arktis im Januar
Der Klimawandel macht es möglich: Weil die Eisdecke sehr dünn ist auf der Nordostpassage entlang der sibirischen Küste, kann erstmals ein Frachtschiff im Januar von China nach Russland fahren.
Erstmals hat ein Frachtschiff die Nordostpassage (NSR) im Januar befahren. Eigentlich ist der Seeweg, der entlang der sibirischen Küste Europa mit Asien verbindet, von November bis Juli zugefroren und deshalb nicht passierbar. In dieser Zeit fahren Frachtschiffe dann Richtung Süden und durch den Sueskanal – diese Route ist aber mindestens zehn Tage länger.
Seit Jahren intensivieren deshalb vor allem Russland und China ihre Schifffahrten auf der NSR in den Sommermonaten, um Zeit und Geld zu sparen. Zeitgleich beobachten die beiden Länder die Entwicklung der Eismassen, ob auch Fahrten in den kälteren Wintermonaten möglich werden.
Das ist nun erstmals der Fall, weil das arktische Eis durch die Erderwärmung weniger wird. Dazu kommt, dass es kaum mehr mehrjähriges Eis gibt, das die wärmeren Monate übersteht. Einjähriges Eis ist im Vergleich viel dünner. Das ist problematisch, weil deshalb Sonnenlicht leichter hindurchdringt und das Wasser darunter stärker aufwärmt. Was verstärkend wirkt, weil deshalb das Eis noch schneller schmilzt.
Ein atomarer Eisbrecher begleitet das Frachtschiff
Die Entwicklungen werden langfristig gravierende Folgen für den Planeten und alle Lebewesen darauf haben. Kurzfristig aber lässt sich daraus Profit schlagen: Deshalb hat die russische Staats-Reederei Sowkomflot ihr 299-Meter-Frachtschiff „Christophe de Margerie“ Anfang des Jahres auf Testfahrt geschickt. Ein Video davon hat die Reederei auch auf Youtube veröffentlicht.
Am 5. Januar legte es im russischen Hafen Sabetta auf der Jamal-Halbinsel ab und erreichte Jiangsu in China am 26. Januar. Die Rückreise trat der Frachter einen Tag später an und kam, zwei Tage nach Plan, am 19. Februar wieder in Russland an.
Flankiert wurde "Christophe de Margerie“ auf seiner Reise durch den polaren Winter dabei teilweise von einem nuklearen Eisbrecher. Doch das einjährige Eis, gerade Mal zwischen 30 und 200 Zentimeter dick, konnte der Frachter ohne Hilfe passieren. Die Reederei ließ nach der erfolgreichen Pilotfahrt verlauten, dass in Zukunft eine ganzjährige Fahrt auf der NSR möglich sei.
Das deckt sich auch mit einer Aussage des russischen Präsidenten Wladimir Putins, der bis zum Jahr 2025 die derzeitige Frachtmenge auf der NSR mehr als verdoppeln will: von weniger als 40 auf 80 Millionen Tonnen.
Bereits seit 2016 nimmt die Frequenz auf dem Seeweg rapide zu: Vor fünf Jahren wurden insgesamt 1.705 Cargo-Fahrten gemacht, 2019 waren es schon 2.694.
Folgen werden immens sein
Mögliche Folgen dieser Entwicklung für die Arktis hat die australische Yahoo-Redaktion dabei am Montag beschrieben: Die Frachter stoßen selbst große Mengen klimawirksames Kohlendioxid aus und tragen so zum Klimawandel bei. Außerdem setzt sich der Ruß aus ihren Schonsteinen auf in der Nähe befindlichen Eis- und Schneeflächen ab. Das verdunkelt ihre Oberfläche, wodurch weitaus mehr Sonnenwärme absorbiert wird, anstatt reflektiert zu werden. Was den Klimawandel weiter verstärkt.
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Deshalb warnen Wissenschaftler vor einer Intensivierung der Schifffahrt auf der NSR. Der Meteorologe Eric Holthaus schrieb auf Twitter: "Das ist ein Klima-Notfall. Es gibt kein mehrjähriges Eis mehr auf Nordostpassage. Und das im Februar.“
The Northern Sea Route through the Arctic north of Siberia is now open. In February.
There is no multi-year ice left there anymore.
We are in a climate emergency. https://t.co/HwOSSkD6o7— Eric Holthaus (@EricHolthaus) February 21, 2021
Die Harvard-Professorin Juliette Kayyem twitterte: "Die Arktis ist jetzt ganzjährig befahrbar, eine Folge des Klimawandels. Dieser Moment – so folgenschwer, dass man ihn kaum fassen kann – wird einen geopolitischen Kampf um den Besitz und die Nutzung der Seewege und Meeresressourcen einläuten.“
Meteorologe Jung: Sind das die Auswirkungen der Klimaveränderung?
The Arctic has now opened for business year-round, the result of climate change. This moment —so consequential you can’t get your head around it — launches a geopolitical struggle for ownership of a place, sea routes and ocean resources that were all once uninhabitable. https://t.co/bwxjKRhchx
— Juliette Kayyem (@juliettekayyem) February 21, 2021
Die Arktis hat sich in den vergangenen 30 Jahren mindestens doppelt so stark erwärmt wie die restliche Welt. Die Region ist also schon heute besonders stark vom Klimawandel betroffen. Ganzjährige Schifffahrt wird den Trend weiter verstärken.
Dazu passt, dass der Frachter "Christophe de Margerie“ auf seiner Pilotfahrt ausgerechnet Flüssiggas transportierte – was bei der Verbrennung klimawirksames Kohlendioxid freisetzt.
VIDEO: Schwimmende Iglus gegen den Klimawandel