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Erst nachdem meine Mutter gestorben war, lernte ich, Mitgefühl mit ihr zu haben – und vor allem auch für mich

Die Autorin (rechts) mit ihrer Mutter, Lauraine, und ihrer Tochter, Faith. - Copyright: Mit freundlicher Genehmigung der Autorin
Die Autorin (rechts) mit ihrer Mutter, Lauraine, und ihrer Tochter, Faith. - Copyright: Mit freundlicher Genehmigung der Autorin

Ich zog meine Flip-Flops aus und ließ meine Füße in den weichen, warmen Sand sinken. Faith stand neben mir. Die Wellen rollten ans Ufer. 20. Juli 2013. Der erste Jahrestag von Mamas Tod.

Zusammen mit Mamas Partner Bob, der aus New Jersey eingeflogen war, waren mein Mann Theo, meine Tochter Faith und ich am Strand, um meiner Mutter zu gedenken. Es war Samstag. Familien, Paare, Leute, die mit ihren Hunden spazieren gingen, Decken, Kühlboxen und Sonnenschirme verteilten sich in der Landschaft.

Theo und Bob stellten Strandkörbe auf. Faith und ich drehten uns um, unsere Schatten waren kurz und rundlich in der Mittagssonne. Faith entfaltete ihr Handtuch und legte es direkt neben meins. Sie zog ihr Oberteil und ihre Shorts bis auf ihren Badeanzug aus. Eine Brise zerzauste ihr Haar.

Am Strand habe ich über vergangene Zeiten nachgedacht

In der Nähe baute eine Familie eine Burg, die mich an die Tage erinnerte, als Theo eine Schaufel mitbrachte und ein riesiges Loch grub. Die Kinder, die mit den Wellen Fangen spielten, kreischten vor Vergnügen, genau wie Faith es in diesem Alter getan hatte.

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Als sie ihre Kleidung zusammenlegte, erhaschte ich einen Blick auf eine Narbe und fühlte mich voller Dankbarkeit für ihre Gesundheit, ihr Leben, für das, was wir überlebt hatten, unsere Widerstandsfähigkeit und die Möglichkeit, an diesem Tag zusammen zu sein.

Ich deutete auf unsere Strandtasche. "Sonnencreme", sagte ich zu Faith. "Brauch ich nicht", sagte sie.

Ich war natürlich schon eingecremt, ein riesiger Schlapphut beschattete mein Gesicht und meine Schultern. "Ich weiß, aber benutze sie bitte trotzdem. Du weißt doch, wie sehr du einen Sonnenbrand hasst."

Sie willigte ein, und das Zischen der Spraydose ließ den chemischen Geruch in meine Richtung driften. "Ich vermisse Oma", sagte sie.

"Das tue ich auch, Liebes", sagte ich. Und es war wahr. Vor allem aber vermisste ich, was hätte sein können. "Aber sie wäre so stolz auf dich. Sie ist so stolz auf dich."

Das Sonnenlicht tanzte auf den Höhen und Tiefen des Wassers, die Farben wechselten von Weiß über Türkis zu Tiefblau. Sobald der Strand in Sichtweite war, hatte Faith sich entspannt. Sie und Oma waren in ihrer Liebe zum Meer verwandte Seelen.

Bob stand auf. "Ich bin gleich wieder da." Er ging auf das Ufer zu, seine eigenen Fußspuren folgten hinter ihm.

Ich vermutete, dass er unter vier Augen in Erinnerungen schwelgen wollte. Wir hatten ihn seit dem vergangenen Jahr nicht mehr gesehen, als er mit Moms Asche weggefahren war. Es muss für ihn genauso seltsam gewesen sein wie für uns, ohne sie zusammen zu sein.

Faith lag neben mir und genoss die Sonne. Theo las. Ich fuhr mit den Fingern durch den feinen, weichen Sand. Davon schaufelte ich etwas auf und ließ ihn von meiner Hand gleiten. Ich hatte Tagebuch geschrieben, gelesen, nachgedacht und mehr mit meiner Therapeutin über Mitgefühl gesprochen. Mir war klar geworden, dass sie recht hatte. Wieder einmal.

Ich hatte eine ungesunde Tendenz zur Selbstaufopferung und pragmatische Teile der Reise, wie das Planen von Terminen und das Durchführen von Recherchen, als mitfühlende Handlungen missverstanden, die zumindest theoretisch Faiths Leiden lindern würden — ein winziger Teil einer viel größeren Wahrheit.

Mitgefühl in Aktion ist eigentlich eine Reihe von Fähigkeiten. Fähigkeiten, die ich nie gelernt hatte und die die Fähigkeit voraussetzen, sich im wahrsten Sinne des Wortes mit Empathie, Freundlichkeit und Verständnis für unsere gemeinsame menschliche Erfahrung zu verbinden. Ähnlich wie ich nie gelernt hatte, wie man Kommunikation repariert, über schwierige Gefühle spricht oder gesunde Grenzen setzt. Aber genau da lag der Haken: Um mich mitfühlend mit jemandem verbinden zu können, musste ich mich zuerst mit mir selbst verbinden.

Faith setzte sich auf. Schweißperlen standen ihr auf der Stirn, rannen an den Seiten ihres Gesichts herunter.

"Ich gehe rein", sagte sie. In einem anderen Leben eine Meerjungfrau. "Viel Spaß", sagte ich.

Sie hüpfte über den heißen Sand. Theo schlug sein Buch zu. "Bist du okay?"

"Ja, nur traurig", sagte ich.

"Du musst nur an deine Mutter denken, dann ist sie da."

"Ich weiß. Ich danke dir."

Die Wellen wirbelten Faith herum wie Kaugummi im Wind. Sie stürzte sich kopfüber in eine entgegenkommende Dünung, tauchte auf der anderen Seite wieder auf und drehte sich, um auf dem Rücken zu treiben. Ich entdeckte Bobs Umriss, so groß wie ein Lego, unten am Strand. Im Lichte des letzten Jahres erschien mir alles, was ich früher an mir bewundert hatte — Sarkasmus, Perfektionismus, Strebsamkeit — jetzt so… hart. Kritisch. Verurteilend. Falsch.

Bob kam zurück und Faith war ihm dicht auf den Fersen. Sie roch nach Salz und Seetang. "Hier", sagte sie und ließ ein paar Muscheln auf mein Handtuch fallen.

"Hübsch, Baby", sagte ich.

"Sollen wir die Blumen machen?", fragte Bob.

Wir ehrten meine Mutter, indem wir Blumen in den Ozean warfen

Ich hatte einen kleinen Strauß Nelken mitgebracht und packte sie jetzt aus, um ihren süßen Duft zu verströmen. Ich reichte Theo, Faith und Bob eine einzelne Blume und behielt eine für mich.

Am Ufer sprachen wir über meine Mutter, Lauraine: Mutter, Großmutter, Partnerin, Freundin, Überlebende, Vilomah – Elternteil, dessen Kind gestorben ist. Erst jetzt, zum ersten Mal, von Frau zu Frau, wünschte ich mir, Lauraine sagen zu können, wie leid mir der Tod ihrer Tochter Lauren tat.

Ich sah, dass sie trotz ihrer Unzulänglichkeiten bei meiner Erziehung, zu denen es noch viel mehr aufzudecken und zu heilen gäbe, geliebt, verloren und getrauert hatte. Ich spürte, dass ich Mom gegenüber weicher wurde, als eine Person, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht die Fähigkeit hatte, die Auswirkungen unserer Blutlinie zu erkennen oder anzuerkennen.

Bob sprach zuerst und schloss mit den Worten: "Man weiß nie, was man hat, bis es weg ist."

Theo sagte wahrscheinlich: "Möge ihr Andenken ewig sein." Faith sagte: "Ich vermisse dich, Oma."

Und ich. Ich sagte: "Ich vermisse dich, Mom. Ich hab dich lieb."

Schaumige Rückstände wirbelten um unsere Quadratfüße. "Fertig, Leute?", sagte ich.

"Eins, zwei, drei!"

Wir warfen unsere Blumen ins Meer.

Ein Auszug aus "Bloodlines: Ein Memoir von Schaden und Heilung" von Tracey Yokas. Copyright 2024 Tracey Yokas. Veröffentlicht von She Writes Press.

Dieser Text wurde von Muriel Dittmar aus dem Englischen übersetzt. Das Original findet ihr hier.