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Envion war erst der Anfang – 2018 droht der ICO-Branche die Sinnkrise

Wohin steuert der Bitcoin, und mit ihm die vielen anderen Kryptowährungen? Einschätzungen, Hintergründe und Anekdoten gibt es jede Woche von den Handelsblatt-Redakteuren Astrid Dörner, Felix Holtermann und Frank Wiebe in unserer neuen Krypto-Kolumne „Coin & Co.“. Heute Teil 18: Wie der Streit um die verschwundenen Millionen der Envion AG weitergeht – und was das für die ICO-Branche bedeuten könnte.

Es ist eine Geschichte, die man auch als Finanzjournalist nicht jeden Tag auf dem Schreibtisch hat. Ein Start-up verspricht, die Krypto-Welt zu revolutionieren – indem eines der Grundprobleme von Bitcoin und Co. gelöst wird – der exorbitante Stromverbrauch.

Knapp 100 Millionen Dollar hatte die Zuger Envion AG mit der Vision bei Anlegern eingenommen, virtuelle Münzen in mobilen Rechencontainern am Rand von Staudämmen, Windparks und Solarfeldern zu produzieren.

Was gut klingt, ist im Desaster geendet. Die Führungsmannschaft hat sich heillos zerstritten, wie wir vor anderthalb Wochen aufgedeckt haben. Auf der einen Seite: der Chef der Envion AG in Zug, ein ehemaliger ARD-Korrespondent, der seinen Berliner Programmierern Betrug und Untreue vorwirft.

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Diese sollen mehr Tokens (eine Art digitale Gutscheine, die bei virtuellen Börsengängen, sogenannten ICOs, anstelle von Aktien herausgegeben werden) produziert haben als abgesprochen – und der Firma Einnahmen aus dem Verkauf vorenthalten.

Auf der anderen Seite stehen eben jene Programmierer, die sich als „Founder“ (Gründer) von Envion bezeichnen und jetzt eine Gegen-PR-Kampagne gestartet haben. Hinzu kommt nun auch noch eine dritte Partei: Die Investoren, die dem Treiben an der Spitze nicht mehr tatenlos zusehen wollen, während die Firma zerfällt.

Den Aktienkurs des Envion-Tokens hat der Skandal bereits auf Sinkflug geschickt. Der EVN genannte Token wurde in der finalen Verkaufsrunde im Januar zu einem Nominalwert von einem Dollar ausgegeben. Von dieser Ursprungsbewertung ist nur noch ein Bruchteil übrig. Kurz nach Erscheinen unserer Recherchen stürzte der Kurs um die Hälfte von rund 30 Cent auf 16 Cent ab. Inzwischen dümpelt er bei 12 Cent – und Besserung ist nicht in Sicht.

Der Absturz lässt vor allem eine Gruppe verzweifelt zurück: die Anleger. Viele haben erhebliche Teile ihrer Ersparnisse ins die Vision von Envion investiert. Geködert wurden sie mit einer möglichen Kapitalrendite von 161 Prozent – pro Jahr.

150 Anleger, die nach eigener Aussage über drei Millionen Tokens repräsentieren, organisieren sich derzeit in einer Gruppe über den Messengerdienst Telegram. Sie haben die wichtigsten Fakten zum Fall zusammengetragen, ihrerseits die Berliner Polizei informiert und wollen mit selbst recherchierten Informationen zur Aufklärung beitragen.

Aber auch die vom Envion-Chef des Betrugs bezichtigten Programmierer formieren sich. Vor wenigen Tagen haben sie eine Website gestartet, auf der sie ihrerseits den Chef der Envion AG beschuldigen, die Firma illegal übernommen zu haben.

Die Programmierer kündigen rechtliche Schritte an. „Es gibt keine verschwundenen Token. Jeder Token ist über die Blockchain leicht zu lokalisieren“, heißt es in einer Presseerklärung. Bald sollen weitere Dokumente veröffentlicht werden.

Die unglaublichen Vorgänge bei Deutschlands einstigem Vorzeige-ICO werden die Krypto-Szene noch länger in Atem halten. Die gerichtliche Klärung steht erst am Anfang. Und nun interessiert sich dem Vernehmen nach sogar die „New York Times“ für das Treiben in der Berliner Blockchain-Blase.

Dieses steht für Beobachter exemplarisch für die Abgründe des globalen ICO-Business, für die Verwicklung vieler deutscher Akteure und das zu lasche Handeln der Aufsichtsbehörden. Der Fall Envion ist nach dieser Lesart nur die Spitze des Eisbergs.

Laut jüngsten Schätzungen scheitern vier von fünf ICO-Projekten, der Hintergrund soll oft betrügerisch sein. Sollten weitere Skandale an das Licht der Öffentlichkeit kommen, steht nicht weniger als der Traum der Krypto-Vordenker auf dem Spiel, – die Vision einer neuen, innovativen, Blockchain-basierten Form der Graswurzelfinanzierung, die Start-ups aus den Klauen von Wagniskapitalgebern und Banken befreit. Und Anleger mit etwas Glück reich macht.

Klar ist: 2017 war das Jahr des ICO-Hypes. 2018 könnte das Jahr der Schlammschlachten werden, da viele hochfliegende Projekte platzen. Der Kampf um die Investorengelder beginnt gerade erst.

Das Handelsblatt bleibt dran.