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„Hier ist Energie im Raum“

Ein Autoboss auf dem Parteitag der Grünen – es war schon eine Seltenheit, was sich am Sonntag in Münster abspielte. Daimler-Chef durfte auf Einladung des Parteivorsitzenden Cem Özdemir vor den Delegierten sprechen, trotz aller Vorbehalte und Proteste. Und der Industriemanager traf bei der Ökopartei durchaus den Nerv: Für seine Rede bekam er viel freundlichen Applaus.

Der Empfang war weitaus weniger freundlich. Die Grüne Jugend hatte Zetsche zum Start seiner Rede im Saal mit einem Aufmarsch und Buhrufen empfangen. Der Parteinachwuchs hielt Protestplakate mit Losungen wie „Rüstungsexporte für Diktatoren“ in die Höhe. Auf anderen Transparenten wurde ein Umsteuern vom Auto auf Fahrräder und die Schiene verlangt. Doch lammfromme Grüne hatte Zetsche nicht erwartet. „Vielen Dank für den engagierten Einstieg“, begrüßte er die Delegierten. „Hier ist Energie im Raum, das macht mir Spaß.“ Dass etliche junge Grüne sich den berühmten Zetsche-Schnäuzer unter die Nase geklebt hatten, kommentierte er mit einem Scherz: „Einigen von Ihnen steht das richtig gut.“

Und doch waren die Grünen während seiner 15-Minuten-Rede zahmer und ruhiger als erwartet. Geradezu aufmerksam lauschten sie dem, was er zu sagen hatte. Der Daimler-Chef wiederum versprach, die Bühne bestimmt nicht für eine Werbeshow zu missbrauchen. Parteichef Cem Özdemir hatte vorgearbeitet: Sei es nicht auch ein Riesen-Kompliment, dass der Daimler-Chef auftrete?, fragte er mit hochrotem Kopf. „Hier wird die Zukunft der Republik entschieden.“

Zetsche allerdings sendete einige Botschaften, die auch in Reihen der Grünen auf Wohlwollen stießen. So wies er den Vorwurf zurück, sein Unternehmen habe den Trend zur Elektromobilität verschlafen. habe schon seit zehn Jahren Elektroautos im Programm und investiere sehr viel Geld in diesem Bereich.

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Jedes zweite Elektroauto in Europa komme aus Deutschland. Die Abkehr von Kohlenwasserstoffen als Antrieb sei auch notwendig, sagte Zetsche mit Blick auf Verbrennungsmotoren und ergänzte: „Wir stellen uns unserer klimapolitischen Verantwortung.“

Der Manager stellte Übereinstimmungen mit den Forderungen des Grünen-Vorstands heraus. „Die Grünen sagen, dass die Automobilindustrie nur überleben wird, wenn sie ein emissionsfreies Fahrzeug entwickelt. Das sehe ich genauso“, sagte Zetsche zu den Delegierten, die ihm dafür applaudierten. Aber sollten die Grünen ihn für Sätze kritisieren, von denen sie manche doch so ähnlich formulieren würden?

Ein verbindliches Datum für das Aus des Verbrennungsmotors lehnte er jedoch ab. Wer glaube, eine bestimmte Antriebsart solle ab einem „Tag X“ verboten werden, „springt zu kurz“. Statt darüber zu diskutieren, wann dieses Ziel erreicht werde, gehe es darum, „das Tempo zu beschleunigen“. Die vielfach kritisierten Verbrennungsmotoren könnten „Teil der Lösung sein“. Die Grünen treten in einem Antrag dafür ein, ab 2030 keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen – er stand am Sonntag zur Debatte. Es wäre gut, wenn sich Politik auf die Vorgabe realistischer Ziele beschränken würde, sagte Zetsche – selbst an dieser Stelle erntete der Daimler-Chef keinen lauten Widerspruch.

Zetsche ging zudem auf Kritiker ein, die Daimler für den Verkauf von Militärprodukten in Krisengebiete angehen. Der Unternehmenschef konterte dies mit dem Hinweis, im Wesentlichen gehe es dabei um geschützte Fahrzeuge, in denen Menschen transportiert würden.

Der Auftritt des Daimler-Chefs war das wohl emotionalste Thema auf dem Grünen-Parteitag. Einigen Mitgliedern der Umweltpartei war die Einladung von Parteichef Cem Özdemir bitter aufgestoßen. „Wovor haben wir Angst?“, antwortete Özdemir seinen Kritikern in einer Rede, „wir haben doch die Argumente.“ Es sei ein Kompliment für die Grünen, wenn einer der wichtigsten Konzernlenker zu ihnen komme, um über die Zukunft zu reden, sagte er vor dessen Auftritt. Klimaschutz sei nicht verhandelbar. Die leidenschaftliche Rede erntete begeisterten Applaus, viele Grüne klatschten im Stehen.

Tatsächlich hat eine Einladung wie diese Seltenheitswert – nicht nur bei den Grünen. Weder Zetsche noch andere Wirtschaftsbosse sind bei vergleichbaren Gelegenheiten die Regel. Wer ein Gesprächsangebot bekommt, sollte den Dialog auch annehmen, sagte der Daimler-Chef.

KONTEXT

Was die Grünen beschlossen haben

Blick aufs Wahljahr

Auf ihrem Bundesparteitag in Münster haben die Grünen Weichen für den Bundestagswahlkampf gestellt. Im Mittelpunkt stand der Streit um höhere Steuern auf große Vermögen, entschieden haben die Delegierten aber noch viel mehr. Eine Auswahl.

Vermögenssteuer

Wollen die Grüne für "Superreiche", ohne zu definieren, wer das ist. Die Steuer soll "verfassungsfest, ergiebig und umsetzbar" sein. Arbeitsplätze und die Innovationskraft von Unternehmen soll sie nicht gefährden.

Erbschaftssteuer

Nur wenn das Bundesverfassungsgericht die zuletzt erzielte Neuregelung für Firmenerben wieder kippt, wollen die Grünen ran. Die Steuer soll dann "einfach und gerecht" werden, mehr Details gibt es nicht.

Ehegattensplitting

Wollen die Grünen abschaffen, weil es Unverheiratete und Alleinerziehende benachteilige. Wer schon verheiratet ist, für den soll alles beim Alten bleiben. Zum Ausgleich für die wegfallenden Steuervorteile für Verheiratete will die Partei Kinder gezielt fördern und Kinderarmut abschaffen.

Hartz-IV-Sanktionen

Sollen komplett abgeschafft werden. Der Vorschlag kam nicht vom Bundesvorstand, die Abstimmung ging verhältnismäßig knapp aus.

Spitzensteuersatz

Soll nach dem Willen der Grünen erst ab 100.000 Euro Jahreseinkommen für einen Single greifen. Dafür soll er aber erhöht werden - um wie viel, legen sie nicht fest.

Kohleausstieg

Die Grünen wollen bis 2025 aus der Stromerzeugung aus Braunkohle aussteigen. Das betrifft Tausende Jobs in Nordrhein-Westfalen und der Lausitz.

Verkehrswende

Ab 2030 wollen die Grünen keine Neuzulassungen mehr für Autos mit Verbrennungsmotoren.

Islamverbände

So, wie die muslimischen Verbände gerade organisiert sind, wollen die Grünen sie nicht als Religionsgemeinschaften anerkennen. Das würde ihnen viel mehr Rechte geben. Begründung: Die großen Verbände wie Ditib verdankten ihre Struktur nicht der Religion, sondern der Politik ihrer Heimatländer.