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Durchbruch beim Wasserstoff? Alles eine Frage der Geduld

Seit Jahrzehnten wird gesagt, die Wasserstofftechnologie stehe vor dem Durchbruch. Passiert ist aber nichts. Oder vielleicht doch?

Das Eröffnen von Tankstellen gehört gemeinhin nicht zur Stellenbeschreibung eines Landesministers. Und doch war es am Dienstag dieser Woche so weit: In feierlicher Absicht erschien der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) bei der Eröffnung der neuen Wasserstofftankstelle des Industriegaseherstellers Air Liquide in Düsseldorf.

Dass es sich nicht einmal um die erste, sondern bloß um die zweite ihrer Art in der Landeshauptstadt handelt, spielte keine Rolle: Das Thema liegt Pinkwart am Herzen. Der Politiker ist sich sicher: „Dem Wasserstoff gehört die Zukunft.“

Dabei ist die Geschichte des Wasserstoffantriebs oder der Brennstoffzelle als Energielieferant eine der ständigen Aufs und Abs. Vor allem wenn es um den Einsatz im Straßenverkehr geht. Volkswagen, Toyota, Daimler, Ford, Honda, General Motors, Opel – alle forschen seit mehreren Jahrzehnten am Brennstoffzellenantrieb.

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Mit ständig wechselndem Elan. Ford etwa gab 2009 bekannt, dass man nicht mehr an der Brennstoffzelle arbeite, um dann gut ein Jahr später zu erklären, dass man sich doch wieder mit der Technologie beschäftige. Opel wollte ab 2015 Brennstoffzellenfahrzeuge samt der notwendigen Infrastruktur anbieten, doch es kam nie dazu.

Mercedes wiederum präsentierte bereits 1994 den ersten Brennstoffzellenprototyp mit dem Namen Necar. Erst Ende vergangenen Jahres schickte das Unternehmen aber das SUV GLC als Fuel-Cell-Modell in den Markt, nachdem man den Start viermal verschoben hatte. Doch man kann das Fahrzeug nur mieten, für 800 Euro im Monat und nur als ausgewählter Kunde.

Offizielle Begründung: Die Kunden sollen sich nicht mit der Frage beschäftigen müssen, welchen Restwert das Fahrzeug später noch haben wird. Sprich: Ob man das Vehikel überhaupt noch losschlagen kann, wenn die Brennstoffzelle sich wieder einmal nicht durchsetzen sollte.

Trotz des ganzen Hin und Hers, die mittlerweile heftig und emotional geführte Debatte über die Emissionen im Individualverkehr haben den Wasserstoffantrieb wieder stärker auf die Agenda gebracht. Denn zum einen ist jedem klar, dass batteriegetriebene Elektrofahrzeuge allein das Emissionsproblem nicht lösen können.

Zum anderen bietet die Wasserstofftechnik grundsätzlich einige Vorteile. Brennstoffzellen wandeln die Energie in den verwendeten chemischen Verbindungen ohne hohen Wirkungsverlust in elektrische Energie um. Als „Abfall“ bleiben dabei Wasser und eine geringe Menge an Wärme übrig – also keine Schadstoffe.

Immer mehr Firmen haben sich deshalb in jüngster Zeit zu der Technologie bekannt. „Die Brennstoffzelle ist gefühlt immer 50 Jahre entfernt, aber sie wird kommen“, ist Mohsen Sohi, Chef der Freudenberg-Gruppe überzeugt. Das Familienunternehmen ist ein Zulieferer der Autoindustrie etwa für Dichtungs- und Schwingungstechnologie, forscht aber seit Langem auch an der Brennstoffzelle.

Bosch setzt mit zwei Kooperationen auf die Brennstoffzelle: einerseits in den USA mit Nikola Motors, einem Start-up, das über die nötigen Fahrzeuge hinaus auch ein Netz von Wasserstofftankstellen realisieren will, andererseits in China mit dem Motorenhersteller Weichai Power.

Aussichtsreich ist Letzteres schon deshalb, weil bereits 2030 eine Million Brennstoffzellenfahrzeuge auf chinesischen Straßen unterwegs sein sollen. Bosch und Nikola haben zum Beispiel bereits einen Brennstoffzellenantrieb für den Elektro-Schwerlaster Nikola Two Alpha entwickelt. Es tut sich also was, auch wenn die Brennstoffzelle für Autos noch weit vom Massenmarkt entfernt ist.

Japans Autobauer investieren kräftig

Vor allem in Fernost ist die Technologie weiter fortgeschritten. Weltweit gelten die japanischen Autohersteller dank ihrer Brennstoffzellenautos als Pioniere der Technik. Toyota hat 2014 den Mirai und Honda 2016 den Clarity auf den Markt gebracht. Gestützt wird die Initiative von Japans Regierung, die in der Brennstoffzelle neben dem Klimaschutz und der Erhöhung von Japans Energiesicherheit auch die Chance sieht, eine neue Industrie dominieren zu können.

Die Autobauer investieren daher kräftig in den Ausbau der Brennstoffzellenproduktion. Toyota steigert im ersten Schritt in den kommenden fünf Jahren seine Brennstoffzellenproduktion auf 30.000 Stück jährlich, um den Bedarf für seine zweite Mirai-Generation zu decken. Doch es könnten bald mehr werden.

Denn Toyota hat sich entschlossen, für andere Autobauer zum Systemlieferanten von Elektromotoren, Batterien und auch Brennstoffzellen zu werden. Darüber hinaus entwickelt der Ur-Toyota, Toyota Industries, Brennstoffzellengabelstapler, und eigene Wasserstoffhochöfen, um die Autos auch emissionsneutral produzieren zu können.

Es sei allerdings auch in Japan nicht leicht gewesen, die Regierung von der Förderung von Wasserstoff im Transportwesen zu überzeugen, erzählt Katsuhiko Hirose. Er war sowohl für die Entwicklung von Toyotas Hybridautos wie auch später für die des Brennstoffenzellenautos Mirai technisch als Ingenieur verantwortlich und ist nun Toyotas Chefprediger für Wasserstoff: „Sie haben auch an die Batterie geglaubt, aber man braucht eine holistische Sicht für das Dekarbonisieren der gesamten Gesellschaft.“

Doch die Wasserstofffreunde konnten schließlich überzeugen. Erstens sei Wasserstoff sehr wichtig für eine klimafreundliche Wirtschaft, so Hirose. „Wir müssen ja nicht nur den Verkehr dekarbonisieren, sondern wollen auch unsere Autos emissionsneutral produzieren.“ Und das sei nur möglich mit Wasserstoff. Zweitens mit dem Argument, dass das Land bei der Akkuproduktion eh nicht mit China mithalten kann.

„Man kann verstehen, dass sich Bosch und Continental weigern, Batterien zu produzieren“, meint Hirose. Denn die Wertschöpfung bei Batterien sei an Rohstoffen orientiert, nicht so sehr an Technik. Bei Brennstoffzellen sei es umgekehrt. Selbst die Menge an teurem Platin, die für die Zellen benötigt wird, werde bald auf das Niveau eines Dieselkatalysators gesenkt.

„Beim Wettbewerb um Brennstoffzellen geht es daher nicht darum, billiger Rohstoffe einzukaufen, sondern ums Know-how. Das ist eine Chance für Deutschland und Japan“, ist Hirose überzeugt. Auch in Südkorea setzt man voll auf Wasserstoff. Der Autobauer Hyundai Motor will ab 2030 jährlich 500.000 Fahrzeuge mit Brennstoffzelle und 200.000 mobile Stromkraftwerke für Schiffe, Gabelstapler und andere Nutzfahrzeuge bauen.

„Die Hyundai-Motor-Gruppe wird die Wasserstoffgesellschaft anführen“, erklärt der Vizekonzernchef Chung Eui Sun selbstbewusst. Sechs Milliarden Euro will Hyundai bis zum Jahr 2030 in die technologische Entwicklung und in Produktionskapazitäten für Wasserstoffautos investieren.

Die südkoreanische Regierung folgte im Januar mit ihrer eigenen, noch langfristigeren Wasserstoffstrategie. Bis 2040 sollen 6,2 Millionen Brennstoffzellenautos auf Südkoreas Straßen rollen und Brennstoffzellenkraftwerke 15 Gigawatt Strom produzieren. Das entspräche ungefähr 15 Atommeilern.

Gerade im stationären Einsatz zeigt sich das Potenzial der Wasserstofftechnologie: Schon 2009 kamen in Japan zum Beispiel hochsubventioniert die ersten Brennstoffzellen für Eigenheime auf den Markt, die Wasserstoff aus Stadtgas abspalten und dann heißes Wasser und Strom erzeugen. Der Fortschritt ist seither beachtlich. Inzwischen verrichten bereits rund 300.000 dieser miniaturisierten Blockheizkraftwerke ihren Dienst.

Außerdem sei das Geschäft nun „komplett unabhängig von staatlichen Kaufhilfen“, sagt Norihiko Kawamura, beim Technikkonzern Panasonic für das Brennstoffzellengeschäft zuständig. In Deutschland vertreiben die Japaner ihre Technik in Partnerschaft mit dem Boilerhersteller Viessmann.

Japan als Vorreiter

Im stationären Einsatz soll auch ein Problem der Brennstoffzelle gelöst werden: die Herstellung von Wasserstoff. Bislang geschieht das vor allem als Abspaltung von Erdgas oder Kohle. Das ist nicht nur energieintensiv, sondern produziert auch Kohlendioxid.

Die Brennstoffzelle würde so also lediglich die Emissionen auf die Seite der Treibstoffherstellung verlagern. Doch sobald mehr Wasserstoff produziert und vertrieben wird, will Panasonic ab 2012 die ersten fest installierten Brennstoffzellen für Eigenheime und größere Geräte auf den Markt bringen, die dann auch mit reinem Wasserstoff betrieben werden (grüner Wasserstoff).

Japans Ministerpräsident Shinzo Abe hat 2017 mit einer umfassenden nationalen Wasserstoffstrategie den molekularen Energiespeicher zu einer der wichtigsten Wachstumsindustrien gekürt. Bis 2030 soll es 5,3 Millionen Brennstoffzellen für Häuser und 800.000 Brennstoffzellenautos in Japan geben.

Die Regierung und die Industrie setzen dabei ganz bewusst darauf, dass Wasserstoff zuerst noch nicht „grün“ mit Sonnen- oder Windstrom durch Elektrolyse gewonnen wird. Vielmehr will die Regierung erst lokal und dann auch global einen Markt und eine Lieferkette für Wasserstoff schaffen, damit Unternehmen und Privatinvestoren in Innovation und neue Einsatzgebiete wie die Stahlindustrie investieren.

So wollen die Planer sicherstellen, dass dann später umso rascher auf grünen Wasserstoff umgestiegen werden kann. Die ersten Pilotprojekte für eine großindustrielle Wasserstoffproduktion mit Australien (aus Braunkohle) und Japans Flüssiggaslieferanten Brunei laufen schon. Mit Saudi-Arabien wird verhandelt, Wasserstoff aus Sonnenstrom herzustellen.

Auch die Politik in Deutschland hat erkannt, dass die Brennstoffzelle die besten Chancen hat, wenn man deren Einsatz in ganzer Breite und über die Mobilität hinausdenkt. „Die Wasserstofftechnologie ist seit Jahrzehnten im industriellen Bereich erprobt, sicher und sauber“, sagt NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart: „Wenn wir diese bewährte Technologie für neue innovative Anwendungen nutzen, haben wir einen großen Hebel in der Hand, mit dem wir viel für den Klimaschutz erreichen können.“

Und so forciert auch die deutsche Industrie ihre Bemühungen um den neuen „Brennstoff“. In der Stahlindustrie dürfte die Technologie allein schon wegen der immer strenger werdenden Emissionsregeln in der Europäischen Union in den nächsten Jahrzehnten an Bedeutung gewinnen. Im Hochofen wird das Eisenoxid unter hohen Temperaturen mithilfe von Kohlenstoff zu Roheisen umgewandelt.

Dabei entsteht unweigerlich CO2. Doch immer mehr Unternehmen forschen an Verfahren, bei denen der Kohlenstoff durch Wasserstoffgas ersetzt wird. Dadurch lassen sich die Emissionen erheblich reduzieren, sofern der Wasserstoff unter klimaneutralen Bedingungen produziert wird.

Wie das funktionieren kann, erforscht derzeit der österreichische Stahlhersteller Voestalpine am Standort in Linz in Zusammenarbeit mit Siemens, dem Energieversorger Verbund sowie dem Netzbetreiber Austrian Power Grid. Mit einer Anschlussleistung von sechs Megawatt kann die Versuchsanlage rund 1200 Kubikmeter grünen Wasserstoff pro Stunde produzieren. In diesem Jahr soll die Anlage in Betrieb genommen werden.

Die Firmen rechnen damit, dass sich der globale Bedarf für Wasserstoff bis 2050 auf rund sechs Billionen Kubikmeter nahezu verzehnfachen wird. Das gilt in der Folge auch für den Strom, der zur Herstellung des Gases benötigt wird. So rechnet allein Voestalpine für den Umstieg auf wasserstoffbasierte Verfahren mit einem zusätzlichen Strombedarf von jährlich 30 Terawattstunden – das entspricht fast der Hälfte des derzeitigen Stromverbrauchs in Österreich. Der müsste natürlich im Sinne der Ökobilanz aus nachhaltigen Quellen kommen.
Auch Thyssen-Krupp testet den grundsätzlichen Einsatz von Wasserstoff im bereits bestehenden Hochofensystem. Die Versorgung mit dem Gas stellt als Projektpartner der Industriegasehersteller Air Liquide sicher. Verlaufen die aufeinander aufbauenden Versuchsphasen erfolgreich, will der Ruhrkonzern bis 2050 nach und nach rund zehn Milliarden Euro in den Komplettaustausch seiner Anlagen investieren. „Unser Ziel ist eine nahezu CO2-freie Stahlerzeugung“, sagte Produktionsvorstand Arndt Köfler beim Startschuss des Projekts im April.

Für den flächendeckenden Einsatz im Verkehrsbereich müssen dagegen noch einige Herausforderungen bewältigt werden – auch jenseits der Frage, wie man Wasserstoff „grün“ produziert. Eine sind die Kosten. Wasserstoff ist mit einem Preis von fünf Euro pro Kilo noch zu teuer. Auch die Brennstoffzellen selbst sind teuer, nicht zuletzt wegen des Einsatzes von Platin.

Auch muss die entsprechende Infrastruktur aufgebaut werden. Bislang gibt es in Deutschland erst 60 Wasserstofftankstellen. Der Vorteil: Für Wasserstoff könnte das bestehende Tankstellennetz genutzt werden, denn anders als beim Strom dauert der „Ladevorgang“ nur sehr kurz.

Einsatzmöglichkeit im Nutzfahrzeugbereich

Der Nachteil: Der Bau entsprechender Wasserstoffspeicher und -zapfsäulen ist teuer. Denn eine Brennstoffzelle verlangt „Druckwasserstoff“. Die Anforderung an die vor Ort zu verbauende Technologie ist also wegen Druckbelastung recht hoch.

Fachleute erwarten deshalb, dass sich Wasserstoff zunächst im Nutzfahrzeugbereich durchsetzen wird – schon aus der Logik heraus, dass Batterien hier ungeeignet sind. Damit ein 40-Tonner lange Strecken elektrisch zurücklegen könnte, müsste er nach dem Stand der Technik eine nahezu zehn Tonnen schwere Batterie mit an Bord nehmen.

Der Wasserstoffspeicher für die Brennstoffzelle käme mit einem Zehntel des Gewichts aus. Für 100 Kilometer benötigt ein 40-Tonner etwa neun bis zehn Kilogramm Wasserstoff. Auch auf der Schiene werden der Technologie große Chancen eingeräumt. Der Frankfurter Rhein-Main-Verkehrsverbund hat gerade 27 Wasserstoffzüge bestellt.

Doch auch wenn Experten wie Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Duisburger Center Automotive Research (CAR), die Brennstoffzelle im Auto als „hoffnungslos“ bezeichnen, die Industrie will nicht ganz von der Technologie lassen.

Allerdings plant man lieber konservativ und setzt analog zum batteriegetriebenen Antrieb auf Partnerschaften, um die großen Herausforderungen und Investitionen bewältigen zu können. BMW etwa will von 2025 an mit serienreifen Wasserstoffautos in den Markt gehen und kooperiert dabei mit Toyota.

Mehr: Immer wieder werden Wasserstoffautos als Alternative für Elektroautos mit Batterie gehandelt. Doch serienreife Modelle finden aktuell kaum Käufer.