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Deutsche Firmen bringen sich im Rennen um Batteriemilliarde in Stellung

Bislang hielten sich deutsche Firmen bei der Batteriezellproduktion zurück. Eine milliardenschwere Förderung der Regierung löst ein Umdenken aus.

Noch dominieren südkoreanische Firmen wie LG Chem und Samsung sowie der chinesische Konzern CATL den Markt für Batteriezellen für Elektroautos. Immer wieder warnen Experten deswegen, Deutschlands Auto- und Zuliefererindustrie verpasse den Anschluss an einen der wichtigsten Zukunftsmärkte.

Doch um den Anschluss zu halten, müssten die Unternehmen große Risiken eingehen und noch wichtiger, enorme Investitionssummen aufbringen. Die Politik will für Entlastung sorgen und lockt mit Subventionen in Höhe von einer Milliarde Euro – und siehe da: Die ersten deutschen Konzerne trauen sich nun an eine eigene Batteriezellenproduktion für E-Autos.

Vor einer Woche kündigte Batterieproduzent Varta an, in die Massenproduktion für Batteriezellen einzusteigen. Gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut und der Unterstützung der baden-württembergischen Wirtschaftsministerin Nicole Hofmeister-Kraut (CDU), soll bei dem Weltmarktführer für Hörgeräte-Batterien ab dem kommenden Jahr in Ellwangen eine Fertigungslinie für großformatige Batteriezellen entstehen.

Varta sei das einzige Unternehmen in Deutschland mit Erfahrung in der Massenproduktion von Zellen, betont das Fraunhofer-Institut. Das verringere das Risiko eines Markteinstiegs. Auch bei der Leistungsfähigkeit der Batterien gebe es noch nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten. Klar ist aber auch, dass Investitionen in eine Massenfertigung von Lithium-Ionen-Batteriezellen in die Milliarden gehen. Die Fördergelder aus Berlin kommen da gerade recht.

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Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier wirbt bereits seit Monaten für den Aufbau einer eigenen Fertigung in Europa, vorzugsweise in Deutschland. Der Minister ist davon überzeugt, dass die europäischen Automobilhersteller schlecht beraten wären, wenn sie sich bei den Batterien ausschließlich auf Zulieferungen aus Asien verlassen würden. In Berlin sorgt man sich, dass die asiatischen Batteriezellen-Hersteller, die den Markt beherrschen, die Konditionen diktieren und ein großer Teil der Wertschöpfung der Autoproduktion damit nach Asien abwandert.

Diese Gefahr sieht auch Batterieexperte Martin Winter, Direktor des Helmholtz-Instituts Münster. „Wenn sich in Deutschland beziehungsweise Europa nicht bald was tut, wird die Wertschöpfung dieser Schlüsseltechnologie nicht hier sein. Dazu kommt, dass man sich abhängig macht.“

Asiatische Hersteller können Preise erhöhen

Die Abhängigkeit bekommen deutsche Autobauer jetzt schon zu spüren. Die großen Zellhersteller aus Asien ziehen aufgrund massiv gestiegener Rohstoffkosten ihre Preise an. Satte zehn Prozent mehr soll der koreanische Batteriezellenproduzent LG Chem von seinem Vertragspartner Audi verlangen.

„Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Unternehmen noch stärker von asiatischen Herstellern abhängig werden“, warnt die baden-württembergische Ministerin Hofmeister-Kraut deswegen. In das neue Varta-Projekt steckt das Land acht Millionen Euro, weitere 30 Millionen Euro soll aus dem Etat des Bundesforschungsministeriums kommen.

Wirtschaftsminister Altmaier hat bereits signalisiert, dass die Bundesregierung bereitsteht, entsprechende Projekte finanziell zu unterstützen. Auch auf EU-Ebene stoßen die „Giga-Factories“ auf Interesse. Die Kommission hat das Thema Batteriezellenfertigung weit oben auf ihrer Agenda stehen. EU-Vizekommissionspräsident Maroš Šefčovič hat signalisiert, dass er dem Thema aufgeschlossen gegenübersteht.

Wenn es nach den Vorstellungen von Altmaier und Šefčovič geht, sollen in der EU gleich mehrere „Giga-Factories“ für Batteriezellen entstehen, die mittelfristig 20 Prozent des Weltmarktes für Elektroautos beliefern können. Die Höhe der möglichen Unterstützung ist im Moment nicht klar. Es gehe um „namhafte Beträge“, heißt es in Verhandlungskreisen. Berichte, allein Deutschland könne eine Milliarde Euro in die Hand nehmen, wurden von der Bundesregierung nicht dementiert.

Damit die EU-Kommission die jetzige Unterstützung für die deutschen Batteriefabriken nicht als unzulässige Beihilfe bewertet, hat Altmaier schon vor Monaten begonnen, sich mit der Kommission abzustimmen. So sollen die Projekte möglichst als sogenannte IPCEI-Projekte eingestuft werden. Das sind Vorhaben, die die Kommission als „wichtige Projekte von gemeinsamem europäischen Interesse“ klassifiziert. Zu den Bedingungen gehört, dass mindestens ein Partner aus dem europäischen Ausland mit an Bord ist. Ein rein deutsches Konsortium wäre also nicht förderbar.

Details zu möglichen Partnerunternehmen für Varta, zu denen laut Insidern der US-Autobauer Ford gehört, gab der Mittelständler allerdings nicht preis. „Wir sprechen mit vielen Marktteilnehmern und evaluieren dann unsere Chancen“, sagte Schein.

Auch der Autokonzern zeigte sich zurückhaltend. „Von uns gibt es dazu nichts zu sagen“, reagierte eine Ford-Sprecherin auf die Spekulationen. Ford-Deutschland-Chef Gunnar Herrmann führe zwar regelmäßig politische Gespräche in Berlin, auch mit dem Minister. Aber Ford verfolge über den gesamten Konzern hinweg die Position, dass Batterien zugekauft werden sollten. Die Planung für den Einstieg in die Elektromobilität erfolge auch grundsätzlich über die Konzernzentrale in den USA.


VW will mit Partner Batteriezellen produzieren

Auch der schwedische Batteriezellenproduzent Northvolt zeigte sich zurückhaltend. Man begrüße die Initiative des deutschen Wirtschaftsministers, habe aber bereits einen eigenen Finanzierungsplan für die geplante Gigafabrik, teilte das Unternehmen dem Handelsblatt mit.

Der von zwei ehemaligen Tesla-Managern gegründete Konzern, will bereits 2019 mit einer Kapazität von acht Gigawattstunden (GWh) ins Rennen um die Pole-Position auf dem hart umkämpften Zukunftsmarkt gehen.

Autobauer Volkswagen steigt ebenfalls in die Zellproduktion ein, aber nur mit Unterstützung aus Korea. Anfänglich hieß die Devise bei VW noch, dass ausschließlich Zulieferer die Versorgung mit Batteriezellen übernehmen sollten. Doch schon im Sommer warnte Konzernchef Herbert Diess, dass sich sein Unternehmen nicht zu sehr in die Abhängigkeit der großen asiatischen Zelllieferanten begeben sollte. Inzwischen ist klar, welche Antwort der VW-Vorstandsvorsitzende darauf gefunden hat: Der weltgrößte Autohersteller wird seine Batteriezellen möglicherweise doch selbst herstellen – allerdings nicht ganz allein.

Wie dazu aus Konzernkreisen verlautete, gibt es Gespräche mit dem koreanischen Zellhersteller SK Innovation, der Nummer drei in Südkorea nach Samsung SDI und LG Chem. Volkswagen könnte sich für ein Joint Venture mit dem koreanischen Partner entscheiden und eine Handvoll eigene Zellwerke in Europa errichten. Der durchschnittliche Preis je Werk liegt bei vier bis fünf Milliarden Euro.

„Die Zelle ist kein einfaches Massenprodukt mehr, sondern inzwischen ein viel zu knappes Gut geworden“, begründet ein VW-Topmanager den Sinneswandel in Wolfsburg in Sachen eigene Zellfertigung. Weil die Batterien und die Zellen so wichtig für das Elektroauto seien, müsse Volkswagen möglichst bald eine Entscheidung über den Bau eigener Fabriken treffen.

Regierung wünscht sich rein deutsche Batteriefabriken

In Berlin sähe man es am liebsten, wenn die Unternehmen die komplette Wertschöpfungskette in Europa abbilden würden und nicht nur ein Joint-Venture mit einem asiatischen Partner eingehen.

Aber das Know-how spielt eine extrem große Rolle beim Einstieg in die Fertigung eigener Batteriezellen. Mitte des kommenden Jahrzehnts steht bei den Zellen der Wechsel auf die nächste Technologie an, der Umstieg auf die Feststoffbatterien. Davon verspricht sich die Autobranche eine bessere Energieausbeute – und damit letztlich viel größere Reichweiten als mit den heute verwendeten Lithium-Ionen-Zellen.

Bei Volkswagen herrscht die Überzeugung vor, dass die Lithium-Ionen-Technologie so etwas wie die Grundvoraussetzungen der neuen Feststoffbatterien schafft. „Wer heute den Einstieg in die eigene Zellfertigung verpasst, der wird auch den Wechsel zu den neuen Feststoffbatterien nicht mehr schaffen“, heißt es dazu in Wolfsburg.

Das sieht Continental-Chef Elmar Degenhart anders. Ihn ermutigten die angekündigten Subventionen nicht zum Sprung ins kalte Wasser. „Die Debatte hat auf uns keinen großen Einfluss. Wir müssen eine Entscheidung treffen, die machen wir nicht abhängig von Fördergeldern“, sagte Degenhart.

Automobilzulieferer Bosch hatte bereits im Februar angekündigt, nicht in die Zellproduktion einzusteigen. „Auch politische Forderungen oder staatliche Förderung werden daran nichts ändern“, betonte Bosch-Chef Volkmar Denner. Risiken könne man nicht einfach „wegsubventionieren“.

In Berlin heißt es, das Interesse der Wirtschaft sei zuletzt trotzdem spürbar gestiegen. Mittlerweile sei es sogar wahrscheinlich, dass sich mehrere Konsortien bildeten. Fast gleichzeitig mit dem Bekanntwerden der Varta-Initiative wurde die Übernahme von TerraE durch den Batteriehersteller BMZ bekannt. Das junge Frankfurter Joint-Venture TerraE wollte schon im kommenden Jahr in die Zellproduktion einsteigen. BMZ will nun auch weiterhin eng mit allen bisher beteiligten Industriepartnern zusammenarbeiten und wäre somit ebenso ein realistischer Anwärter für die Batteriemilliarde. Europaweit gebe es eine „deutliche zweistellige Zahl“ von Unternehmen, die sich mit dem Thema befassten, heißt es aus Berlin.