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Coronakrise verändert die Lage auf dem Wohnungsmarkt dramatisch

Die Corona-Pandemie lähmt die Wirtschaft: Viele Menschen fürchten um ihre Jobs. Kaum jemand kauft oder mietet jetzt noch Haus oder Wohnung.

Es ist der längste Aufschwung, den der deutsche Wohnimmobilienmarkt bisher gesehen hat: Seit Ende 2008 kannten Kaufpreise und Mieten für Häuser und Wohnungen nur eine Richtung – nach oben. Eigentumswohnungen verdoppelten ihren Wert, Ein- und Zweifamilienhäuser legten im bundesweiten Mittel um fast 70 Prozent, Mieten um knapp 40 Prozent zu.

Vielen Beobachtern war der von billigem Baugeld, mangelnden Investmentalternativen, steigenden Bevölkerungszahlen und verhaltenem Neubau befeuerte Boom seit Langem unheimlich. Vor allem die besonders heftigen Preissteigerungen in begehrten Metropolen wie München, Berlin oder Frankfurt, aber auch in Studentenstädten wie Freiburg nährten die Sorge vor Preisblasen. Erst vor sechs Wochen warnte Reiner Braun, Wohnungsmarktexperte beim Analysehaus Empirica, in einem Beitrag plakativ: „Der Preisballon ist gefüllt, es fehlt noch die Nadel.“

Jetzt hat sich die Situation dramatisch verändert: Die Coronavirus-Pandemie erschüttert die Weltwirtschaft und könnte auch in Deutschland „die stärkste wirtschaftliche Rezession verursachen, die das Land jemals erlebt hat“, meint Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School in Bochum.

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Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt seien kaum zu vermeiden: Drohende Arbeitslosigkeit und bereits angelaufene Kurzarbeit verringern den finanziellen Spielraum vieler Mieter und Käufer. Wer deshalb ans Umziehen in eine größere Mietwohnung gedacht habe, schiebe dieses Vorhaben vermutlich auf, prognostiziert Vornholz.

Auch geplante Immobilienkäufe würden vermutlich auf Eis gelegt, bis man Klarheit über die eigene wirtschaftliche Zukunft zurückgewonnen habe. „Hinzu kommt möglicherweise ein Finanzierungsproblem“, ergänzt der Wissenschaftler. Wer Geld in Aktien angelegt habe, bei dem reiche aufgrund der starken Kursrückgänge an den Börsen womöglich das Eigenkapital nicht mehr zum Kauf aus.

Es könnte zu Anpassungen kommen

Tatsächlich ist die Verunsicherung bei Wohnungssuchenden offenbar groß. „Als sich die Lage in der Coronakrise zuspitzte, sank unser Traffic um bis zu 30 Prozent“, heißt es auf Anfrage beim Vermarktungsportal Immowelt. Vor allem sei offenbar unklar, ob überhaupt Besichtigungen stattfinden könnten. Aktuell habe sich die Situation leicht entspannt, der Rückgang liege aber immer noch bei 20 Prozent.

Die Zahl der Angebote auf Immobilienplattformen habe sich vorerst aber nur wenig verändert, sagt Christian Sauerborn, Experte bei Sprengnetter, einem Anbieter von Wertermittlungssoftware für Immobilienunternehmen und -finanzierer.

Eine Auswertung von knapp 20.000 Wohnungsangeboten in zehn deutschen Großstädten, die während der vergangenen Woche auf Immobilienportalen zu finden waren, ergab keine signifikanten Abweichungen zur Vorwoche – weder was Anzahl noch Preise betraf.

„Die Wohnimmobilienpreise bewegten sich sowohl unterwöchig als auch am Wochenende im üblichen Schwankungsbereich und haben (noch) nicht auf die Coronakrise reagiert“, sagt Sauerborn.

Damit sei auch nicht zu rechnen gewesen: „Immobilienmärkte sprechen zeitverzögert auf aktuelle konjunkturelle Entwicklungen an“, erläutert er. Allerdings beobachteten seine Kunden – vor allem Banken und Immobilienbewerter – die Entwicklung sehr genau und in engen zeitlichen Abständen.

Auch Sven Odia, Vorstandsvorsitzender des international tätigen Maklerhauses Engel & Völkers, sieht noch keine „auffälligen Preisdynamiken“ auf Deutschlands Häusermarkt. Abhängig davon, wie lange die Covid-19-Pandemie noch anhalte, könne es aber zu „Kauf- und Mietpreisanpassungen“ kommen, räumt er ein.

Lars Seidel, Geschäftsführer des Hamburger Immobilienvermittlers Grossmann & Berger sieht vor allem eine große Verunsicherung „sowohl auf Käufer- als auch auf Verkäuferseite“.

Viele Menschen seien in Sorge um ihren Arbeitsplatz oder müssten bereits finanzielle Einbußen verkraften. „Einen Immobilienkauf, der für die meisten Menschen die größte Investitionsentscheidung ihres Lebens ist, vertagen deshalb einige Kaufinteressenten.“

Mietpreise könnten zurückgehen

Karsten Jungk, Geschäftsführer des Maklerhauses Wüest Partner in Deutschland, erwartet daher einen empfindlichen, „aber nicht fundamentalen“ Rückgang der Kaufnachfrage bis Ende des Jahres, moderate Mietpreisrückgänge bei Neuvermietungen und einen tendenziellen Anstieg der Leerstände. „Mietwohnungen im Hochpreissegment und Serviced Appartements dürften zeitweilig am stärksten unter Druck geraten.“

Wahrscheinlich sei auch, dass die für Wohneigentum wichtigen höheren Einkommensklassen nun Einkommenseinbußen und Wertverluste etwa bei ihren Aktienanlagen hinnehmen müssen. „Das dämpft die Nachfrage nach Wohneigentum und wird wohl auch zu einem temporären Druck auf die Preise für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser führen“, sagt Jungk. „Nach aktueller Informationslage ist aber nicht von drastischen Preiseinbrüchen auszugehen.“

Wie tief es abwärts gehen könnte, dazu will sich aktuell niemand äußern – noch sei es dafür viel zu früh. Ein Blick auf den bisher letzten Tiefpunkt vor gut elf Jahren könnte für ein wenig Orientierung sorgen: Ende 2008, als die Immobilienpreise infolge der Finanzkrise auf den Tiefpunkt gefallen waren, hatten sich Eigentumswohnungen gegenüber 2004 um zehn Prozent verbilligt, Ein- und Zweifamilienhäuser verloren etwa elf Prozent an Wert.

Bei den Mieten hingegen zeigte sich kaum Bewegung – sie erwiesen sich auch in der Krise als sehr stabil. „Die Erfahrungen in der Finanzkrise haben uns auch gelehrt, dass die Fluktuation bei Mietwohnungen gering blieb – wachsende Leerstände sind daher nicht zu erwarten“, ist Sabine Georgi daher überzeugt. Die Betriebswirtin ist Deutschland-Geschäftsführerin der Royal Institution for Chartered Surveyors (RICS), einem weltweiten Berufsverband von Immobilienprofis.

RICS-Deutschland-Chef Martin Eberhardt hält für die weitere Entwicklung von Mieten und Preisen deshalb für ausschlaggebend, in welchem Ausmaß sich die Bonität der Mieter eintrübe und ob die Maßnahmen der Politik zur Erhaltung von Arbeitsplätzen greifen würden. „Dass Menschen flächendeckend ihre Miete nicht werden bezahlen können, erwarten wir eher nicht“, sagt Eberhardt. „Der Staat wird viel tun, um das zu verhindern.“

Staatliche Hilfe für Mieter

Tatsächlich hat der Bundestag am Mittwoch ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die schlimmsten Härten verhindern soll: Kein Mieter soll infolge der Coronakrise seine Wohnung verlieren; wer nachweisen kann, dass er finanziell von der Covid-19-Pandemie so stark betroffen wurde, dass er die Miete zwischen dem 1. April und dem 30. Juni 2020 nicht zahlen kann, dem darf nicht sofort gekündigt werden.

Ob aber Vermieter in solchen Fällen auf staatliche Hilfe etwa in Form eines staatlichen Wohnfonds hoffen dürfen, ist offen.

Große börsennotierte Vermieter wie der Dax-30-Konzern Vonovia, die Deutsche Wohnen aus Berlin oder die LEG in Düsseldorf haben Kündigungen aufgrund von Zahlungsverzug bereits vorsorglich ausgeschlossen. Mieterhöhungen sind fürs Erste verschoben.

All das dürfte die Konzerne belasten – die Aktienkurse gaben bereits auf Monatssicht um knapp 20 Prozent nach. Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn versicherte indes im Gespräch mit dem Handelsblatt für sein Unternehmen, die Einnahmen seien stabil, mögliche Verluste hielten sich „in einem beherrschbaren Bereich“.

Schwere Zeiten für private Vermieter

Schlimmer könnte die Lage für private Vermieter werden. Sie könnten in „ernsthafte finanzielle Schieflage“ geraten, befürchtet der Eigentümerverband Haus und Grund. Ein nicht zu unterschätzendes Szenario: Immerhin werden 66 Prozent der Mietwohnungen in Deutschland von privaten Kleinvermietern angeboten.

Mehr als die Hälfte von ihnen vermieten nur eine einzige Mietwohnung. Zahlt der Mieter nicht mehr, trifft es jene hart, die noch ein Darlehen zurückzahlen müssen oder bei denen die Einnahmen Teil der Rente sind.

Einige denken offenbar schon über Verkauf nach und sondieren den Markt, berichtet Sven Keussen, Chef des Münchener Maklerhauses Rohrer. „Wir werden derzeit öfter gefragt, ob es jetzt nicht der richtige Zeitpunkt sei, um Gewinne zu realisieren.“

Vorerst dürfte das eine eher hypothetische Frage sein: Die meisten Kaufinteressenten werden erst einmal abwarten, wie sich Preise und Mieten entwickeln. Grossmann- & -Berger-Chef Seidel vermutet, „dass dies im zweiten oder dritten Quartal des Jahres der Fall sein wird“.