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CO2-Studie: Jeder zweite Dax-Konzern würde das Klima ruinieren

Viele Unternehmen geben sich ehrgeizige Klimaziele. Doch um die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen, reichen die häufig nicht aus, wie eine Auswertung der Dax-30 zeigt.

Derzeit mangelt es nicht an Alarmsignalen für mehr Klimaschutz. Erst am Montag vermeldete die Weltwetterorganisation (WMO) einen Rekordwert für die Menge an Treibhausgasen in der Atmosphäre – und verband die Vorlage der Zahlen mit einer ernüchternden Feststellung.

„Es gibt keine Anzeichen für eine Verlangsamung des Trends, geschweige von einem Rückgang der Treibhausgas-Konzentrationen“, so WMO-Generalsekretär Petteri Taalas. Und das trotz der vertraglichen Zusage von fast 200 Ländern auf der Erde, die CO2-Emissionen in den kommenden Jahrzehnten um mindestens 80 Prozent zu senken.

Immer mehr Unternehmen wollen deshalb mit gutem Beispiel vorangehen und setzen sich daher selbst ambitionierte Ziele, um ihren Beitrag zur globalen Erwärmung so gering wie möglich zu halten. Doch wie eine Auswertung des Beratungsunternehmens Right zeigt, reichen die Ziele häufig nicht aus, um die Erwärmung des Klimas auf deutlich unter zwei Grad Celsius im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten zu begrenzen.

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In der Studie, die am Mittwoch erschien und dem Handelsblatt vorab vorlag, haben die Right-Analysten die Klimaziele der 30 Dax-Unternehmen untersucht. Sie wollten wissen, inwieweit die Unternehmen mit ihren eigenen Vorgaben die spezifischen Sektorziele für einzelne Wirtschaftsbereiche einhalten, die die Internationale Energieagentur (IEA) auf Basis des Pariser Klimaabkommens berechnet hat.

Das Ergebnis: Nur in neun Fällen werden die Zielmarken der IEA unterschritten, darunter bei der Allianz, Continental und SAP. Fünf Unternehmen gaben in der Auswertung keine Ziele an, darunter Fresenius, Vonovia und Wirecard. Die 16 übrigen Dax-Konzerne liegen darüber, manche sogar deutlich – wie Covestro, Eon und RWE.

Für die Untersuchung haben die Forscher die Klimaziele der Konzerne in eine Zahl umgerechnet, die angibt, um wie viel Grad sich die Erde bis 2050 erwärmen würde, wenn jedes Unternehmen der Welt so emissionsintensiv wirtschaften würde wie das untersuchte Unternehmen. Die Basis für die Rechnung liefert die Bruttowertschöpfung des jeweiligen Konzerns, die in Bezug auf die Menge an ausgestoßenen Klimagasen gesetzt wird.

Allianz auf 1,5-Grad-Kurs

Im Fall der Allianz bedeutet das zum Beispiel: Würde jedes Unternehmen so emissionsintensiv arbeiten wie der Münchener Versicherungskonzern zurzeit, würde sich die Erde bis 2050 um 3,23 Grad erwärmen. Hält die Allianz hingegen bis dahin ihre selbst gesteckten Klimaziele ein, betrüge die Erwärmung nur noch 1,5 Grad Celsius – und damit sogar rund 1,3 Grad weniger, als es die Berechnungen der IEA vorsehen würden. Der Versicherer ist damit Spitzenreiter in der Gruppe der Dax-Konzerne.

Am anderen Ende steht RWE. Wegen seiner vielen Kohlekraftwerke gilt der Energiekonzern als größter CO2-Emittent in Europa. Laut der Auswertung würde sich die Erde um 13,8 Grad erwärmen, wenn jedes Unternehmen so wirtschaften würde wie RWE. Zwar sollen die Klimaziele des Versorgers den Wert auf 9,5 Grad begrenzen. Doch damit ist RWE noch weit entfernt von den rund 5,2 Grad, die Right auf Basis der branchenspezifischen IEA-Sektorziele errechnet hat.

Hannah Helmke, Gründerin von Right und Mitautorin der Studie, sagte im Gespräch mit dem Handelsblatt: „Es gibt nur sehr wenige Unternehmen wie SAP und Continental, die Klimaschutz als entscheidendes strategisches Thema für die Zukunft betrachten.“ Doch das werde angesichts der Dringlichkeit des Themas immer wichtiger. „Auch für Investoren, die zum Teil ihre Anlageentscheidungen von der Klimafreundlichkeit eines Geschäftsmodells abhängig machen.“

Zu den Kunden von Right gehören die Firmen teils selbst, aber auch Finanzdienstleister und politische Institutionen und Organisationen, die sich für die Klimafreundlichkeit von Unternehmen interessieren. 16 der 30 Dax-Konzerne haben im Vorfeld an der Studie mitgewirkt, um ihre Klimaziele transparent und für die Forscher nachvollziehbar zu kommunizieren.

Ansonsten dienten die Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichte sowie Veröffentlichungen im Rahmen des Carbon Disclosure Project (CDP) als Grundlage, die mit konkreten Maßnahmen hinterlegt wurden. Nicht berücksichtigt wurden Absichtserklärungen, die bloß vage Ziele enthalten – weshalb etwa der Sportkonzern Adidas, der zu den klimaschonendsten Unternehmen im Dax zählt und seine Emissionen bis 2050 auf null senken will, nicht mit konkreten Zielen berücksichtigt wurde.

„Viele Unternehmen suchen noch nach verlässlichen Standards, um ihren Beitrag zur Erderwärmung quantifizierbar zu machen“, sagte Helmke. „Im Moment lassen sich die Daten und Ziele verschiedener Unternehmen nur mit großem vorherigem Aufwand vergleichen. Dabei ist der Bedarf sehr groß.“

Hinzu kommt die Komplexität der verschiedenen Emissionskategorien. So wird der CO2-Ausstoß der Unternehmen typischerweise in drei verschiedene Klassen eingeteilt, die sich als direkte („Scope 1“) und indirekte Emissionen („Scope 2“ und „Scope 3“) unterscheiden lassen. Direkte Emissionen entstehen dabei beispielsweise in der eigenen Produktion.

Scope-2-Emissionen entstehen in der vorgelagerten Wertschöpfungskette, etwa bei Lieferanten. Scope 3 bezieht sich auf die nachgelagerte Wertschöpfungskette, beispielsweise durch die Nutzung der hergestellten Produkte – dieser Wert ist bei den Autoherstellern üblicherweise besonders hoch, während sich deren direkte Emissionen eher in Grenzen halten.

Für die Analyse haben die Forscher von Right alle Emissionstypen berücksichtigt. Und dabei festgestellt, dass die meisten Dax-Unternehmen inzwischen eine klare Vorstellung hätten, wie sie ihren Beitrag zur Erderwärmung reduzieren könnten, so erklärte Helmke. „Doch häufig fehlt diese Vorstellung noch bei den indirekten Emissionen, also bei der Betrachtung über die gesamte Wertschöpfungskette – von den Lieferanten bis zur Nutzung der eigenen Produkte durch den Kunden.“

Manche haben es schwerer als andere

Immerhin: Betrachtet man allein die direkten Emissionen, verfehlen bloß noch zwei Unternehmen das Zwei-Grad-Ziel deutlich – nämlich Eon mit einer Differenz von rund drei Grad zum Zielwert und RWE mit einer Differenz von rund 6,6 Grad.

Firmen wie RWE, aber auch Heidelberg Cement (plus 3,3 Grad Abweichung gesamt) und die Lufthansa (minus 0,3 Grad), stehen hier vor einer besonderen Herausforderung: Sie müssen ein Geschäftsmodell, das teilweise oder ganz auf dem Ausstoß von CO2 basiert, in den kommenden Jahrzehnten umstellen – oder ihren Footprint anderweitig reduzieren.

Ein Weg, den die Unternehmen dabei gehen können, sind Kompensationsleistungen, wie beispielsweise das Pflanzen eines Waldes oder das Beziehen von Grünstrom-Zertifikaten. Allerdings seien die Ressourcen für solche Kompensationen, etwa das verfügbare Land oder der produzierte Grünstrom, endlich, so Helmke.

„Je mehr Unternehmen sich für einen solchen Weg entscheiden, desto höher steigen die Kompensationskosten.“ Betriebswirtschaftlich nachhaltiger sei es daher, „die eigene Wertschöpfung vom CO2-Ausstoß zu entkoppeln“, so die Forscherin.

Ein Beispiel für ein komplett neues Geschäftsmodell liefern hingegen die deutschen Stahlhersteller, die nach dem Dax-Abstieg von Thyssen-Krupp nicht mehr im größten deutschen Aktienindex vertreten sind. Sowohl der Essener Industriekonzern als auch die Konkurrenten Salzgitter und Arcelor-Mittal sehen im Umstieg auf Wasserstoff eine Alternative zu bisher kohlebasierten Produktionsverfahren – mit möglichen CO2-Einsparungen von bis zu 95 Prozent.