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China zeigt eine neue Scheu vor Investitionen in Deutschland

Immer weniger chinesische Investoren steigen bei deutschen Unternehmen ein. Speziell in einem Bereich wollen Experten aber noch nicht entwarnen.

Der Roboterhersteller Kuka ist seit 2016 in chinesischer Hand. Foto: dpa
Der Roboterhersteller Kuka ist seit 2016 in chinesischer Hand. Foto: dpa

Der große Schock kam 2016, als die chinesischen Unternehmensgruppe Midea den Roboterhersteller Kuka übernahm. Der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, den Verkauf des Hochtechnologieunternehmens nach Fernost zu verhindern, schließlich stehen in fast jeder Autofabrik die charakteristischen Industriemaschinen mit den knubbeligen Greifarmen. Doch alle Bemühungen waren vergebens – seit 2016 ist das Hochtechnologieunternehmen in chinesischer Hand.

Die Übernahme war ein Schlüsselerlebnis für die Bundesregierung und fand ausgerechnet in dem Jahr statt, in dem die chinesischen Direktinvestitionen ihren vorläufigen Höhepunkt erreichten: 309 Unternehmensauf- oder -zukäufe tätigten chinesische Investoren in dem Jahr – so viel wie noch nie zuvor. Seitdem ist die Beschränkung chinesischer Investitionen eines der Lieblingsthemen deutscher Wirtschaftsminister.

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Kein Superlativ schien groß genug, um vor der neuen chinesischen Gefahr zu warnen. Selbst der eher vorsichtige Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach noch im Juni von einem „Ausverkauf“ deutscher Technologieunternehmen.

Auch Politiker aus Frankreich und Großbritannien witterten eine gezielte Strategie der Chinesen und munitionierten sich. Im Dezember 2018 verschärfte die Bundesregierung die Außenwirtschaftsverordnung. Seitdem kann die Bundesregierung schon dann genauer hinschauen, wenn ein ausländischer Investor einen Anteil an einem deutschen Unternehmen erwerben will.

Doch inzwischen scheint die Gefahr des großen Ausverkaufs deutlich geschrumpft, wie die neuesten Zahlen der Beratungsfirma EY zeigen. Vor allem in Deutschland gingen die Investitionen der Chinesen massiv zurück – von 10,1 Milliarden Dollar im ersten Halbjahr 2018 auf nur noch 500 Millionen Dollar. Die absolute Zahl der Zukäufe und Beteiligungen hat sich mit elf Transaktionen mehr als halbiert.

Auch europaweit schrumpfte das fernöstliche Engagement um überraschende 84 Prozent – von 15,3 auf nur noch 2,4 Milliarden Dollar. Bereits 2018 waren die chinesischen Direktinvestitionen in Europa stark gesunken.

Der deutliche Rückgang wird auch in der Bundesregierung registriert. Den Eindruck, dass man selbst mit Gesetzesverschärfungen dazu beigetragen haben könnte, versucht man zu zerstreuen. „Die Anzahl der Investitionen unterliegt grundsätzlich Schwankungen“, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. „Deutschland ist ein attraktiver Standort für Investitionen und eine der offensten Volkswirtschaften der Welt.“ Daran habe sich durch die Anpassung der Außenwirtschaftsverordnung Ende letzten Jahres nichts geändert.

Auch wenn sich Peking gerne und oft über die verschärften Bedingungen für ausländische Investitionen beschwert – die Skepsis der europäischen Regierungen und die neuen Regeln dürften kaum die alleinige Ursache für den starken Rückgang der chinesischen Übernahmen sein, schließlich zeigt sich der Trend schon länger.

Handelsstreit schlägt durch

„Der Hauptgrund für die Zurückhaltung der chinesischen Investoren ist die Situation auf dem chinesischen Heimatmarkt: Die konjunkturelle Lage in China ist schwierig, die Unsicherheit groß – nicht zuletzt aufgrund des US-chinesischen Handelskonflikts“, sagt Yi Sun, China-Expertin bei EY.

Bernhard Bartsch, China-Experte der Bertelsmann Stiftung, ergänzt: „Entscheidend ist sicher, dass die Unsicherheit für chinesische Unternehmen gleich an mehreren Fronten zugenommen hat: Die Konjunkturaussichten sind schlechter geworden – in China, aber auch in Deutschland und Europa.“

Tatsächlich schlägt der Handelsstreit inzwischen immer stärker auf die Wirtschaft in der Volksrepublik durch. Im Juli meldete das chinesische Statistikamt, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von April bis Juni nur um 6,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zugelegt hat. Es war das geringste Wachstum seit mindestens 27 Jahren, als China seine Wirtschaftsdaten zum ersten Mal veröffentlichte.

Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung bei den Auslandsinvestitionen sei, so Yi Sun, dass einige der chinesischen Unternehmen, die in der Vergangenheit in Europa sehr aktiv waren, derzeit entweder mit der Integration der erworbenen Firmen oder mit dem Weiterverkauf beschäftigt seien. Peking selbst wies chinesische Unternehmen schon nach den hohen Direktinvestitionen im Jahr 2016 an, von „irrationalem“ Investment im Ausland Abstand zu nehmen.

Tatsächlich waren die großen chinesischen Investitionen häufig aus Sicht von Peking alles andere als Erfolgsgeschichten. Seit der Übernahme durch Midea schwächelt Kuka, andere Einstiege bei großen deutschen Firmen sorgten vor allem politisch für Ärger. So war der Einstieg des chinesischen Autokonzerns Geely bei Daimler umstritten. Beim Energienetzbetreiber 50Hertz hatte die Bundesregierung den Einstieg eines chinesischen Staatsunternehmens gar mithilfe der KfW-Bank verhindert.


Das sind die Gründe für den Rückgang

„Die Chinesen sind inzwischen als Käufer deutlich preissensitiver geworden, als das noch vor ein, zwei Jahren der Fall war“, hat Dirk Albersmeier, europäischer Co-Chef Fusionen und Übernahmen bei JP Morgan, beobachtet. „Es ist ein größerer Realitätssinn eingekehrt, und es wird diszipliniert geboten.“ In vielen Fällen kämen andere Bieter zum Zug, die mehr bezahlen.

„Der Rückgang der chinesischen Investitionen in Deutschland hat mehrere Gründe: Zum einen sind diese Investitionen in der Vergangenheit nicht immer rentabel gewesen, so dass die Chinesen genauer darauf schauen, ob und wo sie investieren“, sagt auch Jörg Rocholl, Präsident der Businessschule ESMT Berlin. Zum anderen sorgten der zunehmende globale Handelsstreit und die Verschärfung der Investitionsbedingungen in Deutschland für ein deutlich unfreundlicheres Investitionsumfeld.

Nicht nur Deutschland, auch die EU und die USA hatten ihre Regeln für ausländische Investitionen angezogen. „Auch wenn keine dieser Regelungen spezifisch für chinesische Investitionen gilt, so hat das Bündel der Maßnahmen doch zur Folge, dass die Komplexität und Prozessrisiken für chinesische Auslandsinvestitionen signifikant gestiegen sind“, sagt Thomas Gilles, Corporate/M & A Partner und Chair der EMEA-China Group von der Kanzlei Baker McKenzie.

Die Flaute bei den Deals mit chinesischer Beteiligung verschärft den Abschwung im weltweiten Geschäft mit Fusionen und Übernahmen (M & A). Laut dem Analysehaus Refinitiv sank das globale Transaktionsvolumen von Januar bis August um 15 Prozent auf 2,33 Billionen Dollar. Bei den grenzüberschreitenden Firmenkäufen gab es im Deutschlandgeschäft ein Minus von 62 Prozent, in Europa betrug der Rückgang 61 Prozent. Neben dem Rückzug der Chinesen macht sich auch der geplante Brexit negativ bemerkbar, der für weniger Zukäufe in Großbritannien sorgt.

Doch trotz des massiven Rückgangs der chinesischen Direktinvestitionen in Europa – Entwarnung gibt es noch nicht.

Gefahr des technologischen Ausverkaufs

Die Gefahr des technologischen Ausverkaufs, von der Bundeswirtschaftsminister Altmaier und andere immer wieder sprechen, sie ist laut Experten nicht gebannt. Marktbeobachter bestätigen, dass innovative Unternehmen noch immer im Fokus der Chinesen stehen. Großes Interesse herrsche in China an Umwelttechnologie, E-Mobilität, aber auch Entwicklungen im Drohnenbereich oder der Solartechnik, sagt Huanping Zhang, Geschäftsführer des Beraters Eurasian Consulting.

„Auch wenn China sich in den vergangenen Monaten sehr bemüht zeigt, den Sorgen der Europäer entgegenzuwirken, etwa indem es den Slogan „Made in China 2025“ aus der Öffentlichkeit verschwinden lässt: Es gibt keine Anzeichen, dass sich an Pekings industriepolitischen Ambitionen etwas geändert hat“, so Bernhard Bartsch von der Bertelsmann Stiftung. „Dazu gehört auch, dass China in wichtigen Branchen, in denen deutsche Firmen traditionell stark sind, eine globale Führungsrolle übernehmen will, und zwar möglichst unabhängig von deutschen Technologiezulieferungen.“

Die Made-in-China-2025-Strategie soll das Land technologisch an die Weltspitze bringen. In bestimmten Schlüsselbereichen sollen die Unternehmen aus der Volksrepublik ihre Konkurrenten überflüssig machen.