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Bundesregierung könnte erstmals eine chinesische Übernahme unterbinden

Die Bundesregierung hat bislang noch keine Investition eines chinesischen Investors verboten. Das könnte sich im Fall des Mittelständlers Leifeld ändern.

Hubert Lienhard ist häufig zu Gast in China. Der Vorsitzende des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (APA) sieht die enormen Chancen, die sich für deutsche Unternehmen in dem Riesenreich auftun. Doch Lienhard, der Kanzlerin Angela Merkel derzeit bei deren Chinareise begleitet, warnt zugleich auch vor Naivität im Umgang mit dem mächtigen Partner.

„Peking muss Wettbewerbsgleichheit für ausländische Unternehmen herstellen“, sagte Lienhard am Donnerstag. Das Land müsse „die Asymmetrien im Marktzugang konsequent abbauen“, fordert der langjährige Chef des Voith-Konzerns, der in diesem Frühjahr in den Gesellschafterausschuss des Heidenheimer Maschinen- und Anlagenbauers wechselte. Die deutsche Industrie erwarte von China „eine Zeitenwende von einer selektiven zu einer umfassenden Öffnung mit der Gleichbehandlung ausländischer Unternehmen“.

Lienhard bringt auf den Punkt, was Politik und Wirtschaft in Deutschland seit Monaten umtreibt: Während chinesische Unternehmen in EU-Staaten und dabei insbesondere in Deutschland freie Bahn haben und massiv in Unternehmen investieren, haben es ausländische Unternehmen in China in einer Reihe von Branchen immer noch schwer.

Doch nun könnte es zu einem Kurswechsel kommen. Die Bundesregierung scheint nicht länger bereit zu sein, jedes Investitionsvorhaben chinesischer Unternehmen durchzuwinken. Der Maschinenbauer Leifeld könnte dabei zum Präzedenzfall werden. Das Unternehmen aus dem westfälischen Ahlen steht bei einem chinesischen Investor auf der Einkaufsliste. Das Bundeswirtschaftsministerium, das den Einstieg des Investors nach den Regeln der Außenwirtschaftsverordnung prüft, ist skeptisch. Es handele sich um eine „haarige Prüfung“, der Fall sei schwierig, heißt es in Regierungskreisen.

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Es sei nicht auszuschließen, dass man erstmals den Einstieg eines Investors nach der Außenwirtschaftsverordnung versagen müsse. Noch sei aber alles offen, heißt es weiter. Allerdings gebe es bei Leifeld gleich „mehrere Problembereiche“.

Erst kürzlich war nach langem Ringen die Übernahme des Airbus-Zulieferers Cotesa aus Sachsen durch einen chinesischen Staatskonzern erlaubt worden. In den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung sind die Aktivitäten chinesischer Investoren vor zwei Jahren geraten, als der chinesische Midea-Konzern beim Augsburger Maschinenbauer Kuka eingestiegen war.

Leifeld könnte somit zu einer Belastung der deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen werden. Die Investitionsprüfung nach der Außenwirtschaftsverordnung galt bislang als eine Waffe, die man zwar gerne präsentierte, aber nicht einsetzte. Die Exportnation Deutschland profitiert wie kaum ein anderes Land der Erde von freien Märkten. Schon der zarteste Versuch der Abschottung des eigenen Landes vor Investitionen aus dem Ausland könnte verheerende Folgen haben, so die Befürchtung der Politik.

Eigentlich sind die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und Deutschland sehr gut. Kein Land der Welt ist so ein wichtiger Handelspartner für die Bundesrepublik wie die Volksrepublik China. 2017 importierte Deutschland chinesische Waren im Wert von 100,5 Milliarden Euro. Im Gegenzug lagen die Exporte deutscher Firmen nach China bei 86,2 Milliarden Euro. Auch deswegen drängen chinesische Investoren stärker in die Bundesrepublik.

Doch genau das wird zunehmend zum Streitpunkt. In Deutschland nimmt die Sorge über strategische Firmenkäufe zu. Im vergangenen Juli wurde die Außenwirtschaftsverordnung verschärft, um den Beamten des Bundeswirtschaftsministeriums mehr Entscheidungsspielraum bei der Prüfung chinesischer Übernahmen einzuräumen. Einer der Auslöser der Verschärfung war der Einstieg von Midea bei Kuka.

Zusätzliche Brisanz hat das Thema gewonnen, seit chinesische Staatsunternehmen auch nach kritischer Infrastruktur greifen. So unternimmt der chinesische Stromnetzbetreiber State Grid Corporation of China (SGCC) derzeit bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate den Versuch, sich einen 20-Prozent-Anteil an dem Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz zu sichern, der in Deutschland einen Teil des Höchstspannungsnetzes betreibt.

Damit liegt der geplante Einstieg der Chinesen zwar unter der Schwelle von 25 Prozent, ab der die Außenwirtschaftsverordnung Anwendung findet. Doch die Politik ist dennoch alarmiert. „Wir sind an chinesischen Investitionen interessiert. Das gilt allerdings nicht für Investitionen in kritische Infrastruktur“, heißt es in Regierungskreisen.

Altmaier will Gesetz verschärfen

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hatte bereits zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt, die Außenwirtschaftsverordnung novellieren zu wollen. Er sei „der Auffassung, dass wir strategisch wichtige Investitionen, etwa in sicherheitsrelevanten Bereichen oder wenn es um kritische Infrastruktur und Schlüsseltechnologien geht, daraufhin prüfen müssen, inwieweit sie mit nationalen Interessen in Einklang stehen“, hatte Altmaier gesagt. Wie das Instrumentarium der Außenwirtschaftsverordnung nachgeschärft werden könnte, hat der Minister bislang offengelassen. Einfache Lösungen sind nicht in Sicht. Eine schlichte Absenkung von Schwellenwerten würde wenig Sinn ergeben, da Investoren viel Fantasie entwickeln, um Schwellenwerte und Meldepflichten zu umgehen.

Falls Berlin den Einstieg eines chinesischen Unternehmens bei Leifeld stoppen sollte, hätte das nach Einschätzung von Mikko Huotari, der das Programm Internationale Beziehungen am Berliner China-Forschungsinstitut Merics leitet, weitreichende Konsequenzen. „Wenn eine Übernahme untersagt werden sollte, würde China das als Provokation auffassen.“

Schon die Verschärfung der Außenwirtschaftsverordnung im vergangenen Sommer war von Peking als eine Einschränkung für chinesische Investoren interpretiert worden. Die Absage einer Übernahme würde den Eindruck verschärfen. „Peking würde Deutschland dann in ein Lager mit den USA stecken, die schon seit längerer Zeit chinesische Übernahmen sehr kritisch prüfen“, sagt Huotari. „Auch wenn Deutschland das nicht beabsichtigt, in China würde eine solche Entscheidung als eine Verschlechterung des Investitionsklimas aufgefasst werden.“

Unter den deutschen und europäischen Firmen in China wird das Thema seit Jahren heiß diskutiert. Unter dem ehemaligen Präsidenten der EU-Handelskammer in Peking, Jörg Wuttke, positionierte sich die europäische Wirtschaft mit der Forderung nach einer klaren Marktöffnung in China und einer deutlichen Kritik an staatlich gestützten Übernahmen in Europa.

Ein Nein zu einer chinesischen Übernahme würde ein klares Signal senden, sagt Wuttke: „Wir wollen keine Verstaatlichung der deutschen Industrie durch die Hintertüre.“ Hingegen seien klare, von wirklichen unternehmerischen Entscheidungen getriebene Deals in Deutschland sehr willkommen. Wuttke dreht das Argument um: „Die europäische Wirtschaft würde sich in vielen Branchen wünschen, in ähnlicher Form geprüft zu werden. Doch das findet nicht statt, weil wir schlicht von vielen Sektoren ausgesperrt sind.“ In China gebe es eine mit Subventionen gestützte Industriepolitik. Daraus resultierende Übernahmen sollten deutsche Behörden genau überprüfen, fordert Wuttke.

Niemand verstehe eine staatliche Prüfung von internationalen Investitionen besser als Peking, argumentiert der ehemalige Kammerpräsident. Schließlich müssten sich chinesische Firmen internationale Investments oftmals vorher von Pekinger Behörden genehmigen lassen. „Auf diese Art werden auch viele Investitionen in Deutschland verhindert“, sagt Wuttke. Peking könne bei vielen Deals entscheiden, ob sie zugelassen werden oder nicht.

Auch EU prüft Hürden

Nicht nur auf deutscher, sondern auch auf europäischer Ebene könnten bald chinesische Übernahmen genauer geprüft werden. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat einen entsprechenden Verordnungsvorschlag vorgelegt, der ein einheitliches Prüfverfahren in allen EU-Staaten ermöglichen soll. „Wir sind keine naiven Freihändler. Europa muss immer seine strategischen Interessen verteidigen“, hatte Juncker den Schritt begründet.

Derzeit wird um die Details des Vorhabens gerungen. Die Vereinheitlichung der Prüfverfahren und Ausweitung der Möglichkeiten auf EU-Ebene gehen maßgeblich auf deutsche Initiative zurück. In der vergangenen Legislaturperiode hatte die damalige Bundesregierung entsprechende Vorschläge eingebracht und mit Unterstützung von Frankreich und Italien vorangetrieben.

Zwischenzeitig gab es starken Widerstand gegen das Vorhaben, insbesondere aus Staaten in Osteuropa, die ihre Wirtschaftskontakte zu China deutlich ausbauen wollen. Doch Merics-Experte Huotari ist überzeugt: „Ich gehe davon aus, dass es eine Mehrheit geben wird.“

Am heutigen Freitag hat Kanzlerin Angela Merkel noch reichlich Gelegenheit, die deutsche Sicht auf die Dinge zu erklären. Sie fliegt am Vormittag nach Shenzhen im Südosten Chinas. Dort trifft sie Vertreter von Partei und Wirtschaft. Es gibt reichlich Raum für Gespräche. Die Wettbewerbsbedingungen dürften dabei wieder auf den Tisch kommen.