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Bulgarien gibt im Kampf um Volkswagen-Werk nicht auf

Bulgarien hat das Rennen mit der Türkei als Standort für das neue VW-Werk verloren. Das EU-Land ist frustriert und erwartet nun Unterstützung aus Brüssel.

Bulgarien bemüht sich trotz der Gründung einer Tochtergesellschaft von Volkswagen in der Türkei, die als weiterer Schritt in Richtung des Baus eines VW-Werkes gilt, weiter um den Wolfsburger Autobauer: „Wenn die Ansiedlung des VW-Werkes nicht klappt, bieten wir ein Grundstück für die Herstellung von Batteriezellen oder Software an“, sagte Rossen Plewneliew, Bulgariens früherer Staatspräsident und Ehrenvorsitzender des Automotive Cluster Bulgarien, dem Handelsblatt.

„Wir hoffen, mit Volkswagen für ein Zulieferwerk ins Geschäft zu kommen. Das wäre ein Ausgleich aus unserer Sicht.“ Plewneliew verweist darauf, dass im ärmsten Land der EU bereits SAP, Bosch und Mercedes-Benz Software entwickeln lassen. „Wir sind sehr weit mit Volkswagen gekommen. Es darf nicht sein, dass der Sieger Türkei alles bekommt und der Verlierer Bulgarien nichts“, sagte der ehemalige Staatschef.

Auch wenn es noch keinen Aufsichtsratsbeschluss des weltgrößten Autobauers gibt, so zeichnet sich doch eine Entscheidung zugunsten der Türkei seit Wochen ab. „Wir sind in der finalen Phase der Verhandlungen mit der Türkei und unserer Entscheidungsfindung“, sagte ein VW-Sprecher auf Anfrage.

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In dem neuen Werk in Manisa in der Nähe der westtürkischen Hafenstadt Izmir sollen unter anderem die neuen Modelle Passat und Skoda Superb gebaut werden. VW will in das Werk rund eine Milliarde Euro investieren. Mit geplanten 4000 Mitarbeitern sollen ab 2022 jährlich 300.000 Autos produziert werden. Volkswagen hat dazu bereits eine Tochterfirma in Manisa gegründet und sie mit einem Kapital von rund 150 Millionen Euro ausgestattet.

Die sich abzeichnende Standortentscheidung zugunsten der Türkei frustriert unterdessen nicht nur Bulgarien, sondern den Balkan mit seinen insgesamt 80 Millionen Einwohnern insgesamt. Die südosteuropäischen Länder brauchen dringend Arbeitsplätze in Industrie und Technologie, um eine weitere Abwanderung der Jungen und Qualifizierten zu stoppen.

„Auf dem gesamten Balkan ist die Enttäuschung über VW groß“, sagte Plewneliew dem Handelsblatt. „Die Länder achten sehr genau darauf, wohin die Investitionen fließen. Immer wieder kritisieren westeuropäische Politiker die mangelnde Rechtstaatlichkeit auf dem Balkan. Doch bei Investitionsentscheidungen wie der von VW für die Türkei spielt am Ende nur das Geld eine Rolle“, sagte Plewneliew, der bis 2017 Staatsoberhaupt Bulgariens war.

„Das schwächt auch die deutschen Politiker mit ihrer Forderung nach mehr Rechtsstaatlichkeit in den Balkan-Ländern“, ist sich Plewneliew sicher. „Erdogan hält sich nicht an die europäischen Regeln. Tausende sitzen in den Gefängnissen. Nun wird er mit einer Milliardeninvestition aus Deutschland unterstützt.“

Der Produktionsvorstand der Marke VW, Andreas Tostmann, verteidigte die Entscheidung gegen Kritiker: „Wir gehen davon aus, dass wir unsere Standards in der Türkei einhalten können, bezogen sowohl auf die Qualität der Produkte als auch auf Mitbestimmung der Arbeitnehmer sowie auf die Wahrung der Menschenrechte in den Bereichen, die wir direkt beeinflussen können“, sagte Tostmann in der vergangenen Woche. Wann die entscheidende Aufsichtsratssitzung von Volkswagen sein wird, wollte ein VW-Sprecher auf Anfrage nicht sagen. Ein Abschluss mit der Türkei wird noch im Oktober erwartet.

Bulgarien hofft auf Vestager

Die Autoindustrie zählt in Bulgarien, dem Armenhaus der EU, zu einem der wenigen boomenden Sektoren. Nach Angaben des Automobilverbandes Automotive Cluster Bulgarien erwirtschaften 65.000 Beschäftigte in 220 Produktionsstätten einen Umsatz von fünf Milliarden Euro. Zu den bekanntesten Investoren zählen Automobilzulieferer wie Magna, Grammer, Festo oder Kostal. Im Land werden beispielsweise Software für Mercedes-Benz oder Bremsen für Porsche produziert. Derzeit erwirtschaftet Bulgarien nach Branchenangaben rund zehn Prozent seines Bruttoinlandsprodukts mit der Autoindustrie.

Plewneliew, der 55-jährige Gründer des bulgarischen Autobranchenverbandes, gibt sich weiter kämpferisch. In den vergangenen Wochen haben der Verband und die Regierung in Sofia nichts unversucht gelassen, den Druck auf Volkswagen zu erhöhen. Auch in Berlin wurden die Bulgaren vorstellig. Doch außer schönen Worten gab es im Bundeskanzleramt nichts abzuholen. „Berlin hat stets betont, es sei eine wirtschaftliche Entscheidung“, berichtet Plewneliew enttäuscht.

Die Bulgaren erwarten nun Unterstützung von der EU-Kommission mit der liberalen Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. „Die Türkei verspricht beispielsweise, 40.000 Autos zu kaufen. Das Land hält sich nicht an die Subventionsregeln. Das ist in der EU nicht möglich. Das war ein ungleicher Kampf. Volkswagen müsste eigentlich für einen fairen Wettbewerb eintreten“, kritisiert Plewneliew. „Die VW-Entscheidung schwächt die Europäische Union.“

Kommissarin Vestager solle sich einmischen, um einen fairen Wettbewerb mit der Türkei zu garantieren. Unterstützung erhalten die Bulgaren vom konservativen Europa-Politiker Manfred Weber (CSU). Er hatte in der vergangenen Woche einen Brief an Vestager geschrieben und darauf gedrängt, die Vereinbarungen zwischen VW und der Türkei genau zu prüfen, um einen „unfairen Wettbewerb“ zu verhindern, der Arbeitsplätze in Europa zerstört.

Das EU-Land hatte ursprünglich gehofft, grünes Licht vom Land Niedersachen und dem VW-Betriebsrat für den Standort bei Sofia für das neue VW-Werk zu erhalten. Doch beide favorisieren offenbar die Türkei. Deshalb sitzt die Enttäuschung in Sofia tief. „Es ist für uns sehr fragwürdig, dass sich der niedersächsische Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil sowie der VW-Betriebsrat ausgerechnet für ein Werk in der Türkei so stark engagieren“, sagt Plewneliew. Man habe gehofft, dass der sozialdemokratische Politiker Weil Einfluss zugunsten von Bulgarien auf den Vorstand nehmen würde. Das Land Niedersachsen hält 11,8 Prozent der Aktien an der Volkswagen AG.

Bulgarien bietet VW ein großes Industrieareal außerhalb der Hauptstadt Sofia in der Nähe des Flughafens an. Das frühere Gelände eines Stahlwerks gehört der bulgarischen First Investment Bank und der österreichischen Immobilienfirma Soravia. Bulgariens Ministerpräsident Bojko Borissow versprach Volkswagen zu zeigen, dass er der „loyalste Partner des weltgrößten Giganten der Automobilindustrie“ sein werde. Der konservative Premier verwies auf die guten Standortbedingungen für deutsche Investoren und sehr niedrige Steuern.