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Warum es in der Brillen-Ehe zwischen Luxottica und Essilor kracht

Luxottica-Gründer Leonardo Del Vecchio hat einen Streit mit dem Fusionspartner Essilor angezettelt. Es geht um Governance und das Erbe des Patriarchen.

Es war die Krönung seines Lebenswerks, ein Milliardendeal. Im Mai 2017 wurde in Paris eine Firmenhochzeit der Superlative gefeiert: Essilor, der französische Spezialist für Brillengläser, und Luxottica, der weltgrößte Brillenhersteller aus Italien, fusionierten zu einem Giganten in der Branche. Zusammen kommen die beiden Unternehmen auf einen Börsenwert von rund 50 Milliarden Euro.

Da war Leonardo Del Vecchio 81. Lange, mehr als vier Jahre, hatte der Luxottica-Gründer an dem Deal gearbeitet. Denn der Zusammenschluss bedeutete nicht nur weiteres Wachstum auf dem Weltmarkt, sondern auch Aufgabe von Souveränität.

Der Vertrag wurde unterzeichnet, und im paritätisch mit Italienern und Franzosen besetzten Verwaltungsrat wurde Del Vecchio Präsident und Vorstandschef des neuen Kolosses und blieb mit 32,5 Prozent des Kapitals und einem Stimmrecht von 31 Prozent Hauptaktionär. Der Essilor-Chef Hubert Sagnières begnügte sich mit dem Posten des Exekutiv-Vizepräsidenten.

Streit um Nachfolge

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Doch jetzt hat es gekracht in der Brillen-Ehe. So heftig ist der Streit zwischen Italienern und Franzosen eskaliert, dass Del Vecchio, der in Italien im venezianischen Dialekt der „patron“ genannt wird, die Internationale Handelskammer angerufen hat, um zu schlichten. Es geht um die Nachfolge.

Del Vecchio will seinen Vertrauten, den Vizepräsidenten Francesco Milleri, als Vorstandschef einsetzen, die Franzosen wollen einen anderen Manager. Der Alte sei voller Energie, sagen die Manager in seinem Umfeld. Und gewohnt, dass das getan wird, was er will.

„Das Abkommen von 2017 ist verletzt worden“, steht in dem Schreiben an die Internationale Handelskammer. Es habe der Respekt gegenüber den Verpflichtungen zu loyaler Zusammenarbeit in gutem Glauben gefehlt. Absender ist Delfin, die Familienholding mit Sitz in Luxemburg, in der Del Vecchio sein Vermögen hat. Er ist nach Giovanni Ferrero der zweitreichste Mann in Italien, „Forbes“ schätzt sein Privatvermögen auf 19,8 Milliarden US-Dollar.

„Seit der ersten Hauptversammlung der neuen Gruppe am 29. November hat sich Sagnières so verhalten, als hätte Essilor Luxottica übernommen“, sagte Del Vecchio in einem Interview. Und: „Sagnières akzeptiert nur, wen er vorschlägt.“ Der wiederum beklagt sich, dass Del Vecchio die Kontrolle übernehmen wolle, ohne den Aktionären einen Preis zu zahlen. Die Anklagen seien „schwerwiegend und falsch“, schrieb er in einem offenen Brief, den der „Figaro“ veröffentlichte.

Der Streit kann sich in die Länge ziehen. Es kann bis zu zwei Jahre dauern, bis die Internationale Handelskammer entscheidet. Doch der „patron“ hat bisher immer seinen Kopf durchgesetzt. Er ist einer der letzten Vertreter des legendären italienischen Familienkapitalismus. Wie Silvio Berlusconi hat er allein ein Imperium geschaffen. Nur hat er im Gegensatz zum Medienmogul tatsächlich eine Tellerwäscher-Karriere all’italiana gemacht.

Die Zentrale von Luxottica steht in Agordo, einem 4.000-Seelen-Dorf im Veneto. Im Kreis Belluno ist der italienische Industriedistrikt für Brillen angesiedelt, der in puncto Wachstum und Rendite an der Spitze aller Industriedistrikte liegt. Dort gründete der in Mailand geborene Del Vecchio 1961 das Unternehmen.

Aufgewachsen war der jüngste von vier Brüdern im Waisenhaus, denn der Vater, ein Obstverkäufer, war vor seiner Geburt gestorben und die Mutter überfordert. Er machte eine Lehre als Graveur. In Agordo startet er mit zehn Angestellten und fertigt Brillengestelle. Erst arbeitet er als Zulieferer für andere, ab 1971 entwickelt er seine eigene Kollektion. Dann arbeitet er mit Giorgio Armani zusammen, mit Chanel, Bulgari, Moschino, Byblos und Ungaro. Das Unternehmen wächst.

Ende der Neunzigerjahre geht Del Vecchio auf internationale Shoppingtour und kauft die Marken Persol, Vogue und Ray Ban und danach Ketten wie Lenscrafters und Sunglass Hut auf. 1990 geht Luxottica an die Wall Street, 2000 an die Mailänder Börse. Vor der Firmenzentrale steht ein überdimensional großes Brillengestell einer klassischen Wayfarer. Luxottica ist in mehr als 150 Ländern präsent. Aus den zehn Angestellten wurden rund 82.000.

Umstrittener Managementstil

Zum Imperium Del Vecchios gehören zahlreiche Besitztümer und Beteiligungen wie Foncière des Régions und die Immobiliengruppe Beni Stabili. Er ist Großaktionär bei Unicredit und hat erst im Februar seinen Anteil an dem Versicherer Generali von zwei auf 4,8 Prozent gesteigert.

Doch sein Managementstil ist umstritten. Der „mythische König der Brillen“ habe eine außerordentliche Fähigkeit für Visionen, sagt ein Analyst in Mailand, aber er habe nie das Kommando abgegeben. Er reiße alles an sich. Und so wechselten die Vorstandschefs in Agordo, insgesamt vier Manager mussten gehen, unter ihnen Andrea Guerra, der nach zehn Jahren zu Eataly wechselte. 2016 übernahm der „patron“ wieder selbst als Exekutiv-Präsident.

Nur einem vertraut er, Vizepräsident Francesco Milleri. Und den wollte er bei Essilor-Luxottica als Generaldirektor und später an seiner Stelle als Vorstandschef installieren. Die Mandate von Del Vecchio und Sagnières enden im Mai 2021. Milleri ist Digitalspezialist und hat für Del Vecchio eine Software entwickelt, mit der er sein Imperium per Handy steuern kann.

Doch die Franzosen machten nicht mit. Die Personalie Milleri sei der wahre Grund für den Brillenkrieg, heißt es in Italien. „Milleri hätte in dieser Position die Autorität, den eigenen Managementstil und seine Vision durchzusetzen, und würde so das Abkommen brechen, das wir gemeinsam beschlossen und angewendet haben“, schreibt Sagnières in seinem offenen Brief.

Aussage steht gegen Aussage. Schon jetzt hat das Kräftemessen von Franzosen und Italienern großen wirtschaftlichen Schaden angerichtet. Die in Paris notierte Aktie des Optik-Giganten Essilor-Luxottica ist eingebrochen. Milliarden Euro wurden bereits vernichtet.

„Wir wussten, dass es schon lange in der Beziehung kracht“, meint ein Finanzberater, „die Angelegenheit ist sehr heikel, aber es müssen die beiden Partner sein, die eine Lösung finden.“ Einen Weg zurück gebe es nicht, die Fusion sei vollzogen, man könne nicht alles zerstören. Und auch wenn der Streit vor Gericht ende, sei das Geschäft nicht in Gefahr. Die Anrufung der Internationalen Handelskammer im Streitfall stand im Fusionsabkommen.

Die Nachfolge hat Del Vecchio über die Familienholding Delfin geregelt, an der er auf seinen Namen persönlich einen Anteil von 25 Prozent hat. Die sollen nach dem Tod an seine Frau gehen. Die restlichen 75 Prozent sollen unter seinen sechs Kindern aufgeteilt werden, die er aus drei Ehen hat. Am 22. Mai wird er 84. Und er ist fit für den Brillenkrieg.