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Boomende Schwarzwald-Metropole: In Freiburg ist Wohnraum Mangelware

In der Studentenstadt schossen Mieten und Preise bislang unaufhaltsam in die Höhe. Nun will Oberbürgermeister Martin Horn Wohnen erschwinglicher machen.

Die südbadische Studentenstadt Freiburg war schon immer für Überraschungen gut. Politisch betrachtet war es zuletzt diese: Da verlor der erste grüne Langzeit-Oberbürgermeister Dieter Salomon vor zwei Jahren die Wahl gegen einen, wie viele sagten, „parteilosen Nobody“. Der heißt Martin Horn, war zuvor Europa- und Entwicklungskoordinator im Hauptamt der Stadt Sindelfingen und punktete auch mit seinem Megathema: bezahlbares Wohnen.

Bis 2026 hat er nun Zeit, als neuer Oberbürgermeister der Stadt zu liefern. Über die stadteigene Freiburger Stadtbau GmbH (FSB) setzt er den Hebel an. Bislang baute die Freiburger Stadtbau pro Jahr 150 Wohnungen. In den nächsten zehn Jahren sollen es im Durchschnitt 250 Wohnungen werden.

Konkret soll die FSB zum Doppelhaushalt 2021/22 eine Kapitaleinlage von fünf Millionen Euro erhalten. Hinzu kommt für das Haushaltsjahr 2022 eine Grundstücksübertragung im Wert von 16,7 Millionen Euro. Darüber hinausgehende Finanzierungsoptionen sowie die Stellung von Bürgschaften sollen im kommenden Jahr überprüft werden. Gerade hat Horn diese Planung im Gemeinderat durchgeboxt.

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Sollte der Oberbürgermeister mit seinem Vorhaben erfolgreich sein, wird das den Markt verändern. „Wir werden für bezahlbare Mieten sorgen„, sagt er dem Handelsblatt. „Wir konzentrieren uns auf den Mietwohnungsbau für die untere Hälfte in der Einkommenspyramide der Bevölkerung mit dem Ziel, dass diese Haushalte Wohnraum finden und nicht mehr als 30 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Miete zahlen müssen“, erläutert er sein Konzept.

Horn will, dass Krankenschwestern und -pfleger, Friseusen und Friseure oder etwa Straßenbahnfahrerinnen und -fahrer auch in den kommenden zehn Jahren noch innerhalb der Stadtgrenzen wohnen können. Die Erstellung von Eigentumswohnungen im höheren Umfang sei dagegen Aufgabe der privaten Wohnungswirtschaft.

Das Referat für bezahlbares Wohnen, das Horn eingerichtet hat, ist ihm direkt unterstellt. Juristin Sabine Recker, die zuvor für die Stadt das Großprojekt neues Stadion für den SC Freiburg umgesetzt hat, leitet es.

Auch ihre Vorstellungen sind ganz konkret: „Ziel ist es, Flächen für den Wohnungsbau anzukaufen – wie in Ulm schon seit Langem – und zukünftig in Erbpacht zu vergeben, um bei dem engen Freiburger Markt Grundstücksspekulationen entgegenzuwirken.“

Den Bedenken der Immobilienwirtschaft hält sie entgegen: „Ein Monopol der Stadtbau ist nicht zu befürchten. Städtische Flächen gehen auf Grundlage von Vermarktungskonzepten selbstverständlich auch an Private.“ Mit Zähringen Nord oder zum Beispiel Hinter den Gärten in Tiengen gebe es zudem auch Bauflächen, die nicht in städtischer Hand lägen.

Bezahlbarer Wohnraum soll geschaffen werden

Freiburg braucht viel mehr Wohnraum, als ein städtisches Wohnungsunternehmen schaffen kann. Die Breisgau-Metropole wächst. Seit der Jahrtausendwende ist die Einwohnerzahl um über 15 Prozent gestiegen. Schon heute hat sie 239.000 Einwohner, wird laut Prognosen bald die Marke von 250.000 übersteigen.

Gebiete wie „Gutleutmatten“ am Eingang Haslachs sind mit über 500 Wohnungen bereits fertiggestellt. Auch die Bebauung auf dem Gelände des alten Güterbahnhofs hat der Markt wie ein Schwamm aufgesogen. Der Bedarf ist weiterhin groß.

Freiburg ist beliebt wie sonst nur namhafte Großstädte wie etwa München oder Hamburg. „Der Schwarzwald mit seinen Freizeitangeboten, die Nähe zum Elsass, die Universität mit ihren 30.000 Studenten: Freiburg braucht pro Jahr 1500 Wohnungen“, schildert Raoul Röder, Geschäftsführer der Sprenker & Röder Immobilien GmbH die aktuelle Lage.

Da soll das größte Neubauprojekt in der Geschichte der Stadt endlich Luft verschaffen. Den Bürgerentscheid für den Bau des neuen Stadtteils Dietenbach hat Oberbürgermeister Horn gewonnen: 66 Prozent der Freiburger stimmten für den neuen Stadtteil im Freiburger Westen.

Dort sollen ab dem Jahr 2025 knapp 7000 „vor allem bezahlbare Wohnungen“ – wie die Stadt offiziell mitteilt – für über 15.000 Menschen entstehen. Auf dem heutigen Ackerland ist ein klimaneutraler und bunter Stadtteil geplant, mit kurzen Wegen, Freiflächen, Schulen, Sportangeboten, Kitas und Einkaufsmöglichkeiten.

Die Planungen laufen auf Hochtouren. Das Bauvolumen des Projekts beträgt 850 Millionen Euro. Die Stadt selbst will in der Dekade rund 100 Millionen Euro investieren. Die örtliche Sparkasse kauft die Flächen von fast 400 Eigentümern an.

Der Oberbürgermeister wird sich am Gelingen dieses Neubauprojekts messen lassen müssen. Die Hälfte der Wohnungen soll in gefördertem Wohnraum entstehen. Ob das tatsächlich möglich ist, bezweifeln viele in der privaten Immobilienwirtschaft. „Den angestrebten Anteil von 50 Prozent sozial geförderter Wohnungen im Neubaugebiet Dietenbach halte ich für nicht erreichbar“, urteilt etwa Immobilienspezialist Röder.

„Die 50-Prozent-Quote für geförderten Wohnraum ist erreichbar“, hält Referatschefin Recker dagegen. „Es bilden sich sogar privatwirtschaftliche Bauträger in der Rechtsform einer GmbH, die zum Ziel haben, Grundstücke im Bestand zu halten und vorrangig geförderten und preiswerten Wohnraum zu erstellen. Das ist wirtschaftlich möglich.“

Noch sind die Folgen von Corona nicht spürbar

Mit dem Dietenbach-Projekt geht in der privaten Wohnungswirtschaft die bange Frage um: Welche Rolle will und kann die Freiburger Stadtbau als Marktteilnehmer auf dem Immobilienmarkt spielen?

Matthias Müller, Leiter des Projekts Freiburger Stadtbau 2030 hat da eine klare Antwort: „Die FSB wird auf dem Markt ein stärkeres Gewicht bekommen. Die Entwicklung in den vergangenen 20 Jahren hat die Probleme nicht gelöst, sondern verschärft. So konnte und durfte es nicht weitergehen.“

Wie angespannt der Immobilienmarkt ist, zeigt auch der jüngste Immobilienmarktbericht des Gutachterausschusses, in den alle notariell beglaubigten Eigentümerwechsel eingehen: Die aktuellen Zahlen belegen, dass Freiburg ein attraktives Pflaster in Deutschland bleibt.

„Eine Marktberuhigung ist nicht in Sicht“, resümiert auch Finanzbürgermeister Stefan Breiter. Immer weniger Immobilien wechseln die Besitzer – dafür aber zu steigenden Preisen. 2267 Kaufverträge, 171 weniger als im Jahr zuvor, hat der Gutachterausschuss für das Jahr 2019 registriert, bereits 21 Prozent kosteten mehr als 7000 Euro pro Quadratmeter. Bei gebrauchten Wohnungen wurden durchschnittlich 4000 Euro je Quadratmeter erzielt.

Nur 15 Villen wechselten im vergangenen Jahr den Besitzer. Die „durchschnittliche“ Villa hatte 225 Quadratmeter Wohnfläche, ein 950 Quadratmeter großes Grundstück und kostete 1,4 Millionen Euro. Auch 189 Ein- und Zweifamilien- und 86 Mehrfamilienhäuser wurden verkauft. Der durchschnittliche Kaufpreis je Quadratmeter im Erstverkauf ist noch einmal um über 200 Euro auf 5549 Euro geklettert.

Unter den 259 veräußerten Neubauwohnungen waren 25 Wohnungen für Studierende im Volleigentum. Bei studentischen Eigentumswohnungen lagen sie bei rund 7000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, was einem Preis von über 200.000 Euro für ein Einzimmerapartment mit 30 Quadratmetern entspricht. Gut situierte Studenten-Eltern greifen zunehmend tiefer in die Tasche. Denn 2018 lag der Preis für derartige Immobilien noch bei 5000 Euro.

Privates Bauland in Freiburg und Umgebung wird immer teurer. 32 Bauplätze für Ein- und Zweifamilienhäuser wurden laut Gutachterausschuss gehandelt, davon 22 allein in Tiengen. Durchschnittlicher Kaufpreis: 735 Euro pro Quadratmeter.

Immobilienexperte Röder stellt noch keine dämpfende Wirkung der Coronakrise auf die Preisentwicklung fest. Freiburg liege nicht unter einer Glasglocke, aber Auswirkungen von Corona seien bei der ungebrochen starken Nachfrage frühestens in einem halben Jahr zu erwarten. „Dafür ist der Markt prinzipiell zu träge und die Krise noch zu jung.“

Entlastung auf dem Wohnungsmarkt könnte es mittelfristig neben Dietenbach auch noch rund um das neue Stadion des SC Freiburg geben. Doch Gewerbeflächen müssten zunächst in Mischflächen, in denen auch Wohnungsbau möglich ist, umgewidmet werden.

Oberbürgermeister Horn hat ambitionierte Ziele für seine Stadt. Allerdings könnten ihm die Finanzen einen Strich durch die Rechnung machen. Denn wie überall reißen die Folgen von Corona auch in Freiburg ein Loch in den Etat – von fast 40 Millionen Euro.

Insgesamt werden nach den Schätzungen der Stadtverwaltung von Ende Mai bis zum Ende des Jahres fast 80 Millionen Euro im Haushalt der Stadt fehlen. Die klammen Kassen sollen aber die Wohnbauprojekte nicht beeinträchtigen – das zumindest versichert Oberbürgermeister Horn.