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Bayer vor Glyphosat-Einigung – So sieht der teure Plan aus

Der Konzern ringt um die Details eines Vergleichs in den USA. Um sich vor einer neuen Klagewelle zu schützen, prüft Bayer Einschränkungen beim Verkauf des Unkrautvernichters.

Bayer-Chef Werner Baumann will endlich sein größtes Problem lösen: die Glyphosat-Klagen in den USA. Anwälte und Kläger verhandeln unter Hochdruck über einen außergerichtlichen Vergleich – und sind nach Handelsblatt-Informationen zuletzt entscheidende Schritte vorangekommen.

Bis zur Hauptversammlung Ende April würde der Leverkusener Konzern den Investoren und der Öffentlichkeit gerne eine Lösung präsentieren: Entweder eine unterschriebene Einigung, zumindest aber eine grobe Richtung, welche finanziellen, rechtlichen und operativen Folgen ein außergerichtliches Settlement haben könnte.

Im Raum steht eine Vergleichssumme um die zehn Milliarden Dollar, schätzen die US-Prozessexperten von Bloomberg Intelligence. Doch es geht in den Gesprächen nicht nur um Geld, sondern auch um die rechtlichen Details. Bayer könnte mit einem Vergleich alle bestehenden Klagen in den USA aus der Welt räumen. Der Konzern will und muss sich aber zugleich auch vor einer erneuten Klagewelle schützen.

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Üblicherweise verzichten die Kanzleien in den USA nach Vergleichsabschluss auf die Annahme neuer Klagen. Doch eine Sicherheit hat Bayer dabei nicht. Schließlich wird das glyphosathaltige Mittel Roundup weiterhin vertrieben. So könnten auch künftige Käufer, die erst in einem Jahrzehnt an Krebs erkranken, dann gegen Bayer gerichtlich vorgehen.

Ein Verkaufsstopp könnte das verhindern. Dass Bayer das Mittel komplett vom Markt nimmt, steht weiterhin nicht zur Debatte. Allerdings prüft der Konzern eine Einschränkung des Verkaufs, wie das Handelsblatt aus Finanzkreisen erfuhr. Im Raum steht demnach ein Vertriebstop für Privatanwender, die den Unkrautbekämpfer in ihren Gärten einsetzen.

Das Geschäft mit den Hobbygärtnern macht nur einen geringen Teil des Umsatzes aus, den Bayer mit Roundup erzielt. Über 90 Prozent des Geschäfts entfallen auf die Anwendung in der professionellen Landwirtschaft. 2018 hat Bayer mit dem Mittel weltweit einen Umsatz von geschätzt mehr als 3,5 Milliarden Euro gemacht.

Allerdings stellen die Privatanwender den weitaus überwiegenden Teil der Kläger in den USA. Sie machen für ihre Krebserkrankung den jahrelangen Einsatz von Glyphosat bei ihrer Gartenarbeit verantwortlich. Mehr als 42.000 derartige Klagen liegen Bayer bereits vor. Die Zahl der potenziellen Klagen aber könnte locker das Doppelte erreichen. Darunter sind kaum professionelle Farmer, die das Mittel in ihrer Großlandwirtschaft einsetzen.

Bayer sieht weiter keine Gesundheitsgefahren

Bayer wollte die Informationen nicht kommentieren. In Unternehmenskreisen heißt es, dass ein möglicher Verkaufsstopp für Hobbygärtner intern diskutiert und analysiert werde. Eine Entscheidung darüber sei aber noch nicht gefallen.

Rechtsexpertin Elizabeth Chamblee Burch, Professorin an der University of Georgia, hält es für prinzipiell sinnvoll, das Mittel jenseits der landwirtschaftlichen Nutzung vom Markt zu nehmen. „Aber auch das löst nicht das Problem der Klagen, die von jenen kommen können, die das Produkt bereits benutzt haben“, mahnt die Juristin. Gut möglich, dass Bayer für diese Fälle im bevorstehenden Vergleich eine bestimmte Summe zurückstellt.

Tatsächlich ist es keine einfache Entscheidung für den Konzern. Rein wirtschaftlich wäre dies wegen des geringen Volumens verkraftbar. Allerdings könnte die Verkaufseinschränkung zumindest in der Öffentlichkeit als Schuldeingeständnis gewertet werden.

Bayer weist aber weiterhin jeden Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und dem Glyphosateinsatz zurück. Die Leverkusener berufen sich dabei auf die Einstufung der großen Zulassungsbehörden in den USA, Europa und Asien: Sie sehen bei sachgemäßer Anwendung keine Gesundheitsgefahren durch das Mittel.

Ende vorigen Jahres hatte die US-Umweltbehörde EPA sogar ein Gericht in San Francisco aufgefordert, das Urteil gegen Bayer/Monsanto aufzuheben. Die EPA hält das Mittel für sicher und lehnt es daher ab, einem Warnhinweis auf dem Roundup-Produktlabel zuzustimmen.

Bayer hat die bisherigen drei Verfahren in erster Instanz verloren. Den krebskranken Klägern wurde ein Schadensersatz in Summe von 191 Millionen Dollar zugesprochen. Der Konzern hat Berufung eingelegt und hofft weiter auf gute Nachrichten. Sollten Richter die erstinstanzlichen Urteile aufheben oder einschränken, würde dies die Position der Leverkusener in den Vergleichsverhandlungen stärken. Verliert Bayer erneut, würde dies den Druck erhöhen.

Dass es letztlich auf ein solches außergerichtliches Settlement hinausläuft, gilt als ausgemacht. Bayer weiß aus Erfahrung, dass der Konzern die Klagewelle nicht auf anderem Weg abstreifen kann, ohne dass über weitere Jahre hinweg Prozesse geführt werden – inklusive der damit verbundenen negativen Publicity und der hohen Kosten für die Verteidigung.


Kläger-Kanzleien hoffen auf mehrere Milliarden

Die meisten Produkthaftungsfälle in den USA enden mit einer außergerichtlichen Einigung. Sie wird ohne Schuldeingeständnis geschlossen. Die Vergleichssumme wird zum großen Teil auf die Kläger verteilt, die Anwälte wiederum streichen zwischen 20 und 30 Prozent des Geldes ein. Im Fall Glyphosat könnten die Honorare für die beteiligten Kanzleien also locker mehrere Milliarden Dollar erreichen.

Am Ende der derzeit laufenden Mediation unter der Leitung des erfahrenen Anwalts Kenneth Feinberg könnte ein Glyphosat-Vergleich stehen. Feinberg ist zuversichtlich, noch im Februar eine Einigung erzielen zu können.

An einem Erfolg dieser Mediation sei die gesamte Bayer-Führung sehr interessiert, heißt es in Kreisen des Aufsichtsrates. Man erwarte, dass dies gelingen wird, allerdings spielten auch die Revisionsverfahren als Einflussfaktor noch eine gewichtige Rolle, heißt es dort.

Wieviel Bayer an die Glyphosat-Kläger und ihre Anwälte letztlich zahlen wird, ist weiterhin offen und spekulativ. Die derzeit kolportierten zehn Milliarden Dollar entsprechen in etwa dem finanziellen Rahmen, den Bayer mit Blick auf die Finanzplanung für die kommenden Jahre inoffiziell selbst einräumt.

Die Leverkusener wollen mit dem cash-starken Geschäft von Monsanto von 2019 bis 2022 frei verfügbare Mittel in Höhe von 23 Milliarden Euro generieren. Hinzu kommen Einnahmen aus Teilverkäufen, die netto etwa acht Milliarden Euro einbringen werden. Läuft alles nach Plan, würde Bayer also in diesem Zeitraum über 31 Milliarden Euro verfügen können.

Geschätzt rund elf Milliarden Euro benötigt der Konzern davon für Dividendenzahlungen über vier Jahre hinweg. Bayer verspricht nach heutigem Stand eine wachsende, mindestens stabile Ausschüttung pro Aktie. Der Konzern peilt zudem einen Schuldenabbau um mindestens zehn Milliarden Euro an. Weiteres Geld soll in die externe Verstärkung der Pharmasparte fließen, etwa in kleinere Übernahmen oder in den Kauf von Lizenzen für aussichtsreiche Arzneikandidaten.

Bei einem zehn Milliarden Dollar (neun Milliarden Euro) teuren Glyphosat-Vergleich würde Bayer nach Abzug der Steuerersparnis laut Analystenschätzungen netto etwas mehr als sieben Milliarden Euro aufwenden müssen. In den aktuellen Vergleichsgesprächen geht es auch darum, ob und wie die Entschädigungssummen über mehrere Jahre hinweg gestaffelt werden.

Bayer-Aktie zuletzt im Aufwind

Die Summe würde in die interne Finanzplanung passen – sofern Bayer seine ambitionierten operativen Ziele im Agrar- und Pharmageschäft bis einschließlich 2022 erreichen kann. Die Rechnung unterstützt die Einschätzung im Aufsichtsrat, dass ein mögliches Glyphosat-Settlement Bayer „finanziell sicher nicht strangulieren werde“.

Finanzexperten aber warnen vor den Folgen eines deutlich teureren Vergleichs, also deutlich über zehn Milliarden Dollar hinausgehend. Bayer würde damit seine „strategischen Optionen zur Stärkung des Pharmageschäfts sehr limitieren“, schreibt die Ratingagentur Moody’s in einer am Montag veröffentlichten Analyse. Wegen mehrerer Patentabläufe bei wichtigen Medikamenten muss der Konzern bis etwa 2024 für erfolgreichen Ersatz sorgen und dafür möglicherweise Milliarden Euro in die Hand nehmen.

Moody’s geht aber davon aus, dass Bayer erst ab einer Vergleichssumme von 15 Milliarden Dollar zu härteren finanziellen Maßnahmen greifen müsste. Das wären dann etwa ein einmaliges Aussetzen der Dividende oder sogar eine Kapitalerhöhung. Beides würde aber angesichts des Einbruchs der Bayer-Aktie bei den verärgerten Investoren sehr schlecht ankommen, meinen die Moody’s-Analysten.

Zuletzt hat die Bayer-Aktie deutlich an Wert gewonnen. Der Kurs stieg seit Mitte Juni 2019 um annähernd 40 Prozent auf aktuell rund 76 Euro – also ziemlich genau seit dem Zeitpunkt, an dem sich Bayer offiziell für ein Mediationsverfahren und damit für einen außergerichtlichen Vergleich öffnete. Analyst Markus Mayer von der Baader Bank geht davon aus, dass ein Settlement über zehn Milliarden Dollar von den Investoren positiv aufgenommen würde und den Kurs über 90 Euro heben könnte.