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Neuer Schlag für Aktionäre: Deutsche Bilanzpolizei prüft Bilanzen des Kaliherstellers K+S

Die Finanzaufsicht hat die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung beauftragt, den Abschluss 2019 zu prüfen. Viele Fragen sind offen. Die Aktie bricht zweistellig ein.

Die aktuell hohe Verschuldung des Unternehmens ist die Folge der größten Investition in dessen Geschichte. Foto: dpa
Die aktuell hohe Verschuldung des Unternehmens ist die Folge der größten Investition in dessen Geschichte. Foto: dpa

Schock für die Aktionäre des Düngemittelhersteller K+S: Die Deutsche Prüfungsstelle für Rechnungslegung (DPR) knöpft sich den Kasseler Konzern wegen möglicherweise fehlerhafter Bilanzierung vor. Die Finanzaufsicht Bafin sieht dafür konkrete Anhaltspunkte und hat die DPR mit der Überprüfung der Rechnungslegung beauftragt. Die sogenannte Bilanzpolizei nimmt sich nun den Jahresabschluss 2019 und den Zwischenbericht zum ersten Halbjahr 2020 vor.

Investoren zeigten sich am Donnerstag stark verunsichert und reagierten mit Aktienverkäufen auf die Nachricht. Der Kurs von K+S brach zum Handelsstart um zwölf Prozent auf 8,64 Euro ein.

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Der Vorstand des Unternehmen zeigte sich überzeugt, die Anhaltspunkte der Bafin entkräften zu können. Aktuell sind noch viele Frage offen.

Kern der Vorwürfe sind hohe Wertberichtigungen über zwei Milliarden Euro, die K+S im November vergangenen Jahres vorgenommen hat. Sie waren das Ergebnis von neu gefassten Prognosen zum Preis des Düngemittels Kali.

Das Unternehmen hatte damals angekündigt, in diesem Kerngeschäft des Unternehmens von langfristig stärker sinkenden Preisen und höheren Kapitalkosten auszugehen. Deswegen mussten mehrere Vermögenswerte in der Bilanz angepasst werden.

Jahresabschluss 2020 könnte sich verzögern

Möglicherweise hätte K+S diese Abschreibung schon deutlich früher vornehmen müssen – das zumindest wirft die Bafin dem Konzern vor. Unternehmen sind verpflichtet, derartige Anpassungen unverzüglich vorzunehmen, sobald gesicherte Informationen über deren Notwendigkeit vorliegen. Das ist in den internationalen Rechnungslegungsstandards IAS geregelt.

Der Bafin sieht aber ebenso Anhaltspunkte dafür, dass die Höhe der Abschreibungen möglicherweise nicht zutreffend ermittelt worden sei. Zudem könnten weitere Aktivposten von einem Wertberichtigungsbedarf betroffen sein, die K+S nicht angepasst hatte. Die DPR behalte sich vor, die Prüfung auf weitere Gegenstände auszudehnen, soweit weitere Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Rechnungslegung bekannt würden, hieß es.

Die möglichen Konsequenzen aus dem Vorgehen von Bafin und DPR sind noch unklar. Sollten sich die Vorwürfe als richtig herausstellen, wäre dies ein schwerer Schlag für den Konzern. Im schlimmsten Fall müsste K+S rückwirkend weitere deutliche Wertberichtigungen vornehmen, wodurch die Bilanzstruktur weiter geschwächt würde, schreiben die Analysten der Baader Bank. Das Management müsste darauf möglicherweise mit einer Kapitalerhöhung reagieren. Auch könnte sich der Jahresabschluss 2020 verzögern.

Die Schritte gegen K+S dürften auch demonstrativen Charakter haben: Sowohl der Bafin wie der DPR wird vorgeworfen, im Fall Wirecard über Jahre hinweg geschlafen und nicht durchgegriffen zu haben. Der Fall hat große Zweifel am gesamten System der deutschen Bilanzaufsicht geschürt.

Nach Beschluss der Bundesregierung soll die Bafin in Verdachtsfällen künftig schneller eingreifen, dazu werden ihre Kompetenzen und die personelle Ausstattung verstärkt. Grundsätzlich soll aber an dem zweistufigen System mit der DPR festgehalten werden: Die DPR ist privatrechtlich organisiert und soll Verdachtsfälle zunächst prüfen, bevor die Bafin übernimmt. Die DPR macht jedes Jahr regelmäßige Stichproben-Prüfungen bei börsennotierten Unternehmen.

Fall K+S nicht mit Wirecard vergleichbar

Im Fall K+S handelt es sich allerdings um eine anlassbezogene Untersuchung, die relativ selten vorkommt. Die DPR prüft nun auch, ob sich der Vorstand ein strafbares Fehlverhalten vorwerfen lassen muss.

Doch der Fall ist ganz anders geartet als die Vorgänge bei Wirecard. Es handelt sich nicht um vermuteten Betrug, sondern möglicherweise nur um eine fehlerhafte Prognose.

Pikant ist der Zeitpunkt, zu dem K+S die Abschreibung vorgenommen hat. Der Kasseler Konzern hatte wenige Wochen vorher, im vergangenen Oktober 2020, den Verkauf seines amerikanischen Salzgeschäfts an die Stone Canyon Industries Holdings aus den USA bekanntgegeben. Der Transaktionswert des Geschäfts liege bei 3,2 Milliarden Dollar, umgerechnet knapp 2,75 Milliarden Euro.

Der Verkaufspreis war aus Sicht von Analysten überraschend hoch ausgefallen, sie lobten daher den Deal. Hätte K+S die neuen Erwartungen über den Kalipreis schon vorher bekanntgeben, wäre das Unternehmen möglicherweise in eine schlechtere Verhandlungsposition geraten. Die dürfte hinter den Vorwürfen der Bafin stecken. Von welchen Kalipreisen genau K+S vor und nach der Wertberichtigung ausgegangen ist, gibt das Unternehmen nicht bekannt.

Der Verkauf der Einheit war notwendig geworden, weil K+S sich dringend entschulden muss. Im Nachgang dazu hatte K+S im November seine Bilanz bereinigt, um sich nach eigenen Angaben einen größeren Handlungsspielraum für die Gestaltung der Zukunft zu schaffen.

Neuerlicher Schlag für Aktionäre

Wegen der milliardenschweren Abschreibung war K+S dann im dritten Quartal 2020 tief in die Verlustzone gerutscht. K+S schrieb im dritten Quartal ein Minus von 1,97 Milliarden Euro nach einem Verlust von 41,8 Millionen Euro vor Jahresfrist. Der Konzern wird deshalb auch im Gesamtjahr einen Milliardenverlust verzeichnen, nachdem im Vorjahr ein Gewinn von 77,8 Millionen Euro zu Buche stand.

Für Aktionäre ist die jüngste Entwicklung ein neuerlicher Schlag. Die Aktien von K+S befanden sich seit Jahren im Niedergang, hatten sich seit Ende des vergangenen Jahres erholt, bevor an diesem Donnerstag der jähe Absturz kam. 2015 hatte der kanadische Konkurrent Potash ein freiwilliges Übernahmeangebot über 41 Euro je Aktie gemacht, das später unter anderem wegen des Widerstands des Managements des deutschen Düngemittelherstellers zurückgezogen wurde.

Der seit 2017 amtierende CEO Burkhard Lohr will den Konzern operativ und bilanziell endlich wieder nach vorne bringen. Ende Juni 2020 lag die Finanzverschuldung bei drei Milliarden Euro, was als hohe Belastung eingestuft wird. Immerhin entspricht dies dem 4,7-Fachen des bereinigten Gewinns (Ebitda) im Jahr 2019. Das Bonitätsrating der Kasseler ist inzwischen in den Ramschbereich gefallen. Der Umsatz lag bei 4,1 Milliarden Euro.

Die hohe Verschuldung ist eine Folge der größten Investition in der Unternehmensgeschichte, die Erschließung des neuen Kaliwerks Bethune in Kanada. Der Konzern hat rund drei Milliarden Euro in das Projekt gesteckt. Das im Mai 2017 eröffnete Werk soll die Zukunft von K+S im Kalimarkt sichern, da die Vorkommen in Deutschland nur noch wenige Jahrzehnte reichen.

Lohr hatte damals einen deutlichen Schuldenabbau bis Ende 2020 angekündigt. Allerdings hatten zwei schwierige Jahre, in denen K+S deutlich weniger verdiente als geplant, dieses Ziel in weite Ferne rücken lassen. Daraufhin hatte das Management im März 2020 den Verkauf des Salzgeschäfts in Nord- und Südamerika beschlossen, was einen tiefen Schnitt bedeutet. Das Geschäft steht immerhin für rund ein Drittel des Konzernumsatzes.