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Ausgerechnet in der Coronakrise steigt der Absatz von Tabak deutlich

Tabakfirmen fahren Extra-Schichten. Dabei zeigen Raucher öfter einen schweren Krankheitsverlauf. Werbung für risikoärmere Alternativen verschieben die Unternehmen kurzerhand.

Die Ausbreitung der Lungenkrankheit Covid-19 treibt den Zigarettenverkauf an. Foto: dpa
Die Ausbreitung der Lungenkrankheit Covid-19 treibt den Zigarettenverkauf an. (Bild: dpa)

„Möglicherweise ist genau jetzt der Zeitpunkt für Raucher, sich Gedanken über dem Umstieg auf risikoärmere Produkte zu machen“, sagt Ralf Wittenberg. Er ist Deutschland-Chef des Tabakkonzerns BAT. Wie seine Branchenkollegen beobachtet er in der Coronakrise jedoch ein für die Unternehmen problematisches Phänomen.

Zwar zeigen Raucher, die an Covid-19 erkranken, häufiger als Nichtraucher einen schweren Krankheitsverlauf. Doch ausgerechnet jetzt steigt der Absatz von Tabak in Deutschland den Unternehmen zufolge so stark an, dass die Angestellten inländischer Werke Extraschichten einlegen müssen. Diese Entwicklung macht die Vermarktungspläne für als risikoärmer geltende E-Zigaretten zunichte.

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Zugute kommt der derzeitige Boom über die Tabaksteuer vor allem dem Finanzamt. Für die Strategie der Tabakkonzerne ist die Entwicklung jedoch ein Problem: Seit einigen Jahren sind die großen Tabakkonzerne dabei, ihren Kunden risikoärmere Produkte wie etwa E-Zigaretten schmackhaft zu machen.

Die Traditionsunternehmen gehören zwar zu den profitabelsten Unternehmen weltweit, doch die Gefahren des Rauchens haben bis zuletzt vor allem in Europa und Nordamerika immer mehr Menschen zum Nichtrauchen bewegt.

Zum Rauchen sollen die mit hohem Aufwand entwickelten Verdampfer eine Alternative sein. Das Versprechen der Hersteller ist, dass die Produkte deutlich risikoärmer als herkömmliche Zigaretten sind.

BAT-Manager Wittenberg verschiebt die Werbeausgaben für diese Produkte nun kurzerhand in das dritte Quartal und damit auch die geplante Einführung des eigenen Tabakverdampfers Glo in Deutschland. „Wir nutzen diese fürchterliche Pandemie nicht taktisch“, beteuert Wittenberg.

Den Schritt begründet er folgendermaßen: Der Wechsel sei für die Kunden derzeit einfach kein großes Thema, weil die Coronakrise andere Sorgen schüre – und weil die Anbieter schlechter auf ihre erklärungsbedürftigen neuen Produkte aufmerksam machen könnten. BAT überzeuge Raucher unter anderem durch Testaktionen und im Fachhandel, was derzeit kaum möglich ist.

Außenwerbung und Marketing in sozialen Medien laufen laut Wittenberg aber weiter. Insgesamt sollen die Werbeausgaben für 2020 so trotz der Krise noch leicht über denjenigen des Vorjahres liegen – vor allem wegen der Glo-Einführung.

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Zweite Krise in kurzer Zeit

Auch Philip Morris hat seine Werbestrategie für den Tabak-Verdampfer IQOS seit Beginn der Krise geändert, verweist aber in der Kommunikation nicht auf die Krankheit. Statt um Neukundengewinnung für die Geräte gehe es vielmehr darum, bestehenden Kunden zu zeigen, wo Zigaretten und Tabaksticks noch erhältlich sind.

Schließlich waren die 40 IQOS-Läden bis diesen Montag geschlossen. „In der Krise ist es nicht unser primäres Ziel, Raucher von IQOS zu überzeugen“, sagt Vertriebschef André Sorge. „Wir haben unsere Marketing-Maßnahmen angepasst und tun es weiterhin.“

Statt Kampagnen und Rabattaktionen für Neukunden von IQOS-Verdampfern hat er daher in den vergangenen Wochen Dialogmarketing für bestehende Nutzer eingesetzt. Philip Morris testet daher jetzt, ob neuen Kunden das Gerät per Videokonferenz erklärt werden kann.

Ein Grund dafür ist, dass der bisherige Service, zu dem etwa das Ausprobieren in den Läden gehört, nicht angeboten werden konnte – und auch nach der Wiederöffnung nur eingeschränkt zur Verfügung steht.

Auch bei BAT beeinträchtigt Corona das Geschäft. Die meisten der vom Konzern in Deutschland Ende 2018 zugekauften knapp 100 E-Zigaretten-Läden der Kette HighEnd Smoke mussten schließen.

Es ist bereits die zweite Krise innerhalb kurzer Zeit für Hersteller von E-Zigaretten. Erst Ende 2019 hatte die Branche eine andere Krise überstanden: Nach Todesfällen in den USA ging das Wachstum des Markts für E-Zigaretten auch in Deutschland deutlich zurück. „Das war eine Delle, aber keine Trendumkehr“, sagt BAT-Manager Wittenberg.

Allerdings seien die Verbraucher durch die Berichte verunsichert – obwohl die Fälle wohl auf nicht zugelassene Cannabis-Mischungen zurückgehen. Vor allem Ende 2019 habe auch BAT daher weniger Neukunden für die Dampfer gefunden. Laut Marktforschern seien in dieser Zeit sogar 150.000 Dampfer zur klassischen Zigarette zurückgekehrt, heißt es bei BAT. Auch kleinere Dampfer-Mittelständler wie Innocigs aus Hamburg spürten die Auswirkungen deutlich in der Bilanz.

Neue Strategie bei BAT

Noch kurz vor Beginn der Krise hatte BAT die weltweiten Ziele für Dampf-Geräte konkretisiert: In den kommenden zehn Jahren will BAT 50 Millionen Nutzer für solche Geräte gewinnen. Zum Vergleich: Der Konzern mit seinen zuletzt 25,9 Milliarden Pfund Jahresumsatz zählt derzeit 150 Millionen klassische Raucher zu seinen Kunden.

Bis 2023/24 sollen fünf Milliarden Pfund Jahresumsatz aus neuartigen Produkten kommen. Dazu sind auch Angebote ohne das Suchtmittel Nikotin denkbar, etwa mit Koffein. In Deutschland sehen sich die Briten seit Ende 2019 als Marktführer für Dampfgeräte unter der Marke Vype.

2020 erwartet Wittenberg ein Wachstum des deutschen Markts für E-Zigaretten „im hohen einstelligen bis maximal niedrig zweistelligen Prozentbereich“. Das eigene Produkt Vype soll aber stärker zulegen.

Für die neue BAT-Strategie „A Better Tomorrow“ erwartet Wittenberg derzeit lediglich kleinere Beeinträchtigungen durch die Krise – schließlich sei das Programm auf fünf Jahre ausgelegt. Zu der Strategie gehören auch Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele. Zudem tilgt BAT die Tabakblätter sind aus dem Konzernlogo.

Wie genau Tabak bei Covid-19 wirkt, ist – wie vieles bei der Krankheit – noch unklar. Wer Lungenschäden durch starken Tabak-Konsum hat, zählt sicher zur Risikogruppe.

Eine Metastudie, die mehrere Einzeluntersuchungen in China und Italien ausgewertet hat, zeigt beispielsweise ein um den Faktor 1,4 erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf der Krankheit bei Rauchern.

Andererseits sorgte eine französische Studie für Schlagzeilen, nach der ausgerechnet das Suchtmittel Nikotin sogar vor dem Virus schützen könnte. Die Konzerne, geübt in rechtssicherer Kommunikation, wollen sich zu Studien nicht direkt äußern: „Wir wollen die Konsumenten damit nicht verunsichern, außerdem steht es uns als Tabakunternehmen nicht zu, diese zu kommentieren“, sagt Philip-Morris-Managerin Claudia Oeking. „Wir werten die Studien zu Corona und Tabak aus, um gesicherte Erkenntnis zu bekommen.“

Extra-Schichten in den Werken

Trotz der besonderen Gefährdung von Rauchern in der Krise geht die Nachfrage nach klassischen Zigaretten nicht zurück, sondern steigt im Gegenteil deutlich an. Hauptgrund dafür sind die geschlossenen Grenzen. Bislang schätzte die Branche, dass ein Fünftel der Zigaretten in Nachbarländern versteuert worden und dann privat nach Deutschland gebracht worden sind. Jetzt fällt dieser Effekt weg.

Philip Morris sieht besonders eine erhöhte Nachfrage nach Feinschnitt, also Tabak für selbstgedrehte Zigaretten. Die Kunden suchten in der Krise preisgünstigere Alternativen, meint Vertriebschef Sorge. Die 300 Mitarbeiter im Werk Dresden mussten daher die Produktion erhöhen.

Insgesamt beschäftigt der Konzern in Deutschland rund 1150 Menschen. Der Konzern verkauft in der Krise zudem mehr online über eigene Shops. Dabei will der Anbieter wie andere auch die zusätzlichen Profite daraus an einen Hilfsfonds des Handelsverbands Tabak geben, der damit notleidende Tabakhändler unterstützt. Laut dem Verband BTWE ist von mehreren Geldgebern bereits eine sechsstellige Summe zusammengekommen.

Auch die europäischen Fabriken von BAT produzierten in Extraschichten, um die verstärkte Nachfrage ausgleichen zu können, sagte Deutschland-Chef Wittenberg. Er ist für vier Fabriken in Polen, der Schweiz und Bayreuth zuständig. In Deutschland arbeiten gut 900 Menschen für BAT, davon gut 400 am Standort Bayreuth, wo sie Feinschnitt produzieren und neue Produkte entwickeln.

Konkurrent Reemtsma verzeichnet ein doppelte Nachfragesteigerung: „Der Absatz bei Fabrikzigaretten ist deutlich gestiegen, und auch bei E-Zigaretten sehen wir ein Plus“, teilte die Tochter von Imperial Brands auf Anfrage mit.

Allerdings rate das Unternehmen dazu, bei Atemwegserkrankungen auf beide Produktkategorien zu verzichten. Änderungen an der Werbestrategie gebe es bei den Hamburgern aber nicht.