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Asien setzt die EU mit Freihandelsabkommen RCEP unter Druck – das sind die wichtigsten Punkte

Das neue Freihandelsabkommen RCEP von Japan über China bis nach Neuseeland verschiebt den Schwerpunkt der Weltwirtschaft weiter nach Osten. Europa und die USA brauchen eine Antwort.

Hat Europa den Anschluss beim Freihandel verloren? Ist China der große Gewinner? Foto: dpa
Hat Europa den Anschluss beim Freihandel verloren? Ist China der große Gewinner? Foto: dpa

Während Amerika nach der Wahl mit sich selbst ringt und Europa gebannt auf das Drama in den USA schaut, verschiebt Asien das Gravitationszentrum der Weltwirtschaft nach Osten. Mit der Unterzeichnung der Regional Comprehensive Economic Partnership – kurz RCEP genannt – haben 15 Staaten aus dem asiatisch-pazifischen Raum die größte Freihandelszone der Welt geschaffen.

Das Abkommen, das von Japan über China bis nach Neuseeland reicht, umfasst Länder mit 30 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung, 30 Prozent der Weltbevölkerung und 28 Prozent des Welthandels.

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Erstmals verbünden sich westliche Alliierte wie Japan und Südkorea mit China. „Das RCEP ist ein Weckruf an uns, dass die Freihandelsidee lebt und neue Chancen entstehen. Zugleich wird damit das Scheitern von US-Präsident Donald Trump deutlich“, sagte Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW).

Hat Europa den Anschluss beim Freihandel verloren? Ist China der Gewinner? Wie wird ein US-Präsident Joe Biden auf die Herausforderung reagieren.

Das sind die fünf wichtigsten Punkte zu dem Abkommen:

1. Was bedeutet RCEP für Unternehmen?

Die RCEP bringt die bereits durch bilaterale Handelsabkommen verbundenen zehn Staaten der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) mit fünf weiteren Ländern der Region zusammen. Laut Singapurs Handelsministerium sollen die Zölle von mindestens 92 Prozent der im RCEP-Raum gehandelten Güter eliminiert werden.

Zudem sollen mindestens 65 Prozent des Dienstleistungssektors vollständig geöffnet werden. Die RCEP enthält auch Bestimmungen, die Investitionen von Unternehmen erleichtern sollen. „Das Abkommen lässt allerdings wichtige Bereiche wie den Klima- und Arbeitsschutz sowie die geistigen Eigentumsrechte weitgehend offen“, sagte Holger Bingmann, Präsident der Internationalen Handelskammer ICC.

Auch Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (IfW), sieht Lücken: „Das Dienstleistungskapitel geht kaum über die WTO-Standards hinaus, und wichtige Teile – zum Beispiel zum E-Commerce – unterliegen nicht der Streitbeilegung.“

Die wichtigste Erleichterung für Unternehmen sind die neuen Ursprungsregeln (Rules of Origin): Exporteuren reicht künftig ein einziges Herkunftszertifikat, um mit allen RCEP-Mitgliedern handeln zu können. Multinationale Konzerne können damit ihre regionalen Wertschöpfungs- und Lieferketten im RCEP-Raum deutlich einfacher managen als bisher.

„Wenn das Abkommen es ermöglicht, Lieferketten barrierefreier zu gestalten, und Kooperation zwischen den beteiligten Staaten fördert, dann werden auch europäische Unternehmen, die in der Region aktiv sind, davon profitieren“, sagte Bernd Lange (SPD), Europaabgeordneter und Vorsitzender des Handelsausschusses.

2. Wie sollte Europa auf RCEP reagieren?

Das Abkommen setzt Europa vor allem handelspolitisch unter Druck. „Europa hat mit wichtigen RCEP-Partnern bereits bilaterale Handelsabkommen, so zum Beispiel mit Japan, Korea, Singapur oder Vietnam. Mit den anderen ASEAN-Ländern wird aktuell verhandelt, ebenso mit Australien und Neuseeland. Der Druck, hier zu Abschlüssen zu kommen, steigt“, sagte Felbermayr.

Wenn das nicht gelänge, drohe Europa aus diesen wichtigen Märkten gedrängt zu werden. Für Hüther ist jetzt die Zeit gekommen, den Stillstand bei den transatlantischen Handelsgesprächen zu überwinden. „Die USA und die EU sind nun umso mehr aufgerufen, ein neues TTIP-Abkommen zu versuchen. Auf der Basis ergeben sich dann auch verbesserte Möglichkeiten, die WTO zu reformieren.“

Und Bingmann konstatiert: „Der Abschluss des RCEP-Abkommens zeigt, dass Europa bei ähnlichen Handelsinitiativen wie Mercosur oder Ceta zu langsam agiert.“

Ähnlich sieht man das beim Bundesverband der Deutschen Industrie: „Die EU muss sich die Frage gefallen lassen, wie es um unsere Attraktivität als Partner in Asien und anderen Weltregionen bestellt ist, wenn der Ratifizierungsprozess in der EU selbst für moderne und ambitionierte Abkommen mit großen Ungewissheiten verbunden ist“, kritisierte Wolfgang Niedermark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung beim BDI.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gibt sich dennoch gelassen: Die Europäer seien gut aufgestellt, so die Botschaft.

3. Welche handelspolitische Bedeutung hat die RCEP?

Wenn die zweitgrößte Volkswirtschaft (China) und drittgrößte (Japan) sich an einem Freihandelsvertrag beteiligen, sind schon die Zahlen gigantisch. Insgesamt umfasst die Freihandelszone eine Wirtschaftskraft von fast 26 Billionen Dollar.

Aber auch die ganze Euphorie darüber, dass es in diesen protektionistischen Zeiten endlich einmal wieder ein starkes Signal für offene Märkte gibt, kann nicht darüber hinwegtäuschen: Solche Freihandelszonen werden nicht nur jenseits der WTO verhandelt und umgesetzt. Sie widersprechen auch dem multilateralen Ansatz der Welthandelsorganisation.

Denn geben sich zwei oder mehrere Staaten gegenseitig Handelsprivilegien, geht damit auch der Ausschluss Dritter einher. „Der Vertrag trägt zu einer stärkeren Blockbildung bei, die das Prinzip des Multilateralismus massiv beschädigen könnte“, warnt Felbermayr.

Obwohl die RCEP beim Absenken der Handelshürden deutlich weniger ambitioniert ist als andere Freihandelsverträge, gehen Ökonomen davon aus, dass sich das Abkommen in der Wirtschaftsleistung der beteiligten Länder spürbar niederschlagen wird. Ökonomen der amerikanischen Denkfabrik Peterson Institute for International Economics (PIIE) rechnen damit, dass sich ihr Bruttoinlandsprodukt dauerhaft um 0,2 Prozent erhöhen wird.

Weltweit wird die RCEP aus ihrer Sicht im Jahr 2030 zu Einkommenszuwächsen von 186 Milliarden Dollar führen, wobei 174 Milliarden Dollar auf die Unterzeichner des Abkommens entfallen werden.

Dass Indien dem Abkommen fern bleibt, wird dabei als größtes Manko gesehen. Indiens Regierungschef Narendra Modi beklagt, dass es in dem Abkommen zu wenig Fortschritte beim Abbau von nicht tarifären Handelshemmnissen in China gebe, die dort indischen Unternehmen das Leben schwer machen.

Gleichzeitig befürchtete Indien, dass die lokalen Märkte mit billigen chinesischen Waren überflutet würden und Landwirtschaftsgüter aus Australien und Neuseeland die Waren der heimischen Bauern verdrängen würden. „Da Indien beim RCEP nicht dabei ist, liegt das wirtschaftliche Gravitationszentrum dieses Abkommens in Nordostasien.

Obwohl China bereits ein Handelsabkommen mit Korea abgeschlossen hat, werden sich die Beziehungen zwischen China, Japan und Korea nun verstärken. Das sind gute Nachrichten in einer Region, in der die historischen Rivalitäten noch immer spürbar sind“, urteilt Simon Evenett, Handelsexperte an der Hochschule St. Gallen.

4. Ist China der große Gewinner?

Die RCEP wird von China seit zehn Jahren als Alternative zu der lange von den USA favorisierten Trans Pacific Partnership (TPP) gesehen. „Klar ist , dass dies für China ein weiterer Baustein auf dem Weg zur ökonomischen Nummer eins in der Welt ist“, sagte Hüther.

Insofern sei China in besonderer Weise Profiteur des Vertrages und stärke seinen Einfluss in der Region. „Süd- und Ostasien wachsen zu einer einheitlichen Wirtschaftsregion zusammen. Es existieren immer noch massive Antagonismen, aber China führt die Region ganz klar an“, betont auch Felbermayr. Der Westen – hier vor allem die EU und die USA – müssten ihre Streitigkeiten beiseitelegen und wieder kooperieren.

Genauso sieht man das beim Bundesverband der Deutschen Industrie: „Als einer der Haupttreiber der RCEP-Verhandlungen unterstreicht China nicht nur seinen politischen Führungsanspruch in der Region, sondern auch seine Rolle als globale Gestaltungsmacht“, sagte BDI-Vertreter Niedermark.

Nach dem Rückzug der USA aus den Verhandlungen für das Transpazifische Partnerschaftsabkommen und dem Stopp der Verhandlungen eines EU-ASEAN-Abkommens zugunsten bilateraler Abkommen seien weder die USA noch die EU trotz nennenswerter bestehender Einzelabkommen an regionalen Abkommen mit der wichtigsten globalen Wachstumsregion beteiligt.

Anderer Meinung ist Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer, der Mitglied im Handelsausschusses des EU-Parlaments ist: „Die Behauptung, dass mit RCEP ein von China handelspolitisch völlig dominierter Raum entstünde, wäre eine hysterische Übertreibung.“ Für die USA, die mit dem Amtsantritt von Präsident Trump den handelspolitischen Rückwärtsgang eingelegt hätten, sei die RCEP ein Menetekel.

5. Wie werden die USA unter Biden auf die Herausforderung antworten?

Joe Biden hat zu Handelsfragen im Wahlkampf meist geschwiegen. Soweit der Handel überhaupt ein Thema war, antwortete der nun gewählte US-Präsident meist „Buy American“. Auch die Frage, ob er die von Barack Obama initiierte und von Donald Trump aufgekündigte Trans Pacific Partnership (TPP) wiederbeleben werde, ließ der Demokrat offen.

Es ist aus innenpolitische Gründen kaum vorstellbar, dass Biden als Präsident eine Freihandelsoffensive in Asien startet und damit jene Wähler in den Industriegebieten des Mittleren Westens vergrault, die ihm gerade seinen Wahlsieg beschert haben. „Biden wird sich wahrscheinlich wieder mit asiatischen Ländern zusammenschließen, aber er wird seine Partei nicht spalten wollen, indem er Handelsabkommen mit Ländern dort unterzeichnet“, sagte Handelsexperte Evenett.

Dennoch bringt der Abschluss der RCEP auch den neuen US-Präsidenten in Zugzwang. „Die USA haben in den letzten vier Jahren in Asien massiv an Boden verloren. Das Transpazifische Abkommen ist ohne die USA in Kraft getreten, und RCEP drängt die USA, die regional nur mit Australien, Korea und Singapur Abkommen haben, weiter aus der Region“, sagte Felbermayr.

Im Konflikt mit China stünden die USA nun ziemlich allein da. Sie hätten zwar versucht, Indien als wirtschaftliche Gegenmacht zu China aufzubauen, bisher allerdings ohne durchschlagenden Erfolg.

„Ich erwarte, dass Biden auf Europa zugehen und die Handelsgespräche wiederbeleben wird. Am besten wäre ein Freihandelsabkommen zischen der EU, den USA, Kanada und Mexiko“, sagte Bingmann.

Hoffnungen auf einen Kurswechsel der USA unter Biden hegt auch Japan: Der engste US-Alliierte setzt darauf, dass der Schwung der Freihandelsbewegung in Asien auch die US-Regierung mitreißt.

„Japan hält es für äußerst wichtig, dass Länder wie die Vereinigten Staaten der TPP beitreten und die Dynamik des Freihandels weiter ausbauen und gemeinsame Regeln aufstellen, die fit für das 21. Jahrhundert sind,“ sagte Japans Außenminister Toshimitsu Motegi im Parlament. Wohlgemerkt setzt Japan auf eine Rückkehr der USA zur TPP und nicht einen Beitritt zu RCEP.