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Alzheimer-Rückschlag von Biogen vernichtet 17 Milliarden Dollar Börsenwert

Die ohnehin lange Liste an Fehlschlägen bei der Entwicklung von Medikamenten gegen die Alzheimer-Demenz ist um einen weiteren Flop länger. Der US-Konzern Biogen und der japanische Partner Eisai gaben am Donnerstagnachmittag bekannt, dass sie die Studien mit ihrem Wirkstoff Aducanumab weitgehend einstellen. Die Zwischenanalyse durch ein unabhängiges Komitee habe ergeben, dass es unwahrscheinlich sei, dass die Studie ihren primären Endpunkt erreichen werde, teilten die beiden Unternehmen mit.

Aducanumab war bisher das prominenteste und wohl aufwendigste Entwicklungsprojekt von Biogen. Investoren reagierten daher mit großer Enttäuschung, obwohl die Risiken in der Alzheimer-Forschung seit Langem bekannt sind. Die Biogen-Aktie verlor im frühen New Yorker Handel fast 28 Prozent an Wert. Die Marktkapitalisierung des Biotech-Unternehmens reduzierte sich damit auf einen Schlag um rund 17 Milliarden Dollar.

Biogen und Eisai hatten den Wirkstoff in einer großen, zulassungsrelevanten Studie mit mehreren Tausend Patienten geprüft. „Die enttäuschende Nachricht bestätigt die Komplexität in der Behandlung von Alzheimer und den Bedarf, das Wissen in der Neurologie voranzutreiben“, kommentierte Biogen-Chef Michel Vounatsos den Fehlschlag.

In den letzten Jahren erwiesen sich im Bereich der Alzheimer-Forschung praktisch alle Entwicklungsprojekte der Pharmabranche als Flops. Zuletzt waren zum Beispiel die italienische Biotechfirma AC Immune und ihr Partner Roche mit einem Wirkstoffkandidaten gescheitert.

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Im vergangenen Jahr mussten unter anderem Astra Zeneca, Eli Lilly, Johnson & Johnson sowie Merck & Co. fortgeschrittene Projekte mangels Erfolgsaussicht aufgeben. Branchenführer Pfizer ist Anfang 2018 komplett aus der Alzheimer-Forschung ausgestiegen.

Die zahlreichen Fehlschläge stellen zusehends auch die bisherigen wissenschaftlichen Hypothesen zur Entstehung der Demenzerkrankung infrage. Aducanumab, wie auch die meisten anderen gescheiterten Wirkstoffe, zielte auf die Beseitigung bestimmter Protein-Ablagerungen im Gehirn, die sogenannten Amyloid-Plaques, die sich im Gehirn von Alzheimer-Patienten aufbauen und für Schäden an den Hirnzellen verantwortlich gemacht werden.

Viele Wissenschaftler stellen inzwischen jedoch infrage, ob diese Plaques wirklich die Ursache sind, und bezweifeln daher, ob die Ansätze der Pharmaforscher überhaupt am richtigen Hebel ansetzen. Diese Debatte dürfte durch den Flop von Biogen zusätzliche Nahrung erhalten.

Biogen setzte bisher darauf, dass sein Wirkstoff Aducanumab im Gegensatz zu den anderen, bereits gescheiterten Wirkstoffen, die Amyloid-Ablagerung an einem entscheidenden Organ angreift: im Gehirn. Aber auch diese Eigenschaft hat letztlich nicht dazu beigetragen, den Krankheitsverlauf zu stoppen oder wenigstens zu verlangsamen.

Wird Biogen zum Übernahmekandidaten?

Für das US-Unternehmen wächst nun der Druck, seine Forschungs-Pipeline weiter zu verbreitern, um die Abhängigkeit von den bisherigen Alzheimer-Projekten zu reduzieren. Manche Analysten spekulieren daher bereits, dass sich Biogen nach einer größeren Akquisition umschauen muss oder nach dem starken Wertverlust auch selbst zum Übernahmekandidaten werden könnte.

Das US-Unternehmen rangiert mit 13 Milliarden Dollar Gesamtumsatz in etwa auf Position 21 in der Pharmaindustrie. Es ist vor allem mit Medikamenten gegen die Autoimmunkrankheit Multiple Sklerose groß geworden, bei der fehlgeleitete Immunzellen die Umhüllung von Nerven angreifen.

Anders als fast alle anderen Pharmafirmen konzentriert sich Biogen in der Forschung fast ausschließlich auf die Entwicklung von Medikamenten gegen neurologische Erkrankungen. Fast 100 Prozent der Ausgaben für Forschung und Entwicklung von zuletzt 2,5 Milliarden Dollar flossen in diesen Bereich.

Aducanumab war dabei bisher das wichtigste Einzelprojekt. Darüber hinaus hatte Biogen in den vergangenen Jahren seine Forschungsaktivitäten in der Neurologie schon deutlich verbreitert, nicht zuletzt, um das Risiko bei Aducanumab abzufedern.

Mit der Entwicklung des Wirkstoffs Spinraza gegen die spinale Muskelathrophie (SMA), einer erblich bedingten Degeneration der Muskelnerven, gelang dem Unternehmen in den letzten Jahren bereits ein wichtiger Erfolg. Mit 1,7 Milliarden Dollar Umsatz im letzten Jahr entpuppte sich Spinraza als wichtiger Wachstumsträger, der die wachsende Konkurrenz im MS-Bereich mehr als ausgleichen konnte.

Firmenchef Vounatsos zeigte sich jüngst im Gespräch mit dem Handelsblatt überzeugt, dass das Unternehmen damit trotz der Fokussierung auf Neurowissenschaften ein diversifiziertes Geschäft aufbauen kann. „Das Interessante dabei ist, dass es eine Menge Synergien zwischen den einzelnen Bereichen gibt.“

Die Forschungs-Pipeline umfasst über Aducanumab hinaus inzwischen zwei Dutzend klinische Projekte, darunter fünf weitere potenzielle Wirkstoffe gegen Alzheimer, sowie eine Reihe von Produkten gegen Multiple Sklerose, Parkinson, Schlaganfall, Schmerzen und neurologische Muskelerkrankungen wie Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und SMA.

Mit Übernahme der Biotechfirma Nightstar Therapeutics für 773 Millionen Dollar verstärkte sich Biogen vor wenigen Tagen zudem im Bereich der Gentherapie. Diese könnte in den nächsten Jahren bei neurologischen Erkrankungen ebenfalls eine wachsende Rolle spielen.