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Abschied des letzten Ruhrbarons – Werner Müller verlässt Evonik

Ohne Werner Müller hätte es Evonik nie gegeben. Wegen schwerer Krankheit muss der erfahrene Manager nun abtreten. Ein Bericht von seiner letzten Hauptversammlung.

Natürlich soll es bei dieser Hauptversammlung um den Blick nach vorn gehen. Um die guten Evonik-Zahlen, um die hochtrabenden Ziele des Konzerns, um die Dividende. Doch im Zentrum steht der Abschied eines Mannes, der sich nie gern in den Mittelpunkt gedrängt hat: Werner Müller.

Routiniert wie immer führt der Chefkontrolleur durch die Tagesordnung, würdigt mit seiner sonoren Stimme die scheidenden Aufsichtsräte des Chemiespezialkonzerns, stellt die neuen Mitglieder vor. Scheinbar business as usual. Doch es ist für Müller kein einfacher Gang.

Erst Ende Februar gab die RAG-Stiftung bekannt, dass ihr Chef am 24. Mai aus gesundheitlichen Gründen von allen Ämtern zurückzutreten wird, auch von den Aufsichtsratsmandaten wie hier bei Evonik. Müller ist bei seinem Auftritt in der Essener Grugahalle schon gezeichnet von seiner schweren Krankheit. Bei der HV vor einem Jahr hatte der 71-Jährige noch volles weißes Haar, nun sind nur noch kurze Stoppeln zu sehen.

„Ohne Sie“, sagt Evonik-CEO Christian Kullmann, „würde es Evonik gar nicht geben.“ Er sei der Gründungsvater und werde das immer bleiben – wurde daher jüngst auch zum Ehrenvorsitzenden ernannt. In der Vorbereitung der Sitzung habe Müller ihm gesagt, dass das Leben Dienst sei. „Ihren Dienst für unser Land, für das Ruhrgebiet und für Evonik haben Sie auf herausragende Art geleistet“, lobt Kullmann.

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Das Publikum applaudiert, Müller guckt dabei auf den weißen Tisch vor ihm, schielt nur ab und an rüber zu Kullmanns Pult. Im Anschluss bittet er alle Redner, sich an die Tagesordnung zu halten. „Dazu gehört mein Ausscheiden nicht, dabei sollten wir es auch bewenden lassen“, murmelt er ins Mikro.

Doch niemand tut ihm den Gefallen. Zu Recht. Müller, diplomierter Volkswirt und promovierter Sprachwissenschaftler, ist ein Urgestein der Branche. Seinen ersten Job hat er 1973 bei RWE, wechselt später zur Veba. 1998 folgt er dem Ruf Gerhard Schröders, wird im ersten rot-grünen Kabinett parteiloser Wirtschaftsminister – und handelt fortan mit der Industrie den Atomausstieg aus.

Müllers großer Coup

Im Jahr 2003 sein Wechsel zurück: Müller wird Chef der Ruhrkohle AG. Er führt die vom Staat dominierte RAG in die schwarzen Zahlen. Sein wohl größter Clou: Er richtet den Konzern neu aus, gegen alle Widerstände aus der Politik.

Die RAG kümmert sich fortan um die Ewigkeitsaufgaben des Steinkohlebergbaus. Der profitable, weiße Unternehmensteil, geht in Evonik auf. Seit 2012 ist Müller Chef der RAG-Stiftung, die 100 Prozent an der RAG und 68 Prozent an Evonik hält. Nun tritt er also ab, der letzte Ruhrbaron, der gern Zigarillos raucht und Tee trinkt, der immer bescheiden blieb, in einem Einfamilienhaus zur Miete wohnen soll.

Erst vor gut einem Monat erhielt er den Landesverdienstorden, wurde von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet als „Pionier und Gestalter der Zukunft des Ruhrgebiets“ gefeiert. Der Verdienstorden ist nur auf 2500 Träger begrenzt. „Ich hoffe, dass ich ihn einige Zeit tragen kann“, sagte Müller. Auf der anderen Seite wisse er aber auch, dass er den Platz „in absehbarer Zeit wieder freimachen“ könne. „Das ist leider so. Ich bin etwas heftiger erkrankt.“

Zu Müllers Nachfolger als Aufsichtsratschef ist Bernd Tönjes gewählt werden, der ihm auch als Vorstandsvorsitzender der RAG-Stiftung nachfolgt. Als weiteres neues Mitglied zieht der Schweizer Unternehmer Peter Spuhler ins Kontrollgremium ein. Er ersetzt Wolfgang Herrmann, Präsident der TU München.

„Hebamme und Vater zugleich“

Alle Redner in der Grugahalle finden lobende Wort für Müller. Sie bezeichnen ihn als Architekten des Erfolgs, als „Hebamme und Vater zugleich“, als unermüdlichen Visionär. Eine Aktionärsvertreterin hofft, dass die HV nicht mehr allzu lange dauere, aus Respekt vor Müllers Gesundheit.

Müller dreht sich während ihres Beitrags immer wieder auf seinem Stuhl hin und her, muss zwischendurch hüsteln. Dann sagt er: „Danke für Ihre sehr liebenswerten Worte. Ich darf ihn versichern: Auf dem Kopf sieht es etwas kahler aus, im Kopf ist alles klar.“ Und auf Fragen müsse auch niemand verzichten. „Ich bin zuhause nicht vor 16 Uhr angemeldet.“