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Nach ‘Abgrund’ und ‘Kernschmelze’: Die Wirtschaft ist aus dem Gröbstem raus

(Bloomberg) -- Der Frühling steht bevor und in der deutschen Wirtschaft macht sich leiser Optimismus breit, dass die schlimmsten Folgen des Krisenjahres 2022 überwunden sind.

Weitere Artikel von Bloomberg auf Deutsch:

Die befürchtete Schrumpfung der Wirtschaftsleistung wird sich in diesem Jahr wohl nicht einstellen. Allenfalls droht eine leichte Rezession, die bis zum Sommer überwunden sein dürfte. Manche halten selbst die nicht mehr für ausgemacht, etwa die Analysten von Goldman Sachs.

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Auch ein Blick auf die aktuellen Kennzahlen der Deutschland AG gibt Anlass zur Hoffnung. Industrieproduktion und Geschäftserwartungen haben die höchsten Werte seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine erklommen. Gleiches gilt für den Leitindex Dax — trotz des schmerzhaften Dämpfers am Freitag.

In den Konzernzentralen der deutschen Schlüsselindustrien sprießt die Zuversicht — Volkswagen, immerhin Europas größter Autobauer, erwartet für dieses Jahr einen Umsatzsprung von 15%.

Hilfe kommt für die global vernetzte deutsche Wirtschaft von außen. Das Ende der drakonischen Covid-Maßnahmen in China hat vielen Exporteuren bessere Aussichten beschert. Der Schub bei den Auftragseingängen aus dem Ausland zu Beginn des Jahres könnte ein Vorgeschmack auf das gewesen sein, was noch kommen wird.

Einige Schwalben machen zwar noch keinen Sommer. Schließlich hallt der beispiellose Lebenshaltungskostenschock unter den Verbrauchern nach und die aggressiven Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank sickern in die Realwirtschaft durch. Die Immobilienmärkte haben sie vielerorts bereits schwächeln lassen.

Aber die vorherrschende Stimmung ist doch eine völlig andere als im vergangenen Jahr, als in den Worten von Wirtschaftsminister Robert Habeck wegen der Abhängigkeit von russischer Energie eine “Kernschmelze der deutschen Industrie” drohte und man “in den Abgrund geguckt” habe.

Was Bloomberg Economics sagt...

“Die deutsche Wirtschaft hat sich über den Winter als überraschend robust erwiesen, und die jüngsten Indikatoren geben Anlass zu Optimismus für die kommenden Monate. Vor dem Hintergrund einer strafferen Geldpolitik dürfte die Konjunktur 2023 jedoch kaum an Fahrt gewinnen.”

-Martin Ademmer, Ökonom

Noch vor etwas mehr als vier Monaten rechneten die Auguren der Europäischen Kommission damit, dass Deutschland 2023 der stärkste wirtschaftliche Einbruch der gesamten Eurozone blühe.

Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte zu Jahresbeginn optimistisch, er sei überzeugt, dass der Einbruch nicht eintreten werde. Habeck war weniger positiv gestimmt, betonte aber, dass die schlimmsten Szenarien vermieden worden seien.

Tatsächlich schrumpfte die Wirtschaft im vierten Quartal um 0,4% — weniger als die Hälfte der damaligen Kommissions-Prognose. Für das erste Quartal erwarten Volkswirte laut der monatlichen Umfrage von Bloomberg zwar weiterhin einen Rückgang von 0,3%. Die Prognosen für das Jahr insgesamt haben sich jedoch verbessert und deuten darauf hin, dass das Bruttoinlandsprodukt unverändert bleiben wird.

Doch es könnte noch besser kommen.

Der Erwartungsindex des Ifo-Instituts ist im vergangenen Monat stärker als erwartet gestiegen — auf den höchsten Stand seit einem Jahr. Die Industrieproduktion kletterte im Januar um 3,5% — mehr als doppelt so viel wie erwartet. Auch die Auftragseingänge in den Fabriken nahmen unerwartet zu.

VW ist ein gutes Beispiel für die freundlichere Stimmung. In diesem Monat sagten die Wolfsburger dank voller Auftragsbücher und einer Entspannung bei den Halbleiter-Lieferengpässen einen Umsatzsprung voraus.

Die zuletzt arg gebeutelte Continental AG ist ein weiterer Lichtblick.

Nach dem vergangenen “extrem herausfordernden und schwierigen Jahr” könne der Autozulieferer “einen Ausblick geben, der auf mehr Wachstum, höhere Umsätze und höhere Gewinne abzielt”, sagte der Vorstandsvorsitzende Nikolai Setzer diese Woche gegenüber Bloomberg TV.

Was die Wirtschaft rettete, war eine Kombination aus Glück in Gestalt eines milden Winters, der einen geringeren Energieverbrauch bedingte, und den Bemühungen der Regierung, alternative Erdgasquellen zu erschließen und die Speicher zu füllen.

Ganz über den Berg ist die Wirtschaft damit noch nicht. Der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) meldete im Januar einen drastischen Auftragsrückgang und begründete dies mit der anhaltenden Unsicherheit — trotz der nachlassenden Lieferengpässe.

Der private Verbrauch ist angesichts einer Inflationsrate von immer noch 9,3% ein Schwachpunkt: die Einzelhandelsumsätze sind im Januar einen zweiten Monat lang gesunken. Bundesbank-Chefvolkswirt Jens Ulbrich warnte vor Rückgängen bei Wohnbauinvestitionen und einem “perfekten Sturm” aus steigenden Zinsen, Realeinkommensverlusten, Inflation, höheren Energiepreisen und höheren Kreditrisiken.

Eine weitere Zinserhöhung durch die EZB in der nächsten Woche — nach den bisherigen Erhöhungen um mehr als 300 Basispunkte — wird ebenfalls das Wachstum bremsen.

Ein vom DIW Berlin zusammengestellter Gesamtindex von Indikatoren ist im Februar zurückgegangen. Geraldine Dany-Knedlik, eine Ökonomin des Instituts, räumte ein, dass die Wirtschaft die Talsohle noch nicht durchschritten habe. Wohl aber sähen die Dinge positiver aus als Ende letzten Jahres.

Selbst wenn Deutschland in diesem Quartal eine Schrumpfung erleiden sollte, ist bereits jetzt klar, dass die damit verbundene Rezession weit weniger schädlich sein wird, als sie hätte sein können. So ist die Arbeitslosigkeit nicht über 5,5% gestiegen, und auch die staatlichen Hilfen für Haushalte, die mit hohen Energierechnungen konfrontiert sind, haben geholfen.

Und nachdem die Auftragseingänge bereits im Januar durch einen Anstieg von 11,2% aus Ländern außerhalb des Euroraums befeuert worden waren, hat die deutsche Industrie nun gute Gründe, auf den Aufschwung in China zu setzen.

Überschrift des Artikels im Original:Germany Turns Page on Economic Abyss With Sign of Green Shoots

--Mit Hilfe von Julia Manns und Oliver Crook.

(Wiederholung von Samstag)

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