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90 Milliarden Dollar - weil Frauen endlich Auto fahren dürfen

Seit diesem Sonntag können in Saudi-Arabien Frauen endlich selbst Auto fahren. Das Könighaus erwartet sich davon auch einen ökonomischen Push.

Es waren keine 24 Stunden mehr bis in Saudi-Arabien erstmals Frauen Auto fahren durften an diesem Sonntag, da saß Enaam Gazi Al Aswad bereits hinter dem Steuer ihres silberfarbigen Geländewagens. In einem Video wurde die 43-Jährige gezeigt, die von da an nicht nur als eine der ersten Frauen im Königreich ihren 2013 gekauften – und bisher in Dubai gefahrenen –Wagen selbst lenkt, sondern auch noch die erste weibliche Chauffeurin Saudi-Arabiens wird.

Careem, der Uber-Klon aus Dubai, hat die geschiedene Frau aus Syrien als erste „Captainah“ ausgewählt, also die erste Taxifahrerin Saudi-Arabiens. „Endlich kann ich in Saudi-Arabien Auto fahren wann und wo ich will, und das auch noch für Geld“, freut sich Al-Aswad in dem im Internet verbreiteten Video. „Das ist eine echte Chance und das wird in die Geschichte eingehen.“

Worte, die man von vielen Frauen am Sonntagmorgen hörte, die sich erstmals legal hinters Steuer setzen durften. „Der Verkehr fließt normal“, rapportierten die zuständigen Behörden. Saudi-Arabien war das letzte Land auf der Welt in dem Frauen nicht Auto fahren durften.

Tatsächlich ist das Recht für Frauen selbst Auto zu fahren in dem bislang als erzkonservativ geltenden Petrostaat, ein historischer Durchbruch. Jahrzehntelang war das – bis auf dem riesigen Gelände des Ölgiganten Saudi Aramco in Dammam im Osten der größten Volkswirtschaft am Golf – verboten. Doch seit zwei Jahren mischt der junge Kronprinz Mohammed bin Salman seine Heimat auf: Die strenge Sittenpolizei sitzt nur noch in ihren Büros statt händchenhaltende Paare auf den Straßen zu verfolgen. Frauen dürfen in Fußballstadien, Kinos wurden nach Jahrzehnten des Verbots eröffnet, Wrestlingturniere veranstaltet, aus Restaurants dröhnt Musik – alles bis dahin undenkbar.

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MbS, wie der Kronprinz von seinen zumeist jugendlichen Anhängern im Königreich genannt wird, will aber gar nicht in erster Linie Frauen mehr Rechte einräumen – sondern vor allem die Wirtschaft seines Landes fit machen für die Zeit nach der Dominanz des Erdöls. Seine „Vision 2030“ sieht dreistellige Milliarden-Investitionen in neue Industrien vor und will mit der Abhängigkeit der Ölkonjunktur des Landes brechen.


Frauen loben den Kronprinzen

Das Ende des Frauen-Fahrverbots „ist nicht nur ein Schritt zur Emanzipation, sondern vor allem eine wichtige Maßnahme für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung unseres Landes“, sagte Hind Khalid Al-Zahid. Als Exekutiv-Direktorin der Dammam Airport Company war sie die erste Frau in der Führungsspitze eines saudischen Unternehmens.

Bisher seien Frauen mit 22 Prozent aller Arbeitskräfte unterrepräsentiert, meinte die Chefin des Businesswoman Centers in der Industrie- und Handelskammer der Ostprovinz. Durch die Aufhebung des Fahrverbots für Frauen werde es nun leichter Jobs anzunehmen. Nur so könne der Plan der „Vision 2030“, bis dahin 30 Prozent der Arbeitsplätze mit Frauen zu besetzen, auch realisiert werden. Eine Studie der Industrie- und Handelskammer der Wirtschaftsmetropole Dschidda am Roten Meer hatte ergeben, dass Transportfragen bisher das Hauptproblem auf dem Weg zu mehr Beschäftigung von Frauen sei. Und vergessen scheint zumindest an diesem Tag, dass kurz vor dem Fall des Frauen-Fahrverbots noch Aktivistinnen und ihre Anwälte festgenommen wurden, die seit langem für das Recht auf Autofahren geworben und Frauenrechte eingefordert hatten.


Es geht um 90 Milliarden

Dabei geht es nicht nur die Möglichkeit für Frauen an ihre Arbeitsstelle zu kommen, in einem Land, in dem die wichtigsten modernen Verkehrsmittel – wie die Metro in der Hauptstadt Riad, noch im Bau sind. Und wo bisher immer ein Fahrer für Frauen eingestellt, bezahlt und auch im Hause verpflegt werden musste. Das fraß oftmals mehr Geld als Frauen mit ihren Jobs verdienten.

Es geht auch um Jobs für Frauen als Fahrerinnen und in damit verbundenen Berufen: Zehn Stunden musste Enaam Gazi Al Aswad, Careems erste Captainah, Fahrtraining im Königreich nachweisen, dann wurde ihr syrischer Führerschein um einen saudischen ergänzt. Züchtig in einen schwarzen Niqab – die arabische Frauenkleidung – gehüllt, nahm sie ihn entgegen. „Frauen am Steuer stärken unsere Chance zur Teilhabe in dieser Gesellschaft“, ist sie überzeugt und fügt hinzu: „Und es ist extrem gut für das Sozialleben im Land.“

3000 Frauen hatten sich bei Careem als Fahrerinnen beworben. 100.000 Frauen will das Unternehmen bis 2022 anstellen, kündigte Careem-CEO Mudassir Sheikha an. Sein Unternehmen wolle so engagiert die „Vision 2030“ umsetzen, 100 Millionen Dollar in den Ausbau des Fahrdienstleisters und seiner Apps investieren. Schon jetzt seien 70 Prozent der Kunden Frauen, sie wünschten sich aber eben auch weibliche Fahrerinnen.

Daneben sind Frauen nun auch erstmals zu mehreren hundert als Polizistinnen und 40 Frauen bei Versicherungen zur Bearbeitung von Schadensfällen eingestellt worden. Auch als Lkw-Fahrerinnen lassen sich erstmals saudische Frauen ausbilden – denn auch dies ist seit Sonntag erlaubt. 90 Milliarden Dollar mehr Wirtschaftsleistung soll die Aufhebung des Frauen-Fahrverbots für Saudi-Arabien bringen, ergab eine Berechnung von Experten, die die Nachrichtenagentur Bloomberg veröffentlichte.

In der jüngsten, am Freitag veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov für die in Dschidda erscheinende „Arab News“ zeigte sich, dass 82 Prozent der saudischen Frauen und 71 Prozent männlicher Saudis das Recht für Frauen auf Autofahren unterstützen. Bis zuletzt hatten islamistische Hardliner dagegen demonstriert, ein radikaler Imam warnte vor „Schäden an den Eierstöcken durch Sitzen hinter dem Steuer“. Frauen seien auch vermehrt „sexuellen Belästigungen“ ausgesetzt, wenn sie sich allein im Auto fortbewegten. Deshalb hatte die Regierung in Riad Strafen für diese Fälle drastisch verschärft. Nun drohen bei Belästigung fünf Jahre Haft und umgerechnet 80.000 Dollar.


Streit um das richtige Auto


Zumindest die seit dem Ölpreisverfall deutlich verringerten Autoverkäufe in den Golf-Staaten wurden durch die Entscheidung wieder kräftig angekurbelt. „Während des Ramadan vor einem Jahr haben wir gerade ein Prozent der Autos an Frauen verkauft, in diesem Jahr, wo der Ramadan vor neun Tagen zu Ende ging, waren es 25 Prozent“, berichtet Mohammed Mohsen Al-Amoudi, Sales Manager bei United Motors Co. in Dschidda. Die Frauen würden nicht mehr Autos für ihre Fahrer kaufen, sondern für sich. Landesweit wurden vor diesem Sonntag Auto-Messen für Frauen oder spezielle Fahrsimulator-Shows abgehalten.

United Motors Co. hat den Exklusivvertrieb für Pkw der Marken Chrysler, Dodge, Jeep, Ram, Fiat und Alfa Romeo im Königreich. Und Al-Amoudi hat festgestellt, dass Frauen am liebsten kleine SUVs kaufen würden, „bei uns den Jeep Wrangler“. Aber auch BMW und Toyota SUVs sind laut saudischen Medienberichten sehr beliebt. YouGov hat indes ermittelt, dass Toyota und Mercedes Benz die bei saudischen Frauen beliebtesten Marken seien.