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Wohnungsnot: Wie das Co-Living-Startup dieses Gründers rasant wächst

Habyt-Gründer Luca Bovone will bestehende Wohnflächen effizienter nutzbar machen. - Copyright: Habyt
Habyt-Gründer Luca Bovone will bestehende Wohnflächen effizienter nutzbar machen. - Copyright: Habyt

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Wenn Airbnb der Schurke im Immobilien-Geschäft ist, dann zählt sich Habyt-Gründer Luca Bovone zu den Guten. Statt gutgelegene Apartments dem Wohnungsmarkt zu entziehen und sie Touristen für kurze Städtetrips anzubieten, will der 32-Jährige mehr Wohnraum schaffen – und zwar langfristig. Von Regierungen und Behörden werde er deswegen gemocht, pflege zu ihnen „ein sehr gutes Verhältnis“, wie Bovone sagt. Auf seiner Plattform Habyt bietet der Gründer insgesamt mehr als 30.000 Wohneinheiten in mehr als 50 Städten in Europa, Asien und Nordamerika an. Sein Trick ist eigentlich simpel: Wände verrücken.

Aus einer typischen 75 Quadratmeter großen Wohnung in Berlin, in die sonst ein Single-Haushalt oder ein Paar einzieht, macht der Gründer Platz für mindestens vier Bewohner. Kleinere Räume, dafür aber mehr Appartements in Summe lautet seine Devise, um den Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Großstädten zu lösen. Denn gerade in Deutschland sind trotz zugespitzter Lage – geschätzte 700.000 Wohnungen sollen fehlen – die Wohnverhältnisse immer üppiger geworden: Laut Statistischem Bundesamt hatte eine Person Ende 2021 durchschnittlich rund 48 Quadratmeter Wohnfläche und 2,3 Räume zur Verfügung – ein Anstieg von rund 37 Prozent binnen 30 Jahren. In anderen Ländern wie Japan gehört das Leben auf wenig Wohnfläche, sogenannte „Mikro-Appartements“, hingegen schon lange zum Alltag der Stadtbewohner dazu.

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Daran knüpft Bovone an, das Konzept nennt sich auch „Co-Living“. Ursprünglich war die Idee davon, Menschen, die dieselben Interessen verbinden oder aus ähnlichen Jobs kommen, in einer Wohngemeinschaft zusammenzubringen. Dabei teilen die Bewohner neben Küche, Bad und Wohnzimmer zum Beispiel auch Co-Working-Spaces. Im Gegensatz zu einer Studenten-WG bekommen sie jedoch Hotel-ähnliche Services geboten, so sind etwa eine wöchentliche Reinigung, neue Möbel sowie die Kosten für Wlan und Strom im Gesamtpreis enthalten.

Wandel von Co-Living: Zugang zu Wohnraum wichtiger als Gemeinschaft

Laut Bovone, der Habyt 2017 in Berlin gründete, habe sich der Zweck seines Startups in den vergangenen Jahren verändert: „Wir hatten einen sehr grundlegenden und tiefgreifenden Pivot in unserem Wertversprechen“, sagt der Gründer. „Durch Kundenbefragungen haben wir erkannt, dass nicht Gemeinschaftsinteressen den Wert von Habyt ausmachen, sondern eher der Zugang zu Wohnraum, was auch mit der anhaltenden Wohnungskrise zu tun hat, die viele Städte erleben.“ Inzwischen gehe es darum, den Menschen, die keine Wohnung finden, zu helfen. Das sei zum Beispiel ein Ingenieur aus Indien, der nach Berlin zieht, um für ein großes Unternehmen wie Zalando zu arbeiten. Generell seien die meisten Kunden von Habyt um die 30 Jahre alt, alleinstehend und berufstätig, aber auch junge Paare oder junge Familien würden größere Wohnungseinheiten anmieten. Rund 70 Prozent der Kunden gingen zum Arbeiten oder Studieren ins Ausland, 30 Prozent seien Einheimische.

Für ein voll ausgestattetes Zimmer mit zwölf Quadratmetern in einer Dreier-WG im Berliner Stadtteil Wedding verlangt Bovone monatlich 830 Euro. Die Servicegebühren sind dabei in dem Preis bereits enthalten. Eine möblierte Wohnung mit einer Fläche von 38 Quadratmetern, gelegen in Moabit, kostet auf der Plattform 1.450 Euro im Monat. Damit liegen die Habyt-Mieten deutlich über dem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 18,30 Euro, der laut Immobilienmakler Engel & Völkers seit 2023 in Berlin üblich ist. Bovone verlangt mit seinen Apartments damit doppelt bis viermal so viel wie ein durchschnittlicher Vermieter in Berlin-Mitte.

Um sein Angebot aufzubauen, kauft oder pachtet Bovone gezielt Neu- und Altbau-Wohnungen. Diese lässt der Gründer so sanieren, dass sie in der Fläche effizienter genutzt werden können und zudem nachhaltiger sind. Durch bessere Dämmung und umweltschonende Materialien sollen etwa der Strom- und Gasverbrauch pro Person gesenkt werden. Hauseigentümer, die zwar hohe Investitionskosten auf sich nehmen, würden nach der Sanierung durch maximale Renditen profitieren, so der Gründer. Mit ihnen geht Bovone entweder einen langfristigen Pachtvertrag ein oder vereinbart einen Management-Vertrag, wobei das Startup von den Mieteinnahmen einen festen prozentualen Abschlag kassiert.

In gemeinsam genutzten Räumen wie diesem in Berlin können die Habyt-Bewohner arbeiten, entspannen oder essen. - Copyright: Habyt
In gemeinsam genutzten Räumen wie diesem in Berlin können die Habyt-Bewohner arbeiten, entspannen oder essen. - Copyright: Habyt

Aggressive Expansion: Sechs Übernahmen in sechs Jahren

Auf diese Weise konnte der gebürtige Italiener mit seinem Startup in sechs Jahren ein beachtliches Wachstum hinlegen – und Wettbewerber aus dem Weg räumen. In Deutschland übernahm Habyt 2021 die Co-Living-Plattform Homefully aus Frankfurt sowie die Berliner Anbieter Goliving und Quarters. Im selben Jahr schnappte sich Bovone zudem das spanische Startup Erasmo’s Room. Im vergangenen Jahr setzte der Gründer seine Expansion in Asien und Nordamerika fort und übernahm zunächst Hmlet aus Singapur, 2023 dann den US-Anbieter Common Living. Sein Kalkül: Weltweit einen großen Bestand an Wohnungen aufzubauen, dabei aber das Risiko möglichst gering zu halten.

Gleichzeitig stößt er so eine Konsolidierungswelle in Gang: „In Europa wachsen wir derzeit so stark aus eigener Kraft“, sagt Bovone. „Es gibt keinen signifikanten anderen Player, der groß genug ist, dass eine Übernahme für uns noch sinnvoll wäre.“ Nur in den für Habyt sekundären Märkten, Asien und den USA, sieht der Gründer noch Potenzial: „Wir arbeiten derzeit an einigen potenziellen Transaktionen in diesen Regionen.“ In Kanada ist Bovone bereits vorgedrungen, dort sollen weitere 10.000 Wohneinheiten entstehen. Zudem sei bis 2024 geplant, das Portfolio in Hongkong und Singapur zu verdoppeln und in Nachbarländer zu expandieren.

Habyt bekommt 40 Millionen Euro in Series-C-Runde

Für seine Pläne hat sich Bovone im Sommer neues Kapital gesichert: Rund 40 Millionen Euro sammelte der Gründer in seiner aktuellen Series-C-Finanzierung ein. Das bis dato letzte Geld, rund 20 Millionen Euro, floss im Juni 2021 in Habyt. Angeführt wurde diese Runde von den neu eingestiegenen Geldgebern Deutsche Invest aus München und Korelya Capital, einem Pariser VC, der von der früheren französischen Kulturministerin Fleur Pellerin gegründet wurde. Außerdem beteiligten sich der New Yorker Fonds Exor Ventures und der Beteiligungsarm der Non-Profit-Organisation Endeavor.

Bestandsinvestoren, darunter die italienische VC-Firma P101, HV Capital aus München, Vorwerk Ventures und die Risikokapitalgeber Norwest und Kinnevik erhöhten ihren Einsatz erneut. Mithilfe des Geldes will Bovone neben dem Markteintritt in neuen Gebieten auch die Umstrukturierung des zuletzt erworbenen US-Unternehmens Common Living abschließen und dort 2024 profitabel werden. In den beiden anderen Märkten Europa und Asien schreibe das Startup eigenen Angaben zufolge bereits schwarze Zahlen. Das Unternehmen gibt an, in diesem Jahr seine Umsätze über 40 Prozent gesteigert zu haben. Laut Bovone würde sein Startup mit der Appartement-Vermietung 2023 mehrere hundert Millionen Euro erwirtschaften.

Mit Anbietern wie dem Münchener Startup Limehome will sich Bovone nicht vergleichen. Der Anbieter von Serviced Appartements hat im vergangenen Jahr eine ähnlich hohe Summe, rund 45 Millionen Euro, von Investoren eingesammelt. Im Gegensatz zu Habyt setzen die Gründer Josef Vollmayr und Cesar de Sousa Freitas jedoch auf Wohnungen auf Zeit, indem sie nicht-genutzte gewerbliche Flächen wie Hotels, Büros oder Geschäfte in Wohnungen mit Hotelleistungen umwandeln. Genauso handhaben es andere Startups wie Stayery oder Vision Appartements, die mit ihrem Konzept vor allem Touristen und Geschäftsreisende ansprechen: Da es sich um gewerbliche Flächen handelt, ist die Vermietungsdauer auf maximal sechs Monate begrenzt.

Bovone zufolge betrage der durchschnittliche Aufenthalt, den Kunden in Serviced Appartements verbringen, vier bis fünf Tage, während die Wohnungen von Habyt im Schnitt neun Monate belegt werden. Nach oben sei das Zeitfenster zudem offen. „Es gibt also eine Überschneidung, wobei ihr Maximum sehr ähnlich zu unserem Minimum ist.“ Bei Habyt machten gewerbliche Flächen gerade mal drei Prozent des Portfolios aus, sagt der Gründer.

Umwandlung von ungenutzten Büros in Wohnraum: Gründer hofft auf mehr staatliche Anreize

Dass angesichts des Übergangs zum Homeoffice eine wachsende Zahl von Büros leer steht, die potenziell in Wohnungen umgewandelt werden könnten, überzeugt den Gründer noch wenig. Er findet, dass dies eher „ein Trend zum Reden als zum Handeln“ sei. „Die Regierungen haben keine Anreize geschaffen oder die Bürokratie abgebaut, um sicherzustellen, dass die Umwandlung von Büro- in Wohnimmobilien schneller vonstatten geht“, so Bovone.  Überhaupt sei der Prozess mit hohen Kosten verbunden. „Die Gebäude sind nicht wirklich für das Wohnen geeignet, da sind offene Etagen und es fehlen Rohrleitungen für mehrere Bäder.“

Dennoch sieht sich der Gründer gut aufgestellt, um mit Behörden und Gemeinden in Diskussion zu treten, wie Anreize für Umwandlungskonzepte geschaffen werden könnten. Und dann sieht Bovone vor allem Co-Living-Anbieter, statt Serviced-Appartement-Startups am Zug: „Man wird die Wohnungskrise nicht dadurch lösen, dass man ein Büro in ein Premium-Apartment umwandelt. Aber wenn man Büros in Wohngemeinschaften mit vielen kleinen Zimmern umwandelt, wird das Produkt erschwinglicher, und es können viel mehr Menschen in der Stadt leben.“

Trotz seiner Mission will Bovone diejenigen Kunden, die doch nur einen Monat oder 20 Tage an einem Ort bleiben wollen, nicht verlieren – vor allem nicht an Anbieter wie Limehome. Auch deshalb hat der Gründer nun erste Hotels in Singapur, Madrid und Berlin eröffnet. Ein weiteres soll demnächst in Hamburg hinzukommen. Für Bovone haben die Hotels noch einen weiteren Vorteil: So kann er Immobilieneigentümern gerecht werden, die neben Wohnflächen auch gewerbliche Flächen besitzen und für diese einen einheitlichen Pächter suchen. Der Gründer betont, dass der Fokus auf Co-Living aber weiterhin bestehen bleiben soll. „Ich werde nicht eines Morgens aufwachen und sagen: OK, nun will ich mit Marriott oder Hilton oder einer dieser Gruppen konkurrieren.“