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Wie Wirtschaftskanzleien durch die Coronakrise kommen

Viele Branchen leiden stark unter der Pandemie. Wirtschaftskanzleien gehören nicht dazu. Vor allem Restrukturierer, Finanzierungsexperten und Arbeitsrechtler gehören zu den Gewinnern.

Andreas Steck war der Erste, der bei Linklaters in die Tasten griff. Die Kanzlei hatte in der Coronakrise zu dem Video-Musikprojekt „Jams from Home“ aufgerufen, und der Senior Partner der Kanzlei in Deutschland ließ sich nicht lange bitten. Am Klavier zu Hause in Wiesbaden begleitete Steck einen jungen Associate, der Elton Johns „Your Song“ anstimmte. Seit der Premiere des Kanzleimanagers am 21. März gab es bei Linklaters neun weitere Auftritte. „Das Musikprojekt war ein großer Erfolg. Es unterstreicht eindrucksvoll den Spirit in unserer Kanzlei und bringt uns alle noch ein Stück näher zusammen“, freut sich Steck.

Der Ausbruch des Coronavirus hat einiges in Unordnung gebracht in der Welt der Wirtschaftsanwälte. Die Juristen sind es gewohnt, ständig unterwegs zu sein. Sie handeln Fusionen und Übernahmen aus, organisieren Börsengänge und Finanzierungen oder fädeln Private-Equity-Beteiligungen ein. Das Geschäft ist meist international, ihre Kanzleien sind entweder mit Büros in vielen Ländern vertreten oder sie sind Teil einer grenzüberschreitenden Allianz. Der jahrelange Wirtschaftsaufschwung bescherte den Spezialisten Rekordumsätze und jährlich wachsende Gewinne und Gehälter. Die Stimmung in der Branche war prächtig.

Dann kam Corona. Seitdem am 23. März 2020 das öffentliche Leben in Deutschland massiv eingeschränkt wurde, befindet sich auch die Wirtschaft in einem Schockzustand. Mit der Krise platzten IPOs und Unternehmenskäufe, Gerichts- und Schiedsverfahren wurden auf Eis gelegt, Meetings und Konferenzen abgesagt. Manche Wirtschaftsjuristen waren kaum noch gefragt, andere umso mehr.

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Das Coronavirus hat alle Wirtschaftsanwälte dazu gezwungen, anders zu arbeiten als zuvor. Die Vielflieger-Zeiten sind fürs Erste vorbei, statt Marathonverhandlungen in Bürohochhäusern gibt es nun Videokonferenzen aus dem Homeoffice. Dem Zusammenhalt der Anwälte untereinander hat die Ausnahmesituation kaum geschadet. Im Gegenteil: Viel Kanzleimanager klingen überraschend positiv, so wie Steck von Linklaters: „Die Situation hat uns als Kanzlei auf eine besondere Weise sogar näher zusammengebracht. Derzeit sind wir alle länder-, standort- und teamübergreifend gleich weit voneinander entfernt, nämlich genau einen Mausklick.“

Mit 77 Büros in fast allen Regionen der Erde ist Wettbewerber Baker & McKenzie eine der weltweit größten Kanzleien, allein in Deutschland arbeiten mehr als 200 Anwälte für Baker. Auch hier gelang die Umstellung weitgehend reibungslos. „Die weltweit installierten Videokonferenzsysteme erlauben uns, wie gewohnt über mehrere Zeitzonen und Ländergrenzen hinweg mit unseren Mandanten zu sprechen und sie zu beraten“, sagt Managing Partner Matthias Scholz.

Mehr Umweltschutz dank Corona

Auch in Zukunft werde das bei Baker & McKenzie einiges verändern. „Wir haben erkannt, dass die technologische Infrastruktur und die Prozesse vorhanden sind, um unsere Arbeit und unsere Mandantenbetreuung unabhängig von unserem Standort zu erbringen“, sagt Scholz. Man werde ein neues Gleichgewicht zwischen Präsenz und virtuellem Arbeitsplatz finden – auch um in Zeiten des Klimawandels den eigenen CO2-Fußabdruck nachhaltig zu reduzieren. Das Motto lautet: Kosten sparen und die Umwelt schonen.

So verändert die Pandemie die Welt der Wirtschaftsanwälte rasant. „Die Coronakrise hat einige wichtige Digitalisierungsprojekte, die kanzleiintern geplant und bereits auf einem guten Weg waren, sicher deutlich beschleunigt“, berichtet Alexander Schwarz, Co-Managing-Partner von Gleiss Lutz. Gleiss ist in sechs deutschen Städten vertreten und hat ein Büro in Brüssel. Man habe Mitte März über 600 Mitarbeiter quasi über Nacht ins Homeoffice geschickt – und das reibungslos. „Von den Maßnahmen, die hier umgesetzt wurden, profitieren wir und unsere Mitarbeiter auch in Zukunft“, sagt Schwarz.

Geschäftlich hat die Krise bei Gleiss Lutz laut Schwarz bislang keinen Schaden angerichtet. Die Kanzlei mit Stammsitz in Stuttgart profitiert laut Schwarz von ihrem Full-Service-Ansatz. Das heißt, dass die Sozietät ein breites Spektrum an Rechtsgebieten abdeckt. In den ersten Wochen sorgten die neuen gesetzlichen Regelungen zur Abmilderung der Folgen der Coronakrise für zusätzliche Mandate.

Bei Gleiss Lutz gab es Aufträge auf neuen Beratungsfeldern. „Das betraf insbesondere Fragen zur Umsetzung der neuen rechtlichen Rahmenbedingungen, Fragen zu staatlichen Beihilfen, Restrukturierungs- und Insolvenzthemen, außerdem natürlich arbeitsrechtliche Fragen oder zum Beispiel Datenschutzthemen“, sagt Schwarz. Selbst das M & A-Geschäft ziehe inzwischen wieder an. Gleiss Lutz sieht sich auf einem guten Kurs, auch wenn es noch zu früh sei, die Folgen für das Geschäftsjahr 2020 vollständig abzuschätzen.

Der Optimismus der meisten Kanzleimanager klingt fast schon unwirklich in dieser Zeit. Während es tagtäglich neue Hiobsbotschaften aus der Wirtschaft gibt, läuft es in den meisten Sozietäten gut. Vor allem die Alleskönner sind aktuell im Vorteil. Wie bei Gleiss Lutz werden Einbußen in bestimmten Praxen durch zusätzliche Aufträge in anderen Praxen kompensiert.

Keine Kündigungen, keine Kurzarbeit

Wettbewerber CMS Hasche Sigle ist gemessen an der Zahl der Anwälte die größte Wirtschaftskanzlei in Deutschland. Mit rund 550 Berufsträgern erwirtschaftete die Firma zuletzt einen Umsatz von gut 320 Millionen Euro. CMS gehört zwar nicht zu den profitabelsten Kanzleien hierzulande, ist aber an allen wichtigen Standorten vertreten und berät vom kleineren Mittelstand bis zum internationalen Konzern die komplette Bandbreite der deutschen Wirtschaft.

Bei CMS boomt die Restrukturierungsberatung. Die Experten auf diesem Gebiet und die Insolvenzverwalter gehören zu den führenden Beratern in Deutschland, vor allem Michael Frege machte sich in der Finanzkrise als Insolvenzverwalter der deutschen Tochter der US-Investmentbank Lehman Brothers einen Namen.

Auf den Feldern Finanzierung und Arbeitsrecht sind die Auftragsbücher von CMS ebenfalls voll. Das Thema Kurzarbeit treibt viele Mandanten um, und der Abbau von Arbeitsplätzen steht auf der Agenda. Daneben müssen viele Firmen ihre Finanzierung neu regeln, oft mit staatlicher Hilfe. „Unsere breite Aufstellung in unterschiedlichen Geschäftsbereichen hat sich auf dem Markt und speziell in der Krise bewährt“, sagt Hubertus Kolster, Managing Partner von CMS Deutschland. Die Rückgänge im Transaktions- und Projektgeschäft seien zwar nicht ganz, aber fast vollständig ausgeglichen worden.

Personell ist die Krise nahezu spurlos an der Großkanzlei vorbeigegangen. „Wir haben weder Kündigungen noch Gehaltsreduzierungen vorgenommen, und sie sind auch nicht geplant“, sagt Kolster. Einsparmöglichkeiten sieht er woanders – etwa bei neuen Raumkonzepten, also reduzierten Büroflächen, und beim Reisebudget. „Wir haben festgestellt, dass nicht zwingend jede Dienstreise erforderlich ist und sich Termine oder Meetings mit mehreren Teilnehmern auf digitalem Wege gut gestalten lassen. Daher gehen wir von einer Reduzierung von Reisetätigkeiten aus“, sagt Kolster.

Bei der traditionsreichen Kanzlei Oppenhoff & Partner mit Stammsitz in Köln und Büros in Frankfurt sowie Hamburg gibt man sich ebenfalls gelassen. Oppenhoff hat schnell eine Corona-Taskforce gebildet, um die Mandanten von Anfang an in der Krise begleiten zu können. Die Arbeits- und Vertragsrechtler hätten mehr zu tun als vor der Krise, ebenso die Restrukturierungs- und Insolvenzexperten. „Das M & A-Geschäft ist zurückgegangen, das ist aber kein Grund für uns, Anpassungen vorzunehmen. Es gibt dafür auch keine Pläne“, zieht Managing Partner Gilbert Wurth ein Zwischenfazit.

Zwar geben sich die meisten Kanzleien entspannt, doch noch ist längst nicht ausgemacht, wie die Endabrechnung ausfällt. Letztlich sind auch Wirtschaftskanzleien ein gutes Stück weit abhängig von der konjunkturellen Entwicklung.

Erste Sparmaßnahmen

Die Konjunkturschäden, die durch Corona verursacht wurden, sind gewaltig. Zuletzt prognostizierte der Sachverständigenrat für 2020 einen Wachstumseinbruch um 6,5 Prozent. Zwar erwarten die Wirtschaftsweisen danach wieder eine Erholung, doch die Aussichten sind unsicher. Zu groß ist das Risiko, dass eine mögliche zweite Infektionswelle für einen neuen Einbruch sorgt. Es ist absehbar, dass solch ein Rückschlag auch Wirtschaftskanzleien hart treffen würde.

Einige Kanzleien treffen bereits Vorsichtsmaßnahmen. So hat Linklaters etwa entschieden, die Quartalsausschüttung für Juni vorerst zurückzuhalten. Auch bei Freshfields Bruckhaus Deringer gibt es bereits eine Reihe von Sparmaßnahmen. Die umsatzstärkste Kanzlei Deutschlands hat Entnahmen der Partner verschoben, vertagt Entscheidungen über Bonuszahlungen und friert Gehälter ein.

Bei anderen Kanzleien gibt es ebenfalls Einschnitte. Wie der Branchendienst Juve berichtet, hat etwa Norton Rose Fulbright ihre Mitarbeiter gebeten, die Arbeitszeiten zu verkürzen. Reed Smith wird die Ausschüttungen an die Partner deutlich verringern. Taylor Wessing sorgte mit einer besonderen Maßnahme für Aufsehen: Die Kanzlei kündigte als Reaktion auf die Coronakrise sämtlichen wissenschaftlichen Mitarbeitern.

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