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Welche Zukunft hat Öl noch?

Bei der Weltenergiekonferenz müsste die Wende von Öl und Gas zu erneuerbaren Energien im Fokus stehen. Aber die Realität ist eine ganz andere.

Es ist eine schier unglaubliche Zahl: Elf Billionen Dollar braucht es laut dem arabischen Staatsminister Sultan Ahmed Al Jaber in den nächsten Jahren – nicht etwa an Investitionen in Erneuerbare, sondern in Öl- und Gasprojekte. So viel sei nötig, um allein die Ölförderung auf dem aktuellen Niveau zu halten, schätzt der CEO der Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc).

„Die Bevölkerung wächst. Und um den steigenden Energiehunger zu bewältigen, wird die Welt auch in Zukunft nicht ohne Öl und Gas als Hauptenergiequelle auskommen“, sagte Al Jaber bei der Eröffnung der Weltenergiekonferenz am Montag in Abu Dhabi. Klare Aussagen von dem Staatsminister der Vereinigten Arabischen Emirate, einem der größten Erdölexporteure weltweit.

Es ist das erste Mal, dass der größte und wichtigste Energiegipfel der Welt in einem arabischen Land stattfindet. Den Ton setzen die neuen Gastgeber gleich zu Anfang: Ein Ende der fossilen Energieträger wird es so schnell nicht geben.

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Nur alle drei Jahre kommen die Granden aus Energiewirtschaft, Wissenschaft und Politik auf der Weltenergiekonferenz zusammen. Aber selten waren die Themen dringlicher als jetzt. Denn die Branche steckt mitten in einer der größten Disruptionen ihrer Geschichte: dem Wechsel von einer fossilen zu einer regenerativen Welt – zumindest scheint es so.

Während Europa über CO2-Steuer, Kohleausstieg und Windkraft diskutiert, ist die weltweite Energieversorgung noch immer fest in den Händen fossiler Giganten wie Saudi Aramco, Exxon Mobil oder Shell. Vier Fünftel der weltweiten Nachfrage werden trotz immer mehr Wind- und Solaranlagen auch heute noch durch Kohle, Öl und Gas gedeckt.

Seit 1980 hat die Welt eine Billion Barrel Öl verbrannt. Und entgegen der langen vorherrschenden Angst gehen die weltweiten Ölreserven nicht zur Neige, sondern sind heute sogar fast dreimal so hoch wie damals. Neue Fördertechniken und der Schieferölboom in den USA machen es möglich. „Wir sind gerade mitten im goldenen Zeitalter der fossilen Kraftstoffe und noch nicht einmal bei einer winzigen Verringerung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre“, sagt Dieter Helm, Ökonom und Gründer des Energiemarktberatungsunternehmens Aurora Energy Research im Gespräch mit dem Handelsblatt.

2018 stiegen die CO2-Emissionen im Vergleich zum Vorjahr um 1,7 Prozent auf 33 Milliarden Tonnen. Damit zeichnet sich nach einem Rückgang zwischen 2014 und 2016 wieder eine beschleunigte Zunahme des weltweiten CO2-Ausstoßes ab. Gleichzeitig nehme auch die Kohleverstromung wieder zu.

„China baut nicht nur im eigenen Land, sondern finanziert auch noch Hunderte von Kohlekraftwerken im Rest der Welt“, sagt der Oxford-Professor. Von einem Wendepunkt in der Energiewelt könne nicht die Rede sein.

Keine guten Aussichten

Tatsächlich malt der Weltenergierat (WEC) pünktlich zum Start der Konferenz in Abu Dhabi ein düsteres Bild. Drei Szenarien hat der Zusammenschluss von Energieunternehmen und Regierungsvertretern aus der ganzen Welt entworfen – und in keinem gelingt es, das Zwei-Grad-Ziel bis 2040 einzuhalten. „Auch wenn wir das in Deutschland zunächst angenommen haben: Es existiert keine Blaupause für die Energiewende – jede Technologie und jeder Energieträger wird benötigt“, sagt Uwe Franke, Präsident des Weltenergierats in Deutschland. Um die Klimaziele zu erreichen, müsse sich die internationale Zusammenarbeit auf politischer Ebene deutlich verbessern, mahnt er.

„Es wird gerade viel versprochen, aber wir sehen nicht, dass diese Versprechungen auch eingelöst werden“, sagt Leonhard Birnbaum, COO des deutschen Energiekonzerns Eon und ebenfalls Mitglied des Weltenergierats. „Ob wir die globale Energiewende schaffen, entscheidet sich nicht in Europa“, sagt er zu den Ergebnissen der neuen WEC-Studie.

Denn während hier die Kohlemeiler nicht schnell genug vom Netz gehen können, bauen China und Indien den schmutzigen Energieträger mit aller Vehemenz weiter aus. Im vergangenen Jahr ist der Kohleverbrauch sogar nach drei Jahren erstmals wieder gestiegen.

Langfristig gehen Experten zwar davon aus, dass es weniger Kohle im Energiemix geben wird. „Noch geht der Großteil der Investitionen in Öl und Gas, nicht in Erneuerbare“, sagt Energieexperte Helm. „Wenn wir so weitermachen wie bisher, ist das sehr beunruhigend“, warnt der Brite. „Wir leben in einer Welt von China first, Russia first, US first und Brazil first“, kritisiert er den um sich greifenden Protektionismus.

Besonders im Fokus stehen bei den weltweiten Klimaanstrengungen die USA, China und Indien. Niemand verbraucht so viel CO2 wie diese drei Länder. Zehn Milliarden Tonnen CO2 stießen Kohlekraftwerke aus der ganzen Welt im vergangenen Jahr in die Luft – 85 Prozent davon stehen in den USA, China und Indien.

Das Durchschnittsalter der bestehenden Meiler liegt bei zwölf Jahren, doch ihre Betriebsdauer veranschlagt die Internationale Energieagentur (IEA) mit 30 bis 50 Jahren. Die CO2-Schleudern werden also noch viele Jahrzehnte die Erde aufheizen. Insgesamt gehen 70 Prozent des Anstiegs beim Energieverbrauch auf das Konto von Kohle und Erdgas.

Auf der Weltenergiekonferenz in Abu Dhabi malt die internationale Gemeinschaft allerdings ein ganz anderes Bild. Kaum ein Stand, egal ob von einem chinesischen, arabischen oder amerikanischen Unternehmen kommt ohne plakative Hinweise auf die „grüne Energiezukunft aus“. Sogar der weltweit größte Ölkonzern Saudi Aramco will mit einem Fenster punkten, das nicht nur modisch aussieht, sondern gleichzeitig auch noch Solarenergie erzeugen kann.

Auf die Frage nach der Zukunft der Energie für Saudi-Arabien weicht der am vergangenen Sonntag frisch ernannte Minister Abdulaziz Bin Salman Al Saud trotzdem gekonnt aus. „Wir reduzieren unsere Emissionen, wir reduzieren unseren Methanausstoß, und wir bauen Erneuerbare aus“, sagte der saudische Prinz am Montag und verweist dabei vor allem auf den Ausbau neuer Atomkraftwerke im eigenen Land.

Umdenken? Fehlanzeige

Auch Nuklearenergie wird in arabischen Staaten zu den Erneuerbaren gezählt. „Einen wichtigen Schritt haben wir doch schon getan. Immerhin heißt es nicht mehr Ölminister, sondern Energieminister“, merkt bin Salman an.

Eine Woche vor der UN-Klimakonferenz in New York scheint ein Umdenken der globalen Gemeinschaft in Sachen Energiefragen ferner denn je. „Bei diesem Wandel geht es darum, die Infrastruktur der Welt zu verändern und die der gesamten Wirtschaft. Das ist nicht so, als ob man mal gerade eben so sein Handy updatet“, sagt John Philip Browne, ehemaliger Chef des Ölriesen BP und aktueller Vorstandsvorsitzender des Investmentfonds Letter One Energy. „Der Energiemix wird sich verändern, aber das dauert. Der Wandel geht langsam voran“, ist er sich sicher.

Dabei gehen die Investitionen in erneuerbare Energien weltweit zurück. Im vergangenen Jahr wurden 272,9 Milliarden Dollar in Kapazitäten für Solar, Wind, Biomasse, Wasserkraft oder Geothermie gesteckt. Das waren zwölf Prozent weniger als 2017, wie aus dem aktuellen Bericht „Global Trends in Renewable Energy Investment“ der Vereinten Nationen, des Bundesumweltministeriums und der Denkfabrik Bloomberg New Energy Finance hervorgeht. Die Entwicklung geht laut den Autoren vor allem auf eine Kehrtwende in China zurück.

Nach einem starken Ausbau des Ökostroms habe das Land die Investitionen zuletzt deutlich zurückgefahren. Mit 88,5 Milliarden Dollar gehört Peking aber immer noch zu den größten Einzelinvestoren bei den Erneuerbaren und stand 2018 für ein Drittel der weltweiten Ausgaben.

Ein weiterer Grund für den Rückgang der weltweiten Investitionen ist aber auch, dass der Preis für die Solarenergie deutlich gesunken ist. Seit 2009 gingen die Kosten um 80 Prozent zurück. Mit Blick auf die global installierte Kapazität erneuerbarer Energien geht der Trend deswegen insgesamt nach oben. Binnen eines Jahrzehnts hat sie sich auf 1 650 Gigawatt vervierfacht.

„Wir können den Klimawandel bewältigen“, ist Ökonom Helm überzeugt. „Aber nur mit einer internationalen CO2-Steuer, einer massiven Senkung unseres CO2-Verbrauchs und Investitionen in Forschung“, erklärt er. Wenn alle so weitermachen wie bisher, dann werde sich die Welt weiter erwärmen und unseren Lebensstandard nachhaltig schädigen, davon ist Helm überzeugt.