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Kommentar: Warum sich die Post mit ihrer dreisten Portoerhöhung nur selbst schadet

Die Deutsche Post will 2019 drastisch an der Preisschraube drehen. Post-Chef Frank Appel hat am Dienstag verkündet, dass das Porto für den Standardbrief von 70 auf 80 Cent erhöht werde. Auch das Verschicken von Paketen soll teurer werden. Er begründet die Preiserhöhung mit Gewinnrückgängen. Der operative Ertrag in der Brief- und Paketsparte war im zweiten Quartal um 60 Prozent eingebrochen. Warum diese enorme Preiserhöhung weitere Kunden vergraulen wird und sich die Post tiefer in einen selbstverschuldetes Teufelskreis hineinmanövriert? Ein Kommentar.

Dieser Postbote wird nächstes Jahr vermutlich noch weniger Briefe ausliefern (Bild: REUTERS/Kai Pfaffenbach)
Dieser Postbote wird nächstes Jahr vermutlich noch weniger Briefe ausliefern (Bild: REUTERS/Kai Pfaffenbach)

Konkurrenz Internet

Wer verschickt denn heute noch Briefe? Die Rubrik “Brieffreundschaften gesucht” in Magazinen und Zeitungen fristet im Zeitalter des Internets nur noch ein Schattendasein. Wenn überhaupt, bekommt Oma einmal im Jahr einen persönlichen Brief geschickt, und vielleicht springt für die Post auch noch die eine oder andere wegen der beigelegten Geldscheine im Briefkuvert versandte Geburtstagskarte heraus. Aber selbst Omas sind inzwischen im Internet aktiv und nutzen WhatsApp, um sich mit ihren Lieben regelmäßig und ohne Wartezeiten auszutauschen. Aber Privatkunden verschicken ohnehin nur 15 Prozent der Briefe und sind für die Deutsche Post in einem immer schwierigeren Geschäftsfeld scheinbar zu vernachlässigen.

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Geschäftliche Kommunikation läuft längst über E-Mail. Selbst Verträge werden mittlerweile immer öfter als pdf im Anhang einer E-Mail verschickt und auch Job-Bewerbungen sollen häufig nur noch online übermittelt werden. Da spielt durchaus auch der Umweltschutz eine Rolle. Dennoch machen Firmenkunden 85 Prozent des Briefverkehrs aus. Im Briefkasten landen vorrangig Werbung, Rechnungen, Mahnungen, Anwaltsschreiben.

Den großen Firmenkunden wurmt die Preiserhöhung vielleicht nicht so stark wie den privaten Briefeschreiber, der sich nach dieser Erhöhung zweimal überlegen wird, ob er Oma nicht lieber anruft – wenn er nicht ohnehin schon zu spät dran ist, als dass die Geburtstagsglückwünsche per Post überhaupt noch rechtzeitig eintreffen können. Dennoch werden auch Firmenkunden, die nur ein begrenztes Budget für Ausgaben in der Kundenkommunikation haben, reiflich darüber nachdenken, ob sie nicht vollends auf die Karte Online setzen.

Schlechter Service

Zumal es auch kaum noch kompetente Postmitarbeiter in von der Post selbst betriebenen Postfilialen gibt. Stattdessen ärgern sich die Kunden mit Warteschlangen am Postschalter im örtlichen Supermarkt herum. Sind sie dann endlich an der Reihe, nehmen gestresste Supermarktkassiererinnen statt qualifiziertem Fachpersonal die Ware entgegen. Wer mit Sonderwünschen kommt, die über die Standard-Anfragen hinaus gehen, schaut häufig in die Röhre. Zwar machen die meisten Angestellten ihren Job im Rahmen ihrer Möglichkeiten gut – aber es ist einfach nicht die selbe Qualität wie zu jener Zeit, als man die Post bei der Post abgegeben hat. Appel will in Personal investieren. Zumindest könnte er die Portoerhöhung unter dieser Prämisse bei der Bundesnetzagentur, die ihre Zustimmung erteilen muss, durchbringen.

Bei der Bundesnetzagentur sind seit Jahresanfang bis Ende März bereits 4.100 Beschwerden über die mangelnde Zustellqualitäten eingegangen. Das mag in Relation zum Brief- und Päckchen-Aufkommen nicht nach einer alarmierenden Zahl klingen. Das sind aber immerhin schon zwei Drittel der Gesamtzahl des kompletten Vorjahres. Wussten Sie überhaupt, dass Sie sich bei Ärger mit der der Deutschen Post bei der Bundesnetzagentur melden können? Eben.

Wo bleibt mein Brief?

Früher, da flatterte die Inlandspost am nächsten Tag ins Haus, wenn sie vormittags vor der ersten Leerung im Briefkasten landete. Spätestens am übernächsten. Da kannten und grüßten die Menschen noch täglich ihren Postboten und umgekehrt. Gesetzlich ist die Post dazu verpflichtet, Briefe an sechs Tagen pro Woche auszutragen. Das Unternehmen hat jedoch bereits damit experimentiert, die Post nur noch drei bzw. sogar ein Mal pro Woche zuzustellen. Denn obwohl der Briefversand seit Jahren rückläufig ist, bliebe der Aufwand gleich hoch.

Wer einen Brief verschickt, muss also damit rechnen, dass dieser verspätet beim Empfänger ankommt. Wenn er überhaupt ankommt. Wir erinnern uns an Berichte über Postzusteller, die ihre Ladung inklusive Einschreiben einfach in den Graben, Müll oder Fluss warfen. Teilweise hatten sie Wertgegenstände oder Geld vorher herausgenommen.

Wer schon mal zufällig bei der Leerung eines vollen Briefkastens an einem belebten Ort wie dem Münchner Hauptbahnhof zugesehen hat, kann nachvollziehen, wie Post auch versehentlich abhanden kommt, wenn ein Missgeschick passiert und nicht alle Briefe auf Anhieb im mitgebrachten Behältnis landen.

Zu Gute halten kann man der Deutschen Post in diesen Fällen nur, dass bei den privaten Zustelldiensten genauso Schindluder getrieben wird und faule Briefträger auch dort gerne mal Flüsse oder Gräben zur Entsorgung nutzen. Als Ausrede gilt dies freilich nicht.

Ständige Preiserhöhungen nerven

Appel begründet die Rekord-Preiserhöhung von 70 auf 80 Cent für den Standardbrief übrigens damit, dass er lieber einen großen Schritt mache und dann ein paar Jahre Ruhe herrscht, anstatt das Porto Jahr für Jahr häppchenweise zu erhöhen. An sich ist das nicht verkehrt. Schließlich nimmt die Post über einen längeren Zeitraum mehr ein und der Gelegenheitskunde kann Briefmarken wieder in größeren Mengen kaufen, ohne kurz darauf 2-Cent- und 3-Cent-Marken nachbestellen zu müssen.

In Anbetracht der schrittweisen Portoerhöhungen der jüngeren Vergangenheit wirkt dieses Vorhaben jedoch geradezu unverschämt. Neun Jahre lang hielt die Post das Porto konstant auf 55 Cent. Dann zog sie im Jahresrhythmus an: 58 Cent im Jahr 2013, 60 Cent im Jahr 2014 und 62 Cent 2015, um 2016 um satte 8 Cent auf 70 Cent zu erhöhen.

Wer nur Glückwunschkarten, Beileidsbekundungen und den persönlichen Jahreserlebnisbericht an Oma verschickte und sich 2012 mit einem kleinen Vorrat an Briefmarken dafür eingedeckt hatte, durfte 2013 3-Cent-Marken nachkaufen. Natürlich hatte er 2014 weder alle 55er-Briefmarken verbraucht, noch die unscheinbaren 3-Cent-Marken. Also durfte er sich nun zusätzlich mit 2-Cent-Marken eindecken. Ein paar 8-Cent-Marken liegen seit 2016 vermutlich auch noch in der Schreibtischschublade herum. In absehbarer Zeit darf der Gelegenheitsbriefeschreiber wohl in 10-Cent-Marken investieren.

Schuld ist der Kunde

“Porto erhöhen, Briefzusteller prekär beschäftigen und das Briefkastennetz ausdünnen, das geht gar nicht”, empört sich Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag, und fordert, dass der Bund nicht nur auf die Rendite schaut. Die Post jammert hingegen, dass sie Jahr für Jahr weniger Briefe transportiere (2010: 14,7 Milliarden; 2014: 13,9 Milliarden; 2017: 12,7 Milliarden) und ihr keine andere Wahl bleibe. Schuld ist also der Kunde. Genauer gesagt: Der fehlende Kunde.

Warum dieser immer weniger Vertrauen in die Deutsche Post hat und Alternativen sucht, scheint der angeschlagene Gigant immer noch nicht verstanden zu haben oder verstehen zu wollen. Den technischen Fortschritt und die Abwanderungstendenz ins Internet kann die Post nicht aufhalten. Aber sie kann das Briefe schreiben wieder attraktiver machen. Mit freundlichem, sachkundigem Personal, mit Zuverlässigkeit und mit einer fairen, konstanten Preispolitik.

Wer hingegen gleichzeitig mit dem Porto auch die Umständlichkeit für den Kunden und damit dessen Unzufriedenheit erhöht, schafft sich mittelfristig ganz ab. Wetten, dass die Deutsche Post 2019 keine 12 Milliarden Briefe mehr austragen darf, wenn sie 80 Cent pro Stück verlangt?