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Wagenknecht im AfD-Modus

Anschlag in Ansbach - Wagenknecht im AfD-Modus

In der Linkspartei bahnt sich nach dem Terroranschlag in Ansbach ein heftiger Streit über die Haltung der Partei zum Kurs der Bundesregierung in der Flüchtlingsfrage an. Grund: Die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, hatte die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einen Zusammenhang mit der Tat gestellt und Merkel indirekt eine Mitverantwortung für den Anschlag gegeben. In ihrer eigenen Partei, aber auch bei CDU, SPD und Grünen löste Wagenknecht damit Empörung aus. Die AfD reagierte mit einem Angebot an sie.

Wagenknecht hatte am Montag mit Blick auf den Anschlag in Ansbach gesagt: „Die Ereignisse der letzten Tage zeigen, dass die Aufnahme und Integration einer großen Zahl von Flüchtlingen und Zuwanderern mit erheblichen Problemen verbunden und schwieriger ist, als Merkels leichtfertiges ‚Wir schaffen das‘ uns im letzten Herbst einreden wollte.“

Der Staat müsse jetzt alles dafür tun, dass sich die Menschen wieder sicher fühlen könnten. Das setze voraus, dass man wisse, wer sich im Land befinde und nach Möglichkeit auch, wo es Gefahrenpotenziale gebe. „Ich denke“, so Wagenknecht, „Frau Merkel und die Bundesregierung sind jetzt in besonderer Weise in der Verantwortung, das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit des Staates und seiner Sicherheitsbehörden zu erhalten.“

Die Vize-Chefin der Linkspartei, Janine Wissler, ging bei Twitter deutlich auf Distanz zu Wagenknecht: "Ich teile diese Position nicht und halte sie für grundfalsch." Scharfe Kritik äußerte auch Katharina König, Linksfraktionsabgeordnete im Thüringer Landtag. „Forderungen der Rechtspopulisten posaunen, ihnen damit den Weg bereiten, das alles als links darstellen. Dinge, die Sarah Wagenknecht kann“, schrieb König auf Twitter.

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Auch in Mecklenburg-Vorpommern, wo Anfang September ein neuer Landtag gewählt wird, reagiert die Linke verärgert. „Ich hoffe, niemand aus meinem wahlkämpfenden Landesverband lädt diese Genossin zu irgendwas ein“, schrieb der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Schweriner Landtag, Peter Ritter, auf .


„Dann schließt doch endlich ein Bündnis mit dieser Links-AfD aus“

Wagenknecht eckte schon öfter mit ihren Äußerungen an – und torpedierte damit Gedankenspiele für eine rot-rot-grüne Regierungsperspektive im Bund. So erklärte der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck, der ein Spitzenkandidat der Grünen für die Bundestagswahl 2017 werden will, erst am Sonntag im „Tagesspiegel“: „Sahra Wagenknecht ist in der Flüchtlingspolitik weiter von den Grünen entfernt als . Sie beweist nahezu täglich, dass die Linke nicht regieren will.“

SPD-Chef Sigmar Gabriel stieß jüngst in dasselbe Horn, als er der „Bild“-Zeitung sagte: „Frau Wagenknecht hält im Bundestag Reden gegen Europa, wie es sonst nur die AfD oder die Rechtsradikalen in Frankreich tun.“ Und hinzufügte: „Wer so redet, entfernt sich eher von der Regierungsfähigkeit.“ Die Linkspartei müsse sich daher entscheiden, ob sie Gestalterin sein wolle oder Daueropposition. „Erst wenn sie das getan hat, wissen andere wie wir oder die Grünen, ob es sich lohnt, über Bündnisse nachzudenken.“

Mit ihren Äußerungen zum Ansbach-Anschlag befeuert Wagenknecht die Skepsis zu Rot-Rot-Grün zusätzlich. „Wenn ich Frau Wagenknecht so höre, habe ich nur eine Frage an den Rest der Linkspartei: What's left?“, schrieb SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil auf Twitter.

Der CDU-Vize Armin Laschet nahm den Ball von Heil auf und forderte ihn via auf: „Dann schließt doch endlich ein Bündnis mit dieser Links-AfD aus.“


„Frau #Wagenknecht #Linke kommen Sie zur #AfD“

Heil konterte die Forderung mit einem Hinweis auf den Beisitzer im Dresdner CDU-Vorstand, Maximilian Krahl, der den Amoklauf von München nutzte, . „Bitte erstmal vor der eigenen HausTür kehren! Wenn ich da so an CDU-Bundestagsbewerber in Sachsen denke...“, schrieb Heil.

Laschet pflichtete Heil zwar bei, dass dieser Fall „keinen Deut besser“ sei. Aber ein Bewerber um ein Bundestagsmandat sei etwas anderes als eine Oppositionsführerin und Fraktionsvorsitzende. Zudem habe sich der Kreisverband der CDU in Dresden klar von Krahl distanziert. „Er ist nur Kandidat, mit Sahra wollen manche bei Euch koalieren“, betonte der CDU-Vize.

Der Berliner Ex-SPD-Chef Jan Stöß verortet die Linksfraktionschefin in der rechtspopulistischen Ecke. „Mit @SWagenknecht reiht sich die Linke irgendwo zwischen CSU und AfD ein“, schrieb Stöß bei und fragte mit Blick auf die im September in der Hauptstadt anstehende Abgeordnetenhauswahl: „Ob @dielinkeberlin die einlädt?“

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Maria Klein-Schmeink schließt ein Bündnis mit Wagenknecht bereits aus. „Mit @SWagenknecht geht keine Politik, die offene, sozial gerechte und ökologische Politik zum Ziel hat“, schrieb die Grünen-Politikerin bei Twitter.

Die AfD sieht sich indessen durch Wagenknecht in ihrem Anti-Flüchtlings-Kurs bestätigt und ruft sie gar zum Parteiwechsel auf. „Ganz richtig“, lobte der Chef der AfD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, Wagenknechts Reaktion auf den Ansbach-Anschlag. „Schuld hat maßgeblich die verfehlte deutsche Flüchtlingspolitik.“ Und dann macht Poggenburg der Linksfraktionschefin ein Angebot: „Frau #Wagenknecht #Linke kommen Sie zur #AfD.“

Inzwischen ruderte Wagenknecht zurück. Am Dienstag erklärte sie auf Facebook, ihre Stellungnahme habe offenbar zu "Missverständnissen" und "Fehlinterpretationen" geführt. "Es ging mir weder darum, die Aufnahme von Flüchtlingen zu kritisieren noch alle in Deutschland lebenden Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen", versicherte sie: "Das habe ich weder gesagt noch gemeint." Sie betonte weiter, dass sie "rassistische Parolen und pauschale Verdächtigungen von Schutzsuchenden" immer wieder mit aller Deutlichkeit kritisiert habe. Zugleich erneuerte Wagenknecht ihre Kritik an Merkel, die ihr "Wir schaffen das" zwar "fleißig gepredigt" habe, es "aber unterlassen hat, die notwendigen sozialen und politischen Voraussetzungen zu schaffen, die gebraucht werden, damit Integration gelingen kann".

KONTEXT

Grüne und Linke

GESCHICHTE

Der westdeutsche Zweig der Linken, die Wahlalternative WASG, wurde 2005 auch aus Protest gegen die SPD gegründet - unter anderem von ehemaligen SPD-Mitgliedern, die mit der unter dem damaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder beschlossene Agenda 2010 nicht einverstanden waren. Prominentester Vertreter: der ehemalige SPD-Chef Oskar Lafontaine, der dann das WASG-Bündnis mit der PDS schmiedete.

AUSSENPOLITIK

Hier liegen die deutlichsten konkreten Unterschiede. Die Linke lehnt Bundeswehreinsätze im Ausland weiter ab und wirft der Regierung eine "Militarisierung" der Außenpolitik vor. Selbst die friedliebenden Grünen finden das realitätsfern: "Was nicht gehen wird, ist, dass die Bundesrepublik Deutschland außenpolitisch eine Abenteuertour macht", sagt Parteichef Cem Özdemir.

SOZIALES

Die Linken fordern eine komplette Revision der Agenda 2020 - die SPD will hier korrigieren, aber nicht rückabwickeln. Der Linken-Kurs ist teuer und passt zu ihrer Geschichte (siehe erster Punkt). Forderungen im Einzelnen: ein Rentenniveau von 53 Prozent und eine sanktionsfreie Mindestsicherung.

RHETORIK

Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht sieht die SPD als Teil eines "neoliberalen Parteienkartells". Dieses mache eine Politik, "die dem Raubtierkapitalismus freie Bahn geschaffen hat, die den Sozialstaat zerstört hat". Folgerichtig sieht es zumindest die prominente Frontfrau der Linken als Aufgabe ihrer Partei an, eine klare Oppositionspolitik in Politik und Gesellschaft zu machen.

KONTEXT

Wie die Parteien mit der AfD umgehen

CDU und CSU

Als Spezialproblem der Union wird die AfD ausdrücklich nicht betrachtet. Aus Sicht von Kanzlerin Angela Merkel ist dem Protest die Spitze zu nehmen, indem man Probleme anspricht und zu lösen versucht. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) beharrt darauf, die AfD zu ignorieren. Die CSU fährt einen eigenen Kurs. Mit scharfer Kritik an Merkels Kurs versucht Parteichef Horst Seehofer, eine dauerhafte AfD-Etablierung rechts von der Union zu verhindern.

SPD

Die SPD fordert, der Verfassungsschutz müsse die AfD beobachten. Als schräg empfanden es viele, dass in Mainz SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer sich einem TV-Duell mit der AfD verweigerte - ihr SPD-Landeschef ging dann hin. Die AfD könnte auch der SPD kleinbürgerliche Anhänger abjagen, die denken, der Staat kümmere sich nur noch um Flüchtlinge. So fordert Parteichef Sigmar Gabriel ein Solidarpaket für sozial benachteiligte Bürger.

Grüne

Die Grünen haben die geringsten politischen Schnittmengen mit der AfD und müssen von den etablierten Parteien wohl am wenigsten eine Abwanderung ihrer Wähler befürchten. Korrigiert wurde aber das Nein zu TV-Talkrunden mit der AfD. Die Rechtspopulisten haben laut Grünen-Chefin Simone Peter "eine Wucht erzeugt", dass man sich mit der Partei "an einen Tisch setzen" müsse.

Linke

Die Linke setzt auf klare Abgrenzung zur AfD. Durch die leichten Zugewinne bei den Kommunalwahlen in Hessen sieht sie diesen Kurs bestätigt. Union und SPD wirft die Linke dagegen vor, als Reaktion auf die AfD-Erfolge nach rechts zu driften. "Wir können durchaus von einer Polarisierung nach rechts reden", sagt Parteichef Bernd Riexinger.

FDP

FDP-Chef Christian Lindner wollte die AfD lange ignorieren. Doch spätestens nach den Silvester-Übergriffen überwiegend ausländischer Täter auf Frauen in Köln und Hamburg, die auch die bürgerliche Mitte verunsicherten, war dieser Kurs nicht durchzuhalten. Lindner sieht die AfD aber nicht als direkte Konkurrenz: "Die Freien Demokraten sind unter allen Parteien der schärfste Kontrast zur AfD".