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„Gefallene Engel“ – so gefährlich sind Ramsch-Anleihen für die Märkte

Der Markt für Unternehmensanleihen boomt. Doch Experten warnen: Ein Abschwung könnte Ramsch-Anleihen beflügeln – und die Märkte in die Knie zwingen.

Es war eine Megafinanzierung für einen Megadeal: Anleihen im Gesamtwert von rund 20 Milliarden Euro hat der Pharmakonzern Bayer Mitte Juni auf den Markt geworfen, um die Übernahme des Saatgutkonzerns Monsanto zu schultern. Bayer legte damit eine der bislang größten Neuemissionen bei Unternehmensanleihen im Jahr 2018 hin – und ging ein gehöriges Risiko ein.

Denn für die Aufnahme neuer, milliardenschwerer Schulden haben Bayer-CEO Werner Baumann und sein Finanzchef Wolfgang Nickel auch eine geringere Kreditwürdigkeit in Kauf genommen: Die Ratingagentur Standard & Poor’s stufte Bayer auf „BBB“ herab – knapp über Ramschniveau.

Bayer folgt damit einem Trend: Gegen Ende eines konjunkturellen Aufschwungs fällt es Firmen häufig schwerer, aus eigener Kraft zu wachsen. Die Folge: Sie erkaufen sich den Umsatz durch Übernahmen – und finanzieren diese zu großen Teilen auf Pump. Gefährlich wird es, wenn sich Konzerne, die anders als Bayer ohnehin nicht zu den besten Schuldnern gehören, an ihren Übernahmen verheben. Und die Gefahr wird durch eine Besonderheit des Bondmarktes noch verstärkt.

Denn bei Unternehmensanleihen wird hauptsächlich zwischen guter Bonität, im Jargon „Investmentgrade“ genannt, und Hochzinsanleihen unterschieden. Viele institutionelle Investoren, wie Pensionsfonds oder Versicherungen, dürfen wegen ihrer auf Werterhalt ausgelegten Anlagerichtlinien jedoch nur in Anleihen mit dem Prädikat „Investmentgrade“ investieren.

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Doch auch bei diesen gibt es Unterschiede: Bei einem Unternehmen mit AAA-Rating ist ein Ausfall der Anleihe nahezu ausgeschlossen. Bei einem BBB-Rating ist das Risiko dagegen schon höher: Damit sind die Papiere nur knapp vom Ramschniveau entfernt. Fällt die Einstufung weiter, bricht damit schlagartig ein wichtiger Käuferkreis für die Papiere weg – und die Zinsbelastung für die Unternehmen steigt weiter an.

Für die zu Ramschware verkommenen ehemaligen Investmentgrade-Anleihen haben die Finanzprofis die Bezeichnung „gefallene Engel“ geprägt. Und die Zahl der gefallenen Engel, warnen immer mehr Experten, könnte im Fall eines Abschwungs schlagartig zunehmen – mit fatalen Folgen für die globalen Anleihemärkte.

„Nehmen Sie sich vor BBB-Bonds in Acht“, warnt offen der Anleihespezialist Pimco. So sei der Markt für Unternehmensanleihen in den USA in den vergangenen vier Jahren von vier Billionen Dollar auf 5,8 Billionen angeschwollen. „Dieses Wachstum ging mit einem stetigen Verfall der Kreditqualität einher“, notieren die Pimco-Analysten.

„Investoren sollten diesen Trend genau im Auge behalten.“ Allein 2018 könnten Bonds im Wert von 80 Milliarden Dollar auf Ramschniveau absinken. „Oft haben Herabstufungen und selbst negative Ausblicke von Ratingagenturen einen großen Effekt auf die Risikoprämien“, warnt Pimco.

Das bedeutet: Die Kurse der Anleihen geraten unter Druck, die Investoren ziehen sich aus den Papieren zurück, für die Unternehmen wird es teurer, sich zu refinanzieren – und die Gefahr einer weiteren Herabstufung wächst: ein Teufelskreis. Auch Brian Moriarty, Analyst beim Fondsratinghaus Morningstar, beobachtet ein „explosionsartiges Wachstum“ von Anleiheemissionen im BBB-Segment.

Hohes Anleihevolumen steht aus

Das ausstehende Anleihevolumen der Wackelkandidaten sei bereits so hoch wie das aller anderen Segmente im Investmentgrade-Bereich – und doppelt so hoch wie im gesamten Markt der Hochzinsanleihen. Das Problem: Das aufgenommene Kapital wird nicht etwa in innovative Produkte oder neue Standorte gesteckt, die langfristige Einnahmen versprechen: „Viele Firmen finanzieren damit vor allem Dividenden, Aktienrückkäufe und Firmenübernahmen“, sagt Moriarty.

Dafür nehmen die Konzerne immer höhere Verschuldungsgrade in Kauf: Bei 20 Prozent der als „Investmentgrade“ eingestuften Unternehmen übersteigen die Schulden bereits das Vierfache des Jahresergebnisses (Ebit), so Moriarty. 2010 habe der Anteil nur zehn Prozent betragen.

„Das Wachstum wird auch dadurch angetrieben, dass sich die Ratingagenturen scheuen, Unternehmen für diese hohen Verschuldungsquoten herabzustufen“, warnt der Morningstar-Analyst. Eine Welle von Herabstufungen sei zwar nur bei einer schweren Rezession zu erwarten. Doch ein Heer gefallener Engel würde zu einem Ausverkauf am Markt für Hochzinsanleihen führen und auch Fondsmanager in der Anlageklasse unter Druck setzen.

Paul Watters, Chefanalyst für Unternehmensanleihen bei der Ratingagentur S & P, sieht jedoch noch keinen Grund zur Sorge: „Die Rahmenbedingungen sind weiter sehr gut. Der Verschuldungsgrad der Unternehmen ist noch nicht überhitzt.“ Der konjunkturelle Ausblick in Europa sei nach wie vor positiv, daher sollten sich die Ratinganpassungen in einem eher geringen Umfang bewegen, erwartet er.

Steigende Zinsen seien zwar eine Belastung für die Unternehmen: „Zinszahlungen sind ein bisschen wie die Wasserfolter: Sie schmerzen stärker, je länger sie andauern“, sagt Watters. Wirklich problematisch werde es jedoch erst, wenn sich Unternehmen nicht mehr refinanzieren können. „Doch weil sich viele Firmen gerade erst viel frisches Geld zu günstigen Konditionen am Kapitalmarkt besorgt haben, besteht dieses Risiko erst mal nicht.“

Dennoch: Marco Stoeckle, Head of Corporate Credit Research bei der Commerzbank, ist überzeugt, dass der Markt die Risiken im unteren Investmentgrade-Segment nicht korrekt einpreist. Zwar steigen die Renditen im BBB-Segment wieder stärker als bei Anleihen von Unternehmen mit Topbonität (siehe Grafik) – und die Kurse sinken entsprechend. Doch Stoeckle sagt: „Ich halte den BBB-Bereich bei Unternehmensanleihen nach wie vor für überbewertet.“ Schuld seien die Ankaufprogramme der Notenbanken. „Die EZB hat die Risikoprämien stark zusammengedrückt.“

In der Vergangenheit hätten die Anleihekäufe der EZB viele Profianleger in höhere Risiken getrieben. „Investoren, die sonst eher im A-Bereich unterwegs waren, haben auch Papiere mit schlechterer Bonität gekauft, um ihre Zielverzinsung zu gewährleisten. Nun kehren die Touristen in ihr angestammtes Umfeld zurück, was auf den BBB-Papieren lastet“, so Stoeckle.

Einen Ausverkauf am Anleihemarkt erwartet er kurzfristig zwar nicht: „Die Makroindikatoren haben sich abgeschwächt. Aber wir sind weit davon entfernt, eine Welle von ‚Fallen Angels‘ befürchten zu müssen“, sagt er. Doch auch er warnt: „Wenn jetzt noch zusätzlich Ängste vor einer deutlichen Abschwächung der Fundamentaldaten hinzukämen, beispielsweise aufgrund eines eskalierenden Handelskonflikts, dann würde dies den bereits existierenden Neubewertungsdruck nur noch verstärken.“