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Glasfaser für das ganze Land: Der Plan zum Breitbandausbau mit dem Schienennetz

Drei Kenner der Bahn wollen mit dem Unternehmen EWE binnen fünf Jahren Tausende Kilometer Glasfaserkabel entlang der Schienen verlegen. So soll schnelles Internet in jeden Winkel des Landes gelangen.

Es klingt wie ein Märchen: In nur fünf Jahren wird entlang des gesamten deutschen Schienennetzes ein Glasfasernetz entstehen, das nicht nur alle Bahnhöfe anschließt, sondern auch die Breitbandversorgung eines Großteils der Bevölkerung endlich möglich macht.

Wie an einer Perlenkette aufgereiht, wird Dorf für Dorf angebunden. Dann werden in jedem Dorf Funkmasten aufgestellt, die den großen Mobilfunkanbietern zur Verfügung gestellt werden, damit diese schnell und günstig den 5G-Mobilfunk in die Fläche bringen. Kein Warten mehr auf Telekom & Co. Die Zukunft klopft an.

All das plant nicht etwa die Bahn, der die Kabelschächte entlang der Schienen gehören, sondern die „One Fiber Interconnect Germany GmbH“ mit Sitz im saarländischen St. Wendel. Seit gut eineinhalb Jahren euphorisiert sie mit ihrer Idee politische Entscheidungsträger – bisher unbemerkt von der Öffentlichkeit. Sie will das Netz auf eigene Rechnung ausbauen und dann jedem, der es nutzen will, vermieten. Das wären vor allem die Telekommunikationskonzerne, die mit ihrem eigenen Ausbau nicht nachkommen.

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Auch deutsche Behörden könnten interessiert sein, weil sie auf dem modernen Netz sichere Verbindungen herstellen könnten. Denn geplant ist ein „homogenes Netz“ ohne Übergangspunkte zu anderen Glasfasernetzen. Dies soll es ermöglichen, das Netz im Krisenfall oder nach schweren Cyberattacken vom World Wide Web abzuklemmen. Wie mit einer Art nationalem Intranet wäre der Datenaustausch innerhalb Deutschlands autark.

Im Kanzleramt ist von einer „Riesenchance“ die Rede. Das unverschämt verlockende Angebot hat auch schon mehrere Bundesministerien und die Fachpolitiker im Bundestag erreicht. „Ich halte den Ansatz für hochspannend“, sagt die Digitalexpertin der Unionsfraktion, Nadine Schön.

Sie rät dazu, sich „schnellstmöglich auf den Weg zu machen“. Unionsfraktionsvize Gitta Connemann sagt, sie könne „bislang keinen Haken entdecken“: „Glasfaser – flächendeckend, schnell, kostenminimal, offen zugänglich und sicher: Es klingt zu schön, um wahr zu sein.“ Die Infrastruktur der Bahn „öffnet die Tür bis tief in ländliche Regionen. Damit wären Gigabit-Breitbandkapazitäten für Stadt und Land möglich.“

Die Gründer von One Fiber sind die beiden Wirtschaftsingenieure und Bahninfrastrukturberater Frank Schmidt und Holger Fecht – sowie der ehemalige Güterverkehrschef der Deutschen Bahn AG, Klaus Kremper.

Dieser hatte Ende 2017 mit einem Vorschlag für eine Bahn-Reform versucht, sich als Nachfolger für den zurückgetretenen Bahn-Chef Rüdiger Grube zu empfehlen. Damals warnte Kremper, die Bahn werde im Wettbewerb verlieren, wenn sie sich nicht digitalisiere. „Das Überleben des ökologisch überlegenen Verkehrsträgers Schiene wäre plötzlich nicht mehr sicher“, warnte er und folgerte: „Die wichtigste Gegenmaßnahme ist die konsequente Digitalisierung der Eisenbahn mit Schwerpunkt auf den eisenbahnbetrieblichen Prozessen und beginnend bei der Infrastruktur.“

Kremper und seine Partner bieten sich nun an, das Problem der damals verschlafenen Digitalisierung der Bahn gleich mit zu lösen.

Breitband für jeden Ort

One Fiber will dazu die bestehenden Kabelschächte der Bahn entlang der Schienenwege nutzen und dort auf gut 28.000 Kilometern ein „Hochsicherheits-Glasfaser-Zubringernetz“ verlegen. An jedem Bahnhof gibt es Zugangspunkte. Das wären deutlich mehr als beim derzeit existierenden Glasfasernetz. One Fiber will auf dieser Basis dann jedem noch so kleinen Ort anbieten, ihn an das Netz anzuschließen – bestenfalls an zwei der Zugangspunkte, um die Sicherheit zu gewährleisten.

Für beide Aufgaben hat One Fiber nach eigenen Angaben Patente angemeldet: für das Grundsystem wie für den Anschluss der Orte. Laut Planung sind dazu insgesamt 140.000 Kilometer Glasfaser nötig. Je nach Dorfgröße sollen noch ein bis drei Funkmasten aufgestellt werden.

Ob der Plan aufgehen würde, lässt sich schwerlich prüfen. „Es liegt ein detailliertes Konzept für die Verlegung von Hochleistungsglasfasern entlang der Schienenwege der Deutschen Bahn vor“, versicherte One-Fiber-Geschäftsführer Klaus Kremper auf Nachfrage. „In fünf Jahren werden wir zukunftssichere Glasfaser-Gigabit-Leistungen auch in den entlegensten Regionen Deutschlands haben“, versprach er. Nur so werde es gelingen, „in den ländlichen Räumen 5G-Funktürme anzuschließen“.

Dies käme dem Bund entgegen, der derzeit sogar eine Staatsgesellschaft plant, um in unrentablen Regionen selbst Türme aufzustellen, die dann die Netzbetreiber nutzen sollen – eine Notlösung. Kremper hebt auch den Sicherheitsaspekt hervor: „Die Homogenität des neuen Netzes sowie Verschlüsselungs- und Betriebsverfahren bieten die Grundlage für ein Höchstmaß an Cybersicherheit“, sagte er.

Während Politiker und viele Beamte begeistert zu sein scheinen, hält sich der Jubel bei der Bahn in Grenzen. In dem Unternehmen mit seinen mehr als 300.000 Mitarbeitern weltweit existieren zwei Denkschulen: Die einen halten es für richtig, mit einem Partner die Digitalisierung des Unternehmens anzugehen. Dazu soll Finanzvorstand Alexander Doll gehören. Die anderen setzen auf die eigene Kraft und allenfalls die Hilfe des Staatskonzerns Deutschen Telekom. Dazu soll Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla zählen.

Beide Lager wissen aber: Das Glasfasernetz ist entscheidend, um die Bahn zu digitalisieren. Nicht nur, dass dann auch der Mobilfunk in den Zügen verbessert und der Bahnfunk vom GSM-R-Standard auf 5G modernisiert würde. Auch die Vision einer Bahn, die mit digitalen Weichen, Stellwerken, Signal- und Kontrollsystemen mehr Züge auf die Schiene bringt, hängt vom Glasfasernetz ab. Die Bahn hofft auf „bis zu 35 Prozent“ mehr Verkehr und „einen noch nie da gewesenen Entwicklungsschub“, wie Infrastrukturvorstand Pofalla sagt.

So gesehen ist Zeit Geld. Kritiker warnen daher vor einem Glasfaserausbau in Eigenregie der Bahn. Dies werde sicher bis 2040 dauern, heißt es im Bahn-Management. Auch würde es den Steuerzahler viel Geld kosten: Pofalla nennt es „große Anstrengungen der öffentlichen Hand“.

Offiziell gibt sich die Bahn bedeckt. „Der DB liegt ein Angebot der Firma One Fiber vor“, bestätigte eine Sprecherin. „Detaillierte Planungen, auf deren Basis die technische Umsetzung oder auch die wirtschaftliche Realisierbarkeit des Projekts geprüft werden können, sind dort allerdings nicht enthalten“, schränkte sie ein. Ob also One Fiber in der Lage ist, zu halten, was es verspricht, wird bei der Bahn angezweifelt.


Bahn setzt auf die Broadband GmbH

Stattdessen scheint die Bahn ihr im Oktober 2018 bekannt gewordenes Projekt „Broadband“ zu konkretisieren. Demnach will die Bahn ihre existierenden rund 18.500 Kilometer Glasfaserkabel entlang der Schienenwege, die sie nur zum Teil selbst nutzt, vermarkten. Die Erlöse, so der Plan der Bahn, könnten dann in den „weiteren Ausbau des Glasfasernetzes entlang des verbleibenden Schienennetzes investiert werden und so zur Entlastung des Bundeshaushalts und der Steuerzahler beitragen“, erklärte die Sprecherin.

Insgesamt geht es um gut 15.000 Kilometer, die noch nicht mit Glasfaser versorgt sind. Die „Broadband GmbH“ werde „in Kürze gegründet“, erklärte die Sprecherin weiter. Obendrein will die Bahn vom Bund 3,5 Milliarden Euro für den Ausbau.

Doch hat es die Bahn nicht selbst in der Hand, wie sie ihr Schienennetz komplett mit Glasfaser versorgt. Das Unternehmen ist hochverschuldet, inzwischen höher als die vom Haushaltsausschuss im Bundestag festgelegte Obergrenze von 20 Milliarden Euro. Vor die Frage gestellt, ob der Bund als Gesellschafter seinem Unternehmen noch einmal Milliarden überweist oder eine Zukunftsfrage wie die Breitbandversorgung auf eigene Kosten von Dritten erledigen lässt, zeigen sich die Haushälter interessiert.

„Dieses Angebot ist mehr als eine Überlegung wert“, sagte der für den Verkehrsetat zuständige Haushaltspolitiker der Unionsfraktion, Rüdiger Kruse, dem Handelsblatt. „Wir bekämen schneller die Netzabdeckung in die Fläche, und die DB würde mit ihrer Infrastruktur Geld verdienen, anstatt Kosten zu produzieren. Beides spricht für diese Variante.“ Angesichts des drohenden Wirtschaftsabschwungs sitzt das Geld beim Bund nicht mehr so locker.

Hinzu kommt: One Fiber hat einen potenten strategischen Partner an Bord: die EWE aus Oldenburg, einen der großen Player auf dem Energie- und auch auf dem Telekommunikationsmarkt. EWE soll den Vertrieb organisieren und als Mittler zwischen Bahn und Markt auftreten.

EWE begrüße „Maßnahmen, die dem Glasfaserausbau bis zum Haus förderlich sind“, erklärte ein Sprecher dem Handelsblatt. Es sei „durchaus interessant und spannend, was One Fiber macht. Zu Kooperationen und Beteiligungen äußern wir uns allerdings derzeit nicht.“

Unterstützt durch die EWE entstünde ein bundesweit aktiver Anbieter. Der Glasfaserverband Buglas begrüßt die One-Fiber-Pläne. „Unabhängig von bereits bestehenden Backbone-Netzen besteht hier durch das flächig existierende Schienennetz die besondere Chance, gerade dünner besiedelte Räume kostengünstig anzubinden“, sagte Verbandschef Wolfgang Heer. Auch ließen sich Ortsnetze „effizienter“ an das Glasfasernetz als Rückgrat anschließen.

Darauf setzt One Fiber. Das Unternehmen geht davon aus, dass der Ausbau seines Glasfasernetzes nach ihrem Konzept gerade einmal 1,8 Milliarden Euro kosten wird – die Hälfte der steuerfinanzierten Variante der Bahn. Es sollen mehrere deutsche Banken und Family Offices bereit sein, das Projekt zu finanzieren. Überprüfen lässt sich das nicht. Angesichts der Niedrigzinsphase sind Infrastrukturprojekte mit stabiler Rendite aber gesucht.

Für One Fiber hat die entscheidende Phase begonnen. Das Unternehmen hat bei der Netzgesellschaft der Bahn beantragt, die Kabelschächte mitnutzen zu dürfen. Auch will es auf bereits existierende Glasfaserkabel der Bahn zugreifen, da nur wenige der verlegten Fasern für den Bahnbetrieb nötig sind.

Lehnt die Bahn ab, wird die Bundesnetzagentur entscheiden müssen. So sieht es das Telekommunikationsgesetz vor. Es regelt, dass Infrastrukturanbieter wie Kommunen, Energieversorger oder die Bahn ihre Infrastruktur zur Verfügung stellen müssen, wenn jemand Glasfaser verlegen möchte.