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TV-Duell im Ausnahmezustand: Das steht für Trump und Biden auf dem Spiel

Der Wahlkampf in den USA läuft unter extremen Umständen, die Corona-Pandemie überschattet alles. Auch die erste TV-Debatte zwischen Biden und Trump wird davon geprägt.

Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden hat sich vorgenommen, Donald Trump vor laufenden Kameras bloßzustellen. „Er fühlt sich am wenigsten wohl, wenn es um Fakten geht. Er ist der am schlechtesten informierte Präsident aller Zeiten“, sagte Biden im Vorfeld der ersten TV-Debatte.

Auch Trump gab sich kämpferisch. „Sleepy Joe“, wie er seinen Konkurrenten nennt, könne sowieso nicht mit ihm mithalten, sagte der Präsident. Er könne es kaum erwarten, sich mit ihm am Rednerpult zu duellieren.

Wenn Biden und Trump in der Nacht zum Mittwoch zum ersten Mal gemeinsam die Bühne eines Fernsehstudios betreten, werden Millionen US-Bürger zuschauen, ebenso wie die internationale Gemeinschaft. Die Bedingungen dieses Wahlkampfs, der inmitten einer Pandemie und Wirtschaftskrise abgehalten wird, sind extrem.

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Das Covid-Virus fordert täglich 800 Tote in den USA, jede Woche beantragen knapp eine Million US-Amerikaner Arbeitslosenhilfe, parallel halten die Unruhen über Rassismus und Polizeigewalt an. Außerdem ist Trump mit Enthüllungen über sein Finanzgeflecht konfrontiert. Die „New York Times“ hatte zum Wochenbeginn berichtet, dass der Präsident nicht nur tief verschuldet sei, sondern über Jahre so gut wie keine Einkommensteuer abgeführt habe.

Die US-Wahlen sind unter diesen Umständen eine Richtungsentscheidung über die Zukunft des mächtigsten Industrielandes der Welt. „Die TV-Duelle sind eine seltene Gelegenheit für beide Kandidaten, sich in einem sonst sehr eingeschränkten Wahlkampf zu präsentieren“, sagt die Ex-Chefin der Demokratischen Partei (DNC), Amy Dacey. Der Auftakt der Debatten sei traditionell am wichtigsten.

Die Wahlen haben schon begonnen

Vielerorts wurden die Briefwahlen wegen Corona vorgezogen, was den Druck erhöhe. Gibt es am 3. November ein knappes Ergebnis, könnte der Ausgang zudem über Wochen in der Schwebe hängen. Trump hat offengehalten, ob er einen friedlichen Machtwechsel akzeptieren würde.

Selten hat eine „Präsidentendebatte“ in einem derart spannungsgeladenen Umfeld stattgefunden. Für 90 Minuten werden die Kandidaten sprechen, die Debatte ist in sechs Hauptthemen unterteilt, darunter die Pandemie, die Wirtschaftskrise und die umstrittene Neubesetzung des Obersten Gerichtshofs. Lange war unklar, ob das Format überhaupt stattfinden würde. Ursprünglich sollte es von der Universität Notre Dame im Bundesstaat Indiana ausgerichtet werden, doch die sagte wegen des Covid-Risikos ab.

Jetzt treffen sich Trump und Biden auf dem Campus der Cleveland-Klinik in Ohio, einem für die Wahl wichtigen und umkämpften Bundesstaat. Laut der Organisatoren werden im Studio nicht mehr als 200 Personen anwesend sein, die einen negativen Coronatest vorlegen und Masken tragen müssen. Ob die Kandidaten zumindest zur Begrüßung eine Schutzmaske im Gesicht haben, dürfte ein viel beobachtetes Detail sein. „Ob man eine Maske trägt oder nicht, ist zum Statement geworden, wo man politisch steht“, sagt der Politik-Professor David Barker an der American University in Washington.

In den vergangenen Wochen sah man Biden meist maskiert, Trump nur sporadisch. Die Optik steht für zwei Wahlkampagnen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Biden setzt auf Besuche in kleinen Unternehmen, Feuerwehrstationen oder Pizza-Läden. Trump hält Massenveranstaltungen ab, sogenannte „Fly in, fly out“-Events – direkt am Rollfeld vor der Präsidentenmaschine Air Force One, umjubelt von Tausenden Anhängern.

Biden will Clintons Fehler nicht wiederholen

Der Steuerskandal des Präsidenten dürfte bei der ersten TV-Debatte eine große Rolle spielen. Denn die Enthüllungen geben Biden neue Argumente an die Hand, um Trump zu attackieren. Im Studio wird es darüber hinaus darum gehen, wessen Zukunftsvision für die Wähler am überzeugendsten ist.

Trump gewann 2016 auch deshalb, weil er die Frustration über den industriellen Strukturwandel klar adressierte. Hillary Clinton versäumte das damals, die Demokraten verloren einstige Hochburgen reihenweise an Trump. Biden will diesen Fehler nicht wiederholen und tritt mit einem protektionistischen Wirtschaftsprogramm an. Er würde in seiner ersten Amtszeit 400 Milliarden Dollar in den Kauf amerikanischer Produkte, etwa für Infrastruktur und Gebäudesanierung, investieren. Finanziert werden soll das über eine Vermögensteuer und eine Anhebung der Unternehmensteuer von 21 auf 28 Prozent.

Trump brandmarkt die Pläne als sozialistisch und warnt, die Demokraten würden die USA „in ein zweites Venezuela verwandeln“, zu Tode reguliert und pleite. Ein neues Wirtschaftsprogramm hat Trump nicht vorgelegt. Bislang weiß man nur, dass er den Steuersatz für Kapitalerträge auf Investitionen auf 15 Prozent senken würde. Und er will den Handelskrieg mit China und Europa vorantreiben. Trump brandmarkt Biden als Karrierepolitiker, der sein Leben lang nichts anderes gemacht habe, „als eure Jobs nach China zu verlagern“.

Auch in der Eindämmung der Pandemie verfolgen beide Kandidaten sehr unterschiedliche Ansätze. Biden beschwört einen Neustart im Krisenmanagement, fordert einen nationalen Lockdown und eine Maskenpflicht. Trump verspricht einen schnellen Impfstoff und warnt vor einem wirtschaftlichen „Zusammenbruch der USA“, sollte Biden Unternehmen und Schulen komplett schließen.

Die anhaltenden Straßenproteste gegen Polizeigewalt und Rassismus haben zudem das Thema Sicherheit an die Oberfläche gespült. Trump fährt einen harten „Law and Order“-Kurs, sowohl an der Grenze zu Mexiko als auch gegen Unruhen in Großstädten. Biden muss die Balance halten zwischen Solidarität mit der schwarzen Community und Rückendeckung für die Polizei.

Auch der Streit um die Nachbesetzung der verstorbenen Richterin Ruth Bader Ginsburg im Supreme Court dürfte die erste TV-Debatte bestimmen. „Trump wird jede Gelegenheit nutzen wollen, über die neue konservative Richterin für den Supreme Court zu sprechen. Er kann damit perfekt von Problemfeldern ablenken“, sagt Demokratin Dacey. Trump hatte am Samstag die Bundesrichterin Amy Coney Barrett nominiert, die noch vor den Wahlen im US-Senat bestätigt werden soll.

Politik-Professor Barker gibt zu bedenken, dass das Thema aber auch im Lager der Konkurrenz mobilisiere. „Wir sehen eine starke Gegenbewegung, die Demokraten scheinen sehr motiviert zu sein“, sagt er. „Niemand hat in einem Präsidentschaftswahlkampf jemals so viel Geld gesammelt wie die Kampagne von Joe Biden.“ Barker sagt eine „historische Wahlbeteiligung“ für den 3. November voraus.

Trumps Ausfälle, Bidens Patzer

Eine große Rolle wird spielen, wie beide Kandidaten persönlich miteinander agieren. Trump ist für Beleidigungen und Impulsivität bekannt, er beschimpfte Hillary Clinton 2016 als „nasty woman“, als „scheußliche Frau“. Biden, der als junger Mann sein Stottern überwand, leistet sich vor Kameras häufig Patzer und Gedächtnisaussetzer. „Vor ein paar Wochen hätte ich noch gesagt: Biden hat am meisten zu verlieren, weil er live nicht gut spricht“, sagt Robert Lehrman, früherer Redenschreiber des Ex-Vizepräsidenten Al Gore. „Das sehe ich jetzt anders, weil die Corona-Pandemie alles überschattet. Trump ist in Schwierigkeiten. Und Biden hat sich nach katastrophalen Auftritten im Vorwahlkampf verbessert.“

So oder so werden sich Attacken nicht aufs Inhaltliche beschränken. Biden betont im Wahlkampf seine Wurzeln in einem Arbeiterviertel und kritisiert Milliardäre wie Trump als abgehoben und realitätsfern. Trump stellte den mentalen Zustand Bidens infrage und suggerierte – ähnlich wie 2016 bei Hillary Clinton –, der Kandidat konsumiere Drogen.

Das Impeachmentverfahren könnte ebenfalls Anlass für Angriffe geben. Bidens ältester Sohn Hunter war Auslöser in der Ukraine-Affäre um Machtmissbrauch, mögliche Korruption und Vertuschung durch Trump.

Für Fernsehsender sind Auftritte mit Trump eine Herausforderung, weil er häufig falsche Fakten liefert, die schwer in Echtzeit einzuordnen sind. Umso wichtiger ist eine starke Moderation. Die übernimmt in diesem Fall Fox-Journalist Chris Wallace, der von vielen US-Medien als „einer der besten im Geschäft“ beschrieben wird. Europäer dürften den 72-Jährigen von seiner klugen Moderation eines TV-Duells zwischen Trump und Clinton 2016 kennen.

Eigentlich gilt dessen Stammsender Fox News als unkritisch gegenüber Trump, doch Wallace hat einen Ruf der Überparteilichkeit. Vor einigen Monaten sorgte er mit einem Trump-Interview für Aufsehen, in dem er den Präsidenten immer und immer wieder mit falschen Aussagen konfrontierte. Der Harvard-Absolvent ist ein preisgekrönter Journalist, er bekam einen Emmy Award für ein Interview mit Wladimir Putin 2018.

Zwei weitere Male duellieren sich Trump und Biden bis zur Wahl im Fernsehen: am 15. Oktober in Miami und am 22. Oktober in Nashville. Außerdem treffen sich die demokratische Vizepräsidentschaftskandidatin Kamala Harris und Vizepräsident Mike Pence am 7. Oktober in Salt Lake City zum Streitgespräch.

Das zahlenmäßig verkleinerte Studiopublikum ist nach Ansicht der Experten kaum entscheidend. „Im Geiste sprechen Biden und Trump zu Menschenmassen, zu ihren Wählern und Wählerinnen“, sagt Dacey. „Eine TV-Debatte ist kein Parteitag, wo Zuhörer für Stimmung sorgen.“ Außerdem sei in heutigen Zeiten das virtuelle Publikum wichtiger denn je. „Sobald die Debatte vorbei ist, geht sie im Internet erst richtig los. Virale Momente, die über Wochen online abgespielt werden, sind fast wichtiger als der Termin selbst.“