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Tunesien wählt neuen Präsidenten – Wahl zwischen Medienmogul und Jura-Professor

Die Tunesier zeigen ihren Frust über die stotternde Wirtschaft und ausbleibende Reformen an der Urne. Die Kandidaten haben mit dem politischen Establishment nichts am Hut.

Die tunesischen Präsidentschaftskandidaten Kais Saied (l.) und Nabil Karoui während einer im Fernsehen übertragenen Debatte am 11. Oktober. Die Stichwahl des tunesischen Präsidenten findet am heutigen Sonntag statt. Foto: dpa
Die tunesischen Präsidentschaftskandidaten Kais Saied (l.) und Nabil Karoui während einer im Fernsehen übertragenen Debatte am 11. Oktober. Die Stichwahl des tunesischen Präsidenten findet am heutigen Sonntag statt. Foto: dpa

Tunesien kämpft acht Jahre nach dem Ende der Diktatur darum, seine Demokratie zu stabilisieren. Die ist durch die Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag und durch die heute anstehende Stichwahl für das Amt des Präsidenten einer erheblichen Bewährungsprobe ausgesetzt.

Die Tunesier straften die etablierten Parteien bei der Parlamentswahl aus Frust über die schlechte wirtschaftliche Entwicklung und die ausbleibenden politischen Reformen ab und wählten ein zersplittertes Parlament. In der heutigen Stichwahl für den neuen Präsidenten stehen ebenfalls zwei Außenseiter.

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Einer von ihnen, der Medienmogul Nabil Karoui, wurde im August wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Korruption verhaftet, erzielte in der ersten Wahlrunde aus dem Gefängnis heraus mit 16 Prozent der Stimmen aber das zweitbeste Ergebnis. Am vergangenen Mittwoch hat ein Kassationsgericht ihn auf freien Fuß gesetzt.

Karoui tritt gegen den Jura-Professor Kaïs Saïed an, der die erste Runde mit 19 Prozent der Stimmen gewonnen hatte. Beide Kandidaten könnten unterschiedlicher kaum sein. Saïed ist Jura-Professor und pflegt in dem von Korruption geplagten Land das Image des durch und durch integren Kandidaten.

Er hatte für seinen Wahlkampf keinerlei Gelder angenommen und aus Gründen der Chancengleichheit mit Karoui im Gefängnis auf einen eigenen Wahlkampf verzichtet. Saïed gehört keiner Partei an und hat bisher keine politische Erfahrung. Er ist vor allem bei jungen Tunesiern beliebt – unter anderem bei seinen ehemaligen Studenten.

TV-Duell ohne klaren Sieger

Das kurzfristig anberaumte TV-Duell am Freitagabend brachte keinen klaren Sieger, auch wenn viele im Vorfeld erwartet hatten, dass der Medienprofi Karoui den trockenen Juristen Saïed dabei in den Schatten stellen würde. Saïed versprach armen Provinzen und der Jugend mehr Einfluss. „Was zählt, ist der Wille des Volkes“, sagte er in Anspielung auf die Forderung der Revolution.

Karoui erneuerte sein Versprechen, gegen „Elend, Armut und Hoffnungslosigkeit“ anzugehen. Der „tunesische Berlusconi“ nutzt seinen Sender Nessma TV, um über sich und die Aktivitäten seiner Wohltätigkeitsorganisation zu berichten, die Nahrungsmittel und Medikamente an bedürftige Tunesier verteilt. Der 56-Jährige erklärte zudem, er wolle Investitionen von Unternehmen wie Google und Apple nach Tunesien holen, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Die Wirtschaft hat sich nach der Revolution 2011 nicht verbessert, sondern verschlechtert. Die Jugendarbeitslosigkeit, einer der Treiber für die Revolution, liegt bei 34 Prozent, und die Inflation von sieben Prozent setzt auch dem großen tunesischen Mittelstand zu. Das bisherige Parlament war zerstritten und konnte sich nicht auf die nötigen Reformen einigen.

Zwar bestimmt der Premierminister weitgehend die Innenpolitik, der Präsident ist aber für die Richtlinien der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik zuständig, und er kann Gesetzesvorschläge des Parlaments zurückweisen und verlangen, dass sie mit einer Drei-Fünftel-Mehrheit verabschiedet werden.

Sollte Karoui die Wahl gewinnen, würde ihm das eine sehr mächtige Position verleihen, da seine Partei nach Wahlen im Parlament die zweitstärkste Kraft ist. Der 56-Jährige würde mit seiner Wahl zum Präsidenten für seine fünfjährige Amtszeit Immunität erhalten und könnte in der Zeit wegen der Korruptionsvorwürfe nicht belangt werden, erklärt Hervé de Baillenx von der Nichtregierungsorganisation Democracy Reporting International in Tunis.

Neben dem Korruptionsverdacht belastet ihn ein Lobbyvertrag über eine Million Dollar, den er in den USA abgeschlossen haben soll, um einen Termin mit US-Präsident Donald Trump sowie dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu erhalten. Damit überschreitet er die in Tunesien erlaubte Höchstsumme von Wahlkampfgeldern und verstößt womöglich gegen das Verbot von Hilfe aus dem Ausland für seinen Wahlkampf.

Karoui bestreitet, den Vertrag abgeschlossen zu haben. Seine Kritiker sehen darin aber ein weiteres Indiz, dass er sich nicht an die Gesetze hält.

Gewinnt der 61-jährige Saïed die Wahl, würde die tunesische Politik eine konservative Schlagseite erhalten. Saïed ist unter anderem für die Todesstrafe, die Strafe für Homosexualität und gegen ein gleiches Erbrecht für Frauen und Männer. Er selbst betont zwar, dass er kein Islamist sei, aber die moderate islamistische Partei Ennahdah unterstützt seine Kandidatur. Sie hat auch die Parlamentswahl vor einer Woche gewonnen.

Saïed fordert eine Dezentralisierung des politischen Systems, um besser auf die regionalen Besonderheiten eingehen zu können. Bekannt ist der eher trockene Verfassungsexperte mit der emotionslosen Sprache den Tunesiern als Kommentator in TV-Sendungen, wo er sich zu juristischen Fragen beim Aufbau der neuen demokratischen Institutionen in Tunesien äußerte.