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Trump demonstriert Stärke – doch die Unruhen lassen seine Wahlchancen schwinden

Präsident Trump verstärkt sein Law-and-Order-Image und appelliert an die republikanische Kernklientel. Für eine Wiederwahl dürfte das nicht reichen.

Donald Trump hält eine Bibel in die Höhe. Foto: dpa
Donald Trump hält eine Bibel in die Höhe. Foto: dpa

Es war eine Szene, die an die letzten Tage von Dritte-Welt-Regimen erinnert: Wie schon in den Tagen zuvor hatten sich auch am Montagabend einige Hundert Demonstranten am Lafayette Park vor dem Weißen Haus versammelt. Friedlich protestierten sie gegen den Tod des Afroamerikaners George Floyd in Polizeigewahrsam und den amerikanischen Sicherheitsbehörden vorgeworfenen Alltagsrassismus.

Um kurz nach 18 Uhr Ortszeit begannen plötzlich Nationalgardisten und Bundespolizisten, die Demonstranten aus der Nähe des Parks in die umliegenden Straßen zurückzudrängen. Die Beamten setzten Schlagstöcke, Gummigeschosse, Blendgranaten und Tränengas ein, einige Demonstranten warfen daraufhin Wasserflaschen auf die Beamten.

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Als der Platz nach einigen chaotischen Minuten geräumt war, spazierte Donald Trump um 19 Uhr gemeinsam mit seiner Tochter Ivanka und seiner Entourage – alle weiß – vom Weißen Haus durch den Lafayette Park hinüber zur St. John’s Church. Ein idyllisches, gelb getünchtes Kirchlein aus dem Jahr 1807, das alle US-Präsidenten traditionell zu Gebet und Gottesdienst aufsuchen.

Bei den Unruhen in der Nacht zuvor hatten Brandstifter Feuer in der Kirche gelegt, die Feuerwehr konnte die Flammen rasch löschen. Reste von Tränengas lagen noch in der Luft, als Trump vor der Kirche eine Bibel neben seinen Kopf hielt. „Ist das eine Familienbibel?“, wollte ein Journalist wissen. „Es ist eine Bibel“, antwortete Trump. Um Viertel nach sieben spazierte er zurück zum Weißen Haus.

Was bleibt, ist der verheerende Eindruck eines Präsidenten, dem die eigene Miliz die Straße freikämpfen muss, bevor er die Hauptstadt betreten kann. Zumal Muriel Bowser, die demokratische, afroamerikanische Bürgermeisterin von Washington, sofort klarmachte, dass ihre eigenen Polizisten sich nicht an dem Einsatz beteiligt hätten: „Ich bin geschockt über den Angriff der Bundesbehörden auf friedliche Demonstranten, um dem Präsidenten den Weg frei zu räumen.“ Und auch die für St. John zuständigen Bischöfe verurteilten Trumps Besuch als „Missbrauch eines Kirchengebäudes und der heiligen Bibel für einseitige politische Zwecke“.

In zahlreichen amerikanischen Großstädten, darunter auch in Washington, haben die Bürgermeister inzwischen nächtliche Ausgangssperren verhängt. Die nächtliche Ausgangssperre in New York ist am Dienstag nach weiteren Ausschreitungen bis Sonntag verlängert worden. Die Plünderungen seien inakzeptabel, sagte Bürgermeister Bill de Blasio in einer Pressekonferenz.

Doch auch die Ausgangssperren konnten nicht verhindern, dass in der Nacht auf Dienstag die friedlichen Demonstranten mit Einbruch der Dunkelheit von Randalierern abgelöst wurden, die Scheiben einschlugen, Geschäfte plünderten und Brände legten. In St. Louis und Las Vegas wurden bei den Unruhen fünf Polizisten durch Schüsse verletzt.

Im New Yorker Bezirk Bronx überfuhr ein Auto offenbar absichtlich einen Polizisten. In den Einkaufsstraßen und Geschäftsvierteln vieler US-Metropolen sind die Fenster im Erdgeschoss mittlerweile mit Spanplatten vernagelt, was zum düsteren Eindruck beiträgt. Die USA, die gerade erst den Höhepunkt der Corona-Pandemie hinter sich haben, befinden sich schon wieder im nächsten Ausnahmezustand.

Und wie schon in der Coronakrise geht es bei den Unruhen immer auch um die Frage: Was bedeuten sie für die anstehenden Präsidentschaftswahlen am 3. November? Eine gemeinsame Umfrage der „Washington Post“ und des Fernsehsenders ABC, durchgeführt in den Tagen nach George Floyds Tod, sieht Trumps Herausforderer Joe Biden US-weit mittlerweile mit zehn bis 13 Prozentpunkten vor Trump. Mit einem solchen Rückstand ist es für Trump nahezu unmöglich, sich die Mehrheit im Wahlmännergremium zu sichern, das über den nächsten US-Präsidenten entscheidet.

„Will Trump die Wahl gewinnen, muss er dringend das Bild verändern, das die Amerikaner von ihm haben“, sagt Christopher Wlezien, Professor an der University of Texas in Austin. „Allein an die republikanischen Stammwähler zu appellieren wird nicht ausreichen, um den Rückstand in den Umfragen aufzuhalten“, sagt der Politikwissenschaftler, dessen Spezialgebiet amerikanische Präsidentschaftswahlen sind.

Und doch versucht Trump derzeit genau das: Das Foto mit der Bibel in der Hand, das getwitterte Versprechen von „Law & Order“ – mit solchen Gesten appelliert Trump an die republikanische Kernklientel. Die ist überwiegend weiß, christlich und lebt eher in Vororten und ländlichen Regionen im Süden der USA.

Trump droht mit Militäreinsatz

Als Ursache für die schwierige Lage der Schwarzen in den USA sehen diese Trump-Wähler weniger den Rassismus als vielmehr das in ihren Augen allzu großzügige Sozialsystem, das ihnen als Anreiz für Müßiggang gilt. Hartes Durchgreifen gegen Randalierer kommt bei dieser Klientel gut an, und Trump bedient ihr Bedürfnis.

Zwar hat Trump mit Floyds Familie telefoniert und den Tod des Afroamerikaners klar verurteilt. Doch vor allem demonstriert er Stärke. Am Montagnachmittag sagte er: „Wenn ein Staat oder ein Bundesstaat nicht die nötigen Maßnahmen ergreifen, um das Leben und das Eigentum ihrer Bürger zu schützen, werde ich das Militär der Vereinigten Staaten dorthin entsenden und das Problem rasch für sie lösen.“

Der Einsatz der Armee bei Unruhen im Innern ist in den USA kein solches Tabu wie in Deutschland. Zuletzt wurden US-Soldaten bei den Unruhen 1992 in Los Angeles eingesetzt, nach dem Freispruch von vier Polizisten im Misshandlungsfall Rodney King. Doch damals geschah das im Einvernehmen mit den lokalen Behörden. Trumps Drohung, das Militär notfalls auch gegen den Willen von Bürgermeistern und Gouverneuren zu entsenden, ist selbst für die USA ungewöhnlich.

Die rechtliche Grundlage dafür bildet ein selten genutztes Gesetz aus der Frühzeit der USA, das ursprünglich den Einsatz von Soldaten gegen das „feindliche Eindringen von Indianern“ regelte. Ungewöhnlich wäre der Schritt auch deshalb, weil die USA mit der Nationalgarde bereits über eine Miliz verfügen, die zwischen Polizei und Armee angesiedelt ist.

Die Nationalgarde besteht aus freiwilligen Teilzeitsoldaten, die im Normalfall dem Gouverneur des jeweiligen Bundesstaates unterstellt sind. Bereits jetzt sind US-weit über 20.000 Nationalgardisten im Einsatz, um die Polizei beim Einsatz gegen Randalierer zu unterstützen.

In einem krassen Gegensatz zur Law-and-Order-Politik des Präsidenten sucht Herausforderer Joe Biden die Nähe zu den friedlichen Demonstranten. Am Montag traf er sich mit Führern der afroamerikanischen Community.

Am Dienstag hielt er eine Rede in Philadelphia, in der er den Rassismus in den USA anprangerte: „Viel zu oft bringt die Farbe deiner Haut dein Leben in Gefahr“, sagte er. Auch Bidens Auftritte stehen im Einklang mit seiner Wahlkampfstrategie: Als weißer Vertreter des konservativen Parteiflügels muss er vor allem um linke Wähler und um die Angehörigen von Minderheiten werben.

Mehr: Wachsende Gewalt, politisches Unvermögen, schwache Wirtschaft – die Demokratie in den USA wirkt fragil. Davon könnte ausgerechnet der Präsident profitieren.