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Tesla sieht sich erneut mit Risiken für seine Gigafactory in Grünheide konfrontiert

Umweltschutzverbände monieren lückenhafte Bauantragsunterlagen der geplanten Gigafactory. Das könnte das Genehmigungsverfahren verzögern.

Der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke ist sich seiner Sache sicher. Bis jetzt kenne er kein Problem, das einer abschließenden Baugenehmigung für das Tesla-Werk in Grünheide im Wege stehen würde, sagte der SPD-Politiker noch Anfang Oktober. „Ich gehe davon aus, dass hier eine rechtlich einwandfreie Erlaubnis möglich ist.“

Ganz so einfach, wie Woidke es darstellt, ist es aber nicht. Über vorläufige Genehmigungen und auf eigenes Risiko zieht der US-Elektroautokonzern seine Fabrik 35 Kilometer südöstlich von Berlin seit Monaten hoch. Läuft alles nach Plan, werden hier ab Sommer 2021 bis zu 12.000 Mitarbeiter 500.000 Fahrzeuge jährlich produzieren. Doch nun wird neue Kritik an dem Projekt laut.

Nach der öffentlichen Erörterung der Projektunterlagen melden sich Natur- und Umweltschutzverbände zu Wort und ziehen das Vorhaben in Zweifel. „Das ganze Verfahren ist inakzeptabel“, sagte Michael Ganschow, Landesgeschäftsführer der Grünen Liga Brandenburg, dem Handelsblatt.

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Ganschow wirft der brandenburgischen Landesregierung vor, vollendete Tatsachen schaffen zu wollen. Seine Bedenken gegenüber der Ansiedlung der geplanten Gigafactory am Standort Grünheide sind groß: „Hier wird ein Projekt am falschen Standort vorangetrieben, das schon aufgrund seiner Dimension einer umfangreichen fachlichen Kontrolle bedarf.“ Ein geordnetes Verfahren sei unter diesem Zeitdruck nicht möglich.

Bei einer öffentlichen Anhörung, die Anfang Oktober beendet wurde, hatten Naturschützer und Anwohner mit Vertretern des Landesumweltamts und von Tesla über die mehr als 400 Einwendungen diskutiert. „Die Erörterung gibt uns die Möglichkeit, faktenorientiert zu antworten“, hatte ein Tesla-Sprecher zuvor versichert. Es würden keine Fragen offenbleiben.

Verbände fordern erneute Auslegung der Planungsunterlagen

Nun scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Bei der insgesamt acht Tage dauernden Anhörung wurden Einwände vorgebracht, die womöglich eine nochmalige Auslegung der Planungsunterlagen für die neue Gigafactory erforderlich machen könnten. Damit sieht sich der Autobauer plötzlich wieder mit Risiken für seine Fabrik konfrontiert.

Die Planungsunterlagen seien an vielen Stellen weiterhin zu unkonkret, sagte Ganschow. „Die Naturschutzverbände haben während der Anhörung diverse fehlende Dokumente, Pläne und Gutachten eingefordert, die weder das Unternehmen noch die Behörde rechtzeitig geliefert haben.“ Deswegen habe ihr Anwalt Thorsten Deppner während der Erörterung eine erneute Auslegung der kompletten Planungsunterlagen gefordert. „Die sachgerechte Erörterung“, sagte Ganschow, „ist nur möglich, wenn alle Pläne der Öffentlichkeit vorliegen.“



Die Grüne Liga steht mit ihrer Kritik nicht allein: „Die Behörden tun gut daran, sich jetzt mit den Anträgen intensiv auseinanderzusetzen und für Transparenz zu sorgen“, sagte Christiane Schröder, Geschäftsführerin des Naturschutzbunds (Nabu) Brandenburg, dem Handelsblatt. „Ansonsten wäre das Verfahren sehr angreifbar.“

Auch der Nabu bemängelt, dass die Pläne des Unternehmens teilweise nicht den Unterlagen entsprächen. „Das alles ist dem Zeitdruck geschuldet, lässt aber keine vernünftige Prüfung des Gesamtprojekts zu“, sagte Schröder. „Wir wollen die Ansiedlung nicht verhindern, aber unser Anliegen ist es, dafür zu sorgen, dass Natur, Umwelt und auch der Mensch im Verfahren ausreichend berücksichtigt werden.“

Unklar ist auch die infrastrukturelle Anbindung

Es gebe sicherlich für alles technische Lösungen, „aber wir lassen uns nicht mit unvollständigen und längst wieder überholten Planungsunterlagen abspeisen, die teilweise auf knapp zehn Jahre alten Untersuchungsdaten basieren, wie das beispielsweise bei den Grundwassermessdaten der Fall ist“, kritisierte die Nabu-Expertin. Von Tesla gab es auf Nachfrage keine Stellungnahme zu der Kritik der Verbände.

FDP-Wirtschaftspolitiker Michael Theurer kritisierte das Vorgehen der Naturschützer scharf. „Diese müssen sich fragen lassen, wie ernst sie es mit dem Bekenntnis zur E-Mobilität wirklich meinen“, sagte der Vizechef der Liberalen im Bundestag. „Wer in Sonntagsreden aus Klimaschutzgründen nach dem Elektroauto ruft, darf am Montag nicht den Bau einer Elektroautofabrik verhindern.“

Für Theurer offenbart das zähe Ringen der Verbände um jeden einzelnen Aspekt der planungsrechtlichen Voraussetzungen und der Baugenehmigung für die Tesla-Ansiedlung auch, wie „dringlich“ eine Vereinfachung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sei. Einstweilen bleibe neben der verfahrensrechtlich einwandfreien Bearbeitung aller Einwände nur, dass die Landes- und Bundesregierung das Gespräch mit den Umweltverbänden suche.

Die Grüne Liga bemängelt vor allem den hohen Gesamtwasserbedarf der Fabrik. Tesla hatte angekündigt, in der Gigafactory eine „Lackiererei der nächsten Generation“ umsetzen zu wollen. „Nach den uns vorliegenden Unterlagen würde in der Lackiererei nicht einmal der derzeitige Stand der Technik eingehalten“, so der Vorwurf. Die Lackiererei verbrauche Wasser in einem Maße, so Ganschow, „wie es der Durchschnitt der europäischen Autohersteller längst nicht mehr braucht“.

Unklar ist auch die infrastrukturelle Anbindung des Gebiets. Im aktuellen Antrag werde eine Bahnanbindung nicht mehr erwähnt. Dafür verdreifache sich der Lkw-Verkehr auf 1257 Lkws am Tag ohne Leerfahrten. Auch erfordere der Bau einer solchen Industrieanlage in einem Trinkwasserschutzgebiet eine Transparenz aller technischer Daten, um notwendige Sicherheitsfragen bei einem Erörterungstermin diskutieren zu können.

„Während der Erörterung gab es zu einigen Themen offene Fragen, die noch geklärt werden müssen“, sagte auch die Geschäftsführerin des brandenburgischen Landesverbands des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), Anja Hänel, dem Handelsblatt.



Der VCD sieht den prognostizierten Werksverkehr der Fabrik kritisch. Die eingereichten Genehmigungsunterlagen wiesen in den einzelnen Kapiteln unterschiedliche Angaben zum Verkehr aus. „Tesla hat leider auch keine Angaben dazu gemacht, wie sich der An- und Abreiseverkehr räumlich verteilt“, erklärte Hänel. Um die anliegenden Ortschaften zu entlasten, sei nur angegeben worden, dass der Verkehr für an- und abreisende Mitarbeiter vorrangig über die angrenzende Autobahn 10 abgewickelt werden solle.

Das „Hauptproblem“ sei dabei, so Hänel, dass für die behördliche Genehmigung genau solche Berechnungen zur zeitlichen und räumlichen Verteilung fehlten. „Deshalb haben wir um eine Klärung des Sachverhaltes gebeten.“ Denn die Sicherstellung der Verkehrserschließung sei Voraussetzung für die Genehmigung.

Die brandenburgische Landesregierung verweist darauf, dass das Verfahren noch laufe. „Alle in der Erörterung vorgebrachten Anträge und Hinweise werden von der Genehmigungsbehörde geprüft“, sagte eine Sprecherin des Umweltministeriums in Brandenburg. Das sei zurzeit im Gange. Erst nach dieser Prüfung seien weitere Aussagen möglich.