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Streit um Dokumente zur Rolle von Bafin-Vize Roegele im Cum-Ex-Skandal

Der Linken-Abgeordnete De Masi fordert eine Freigabe der Protokolle aus dem Cum-Ex-Untersuchungsausschuss. Auch im Wirecard-Skandal agierte Roegele unglücklich.

Wolfgang Schäuble wird das Thema Cum-Ex nicht los. 2009 wurde er Bundesfinanzminister, damals schädigten Banken und Investoren den Staat mit dem Handel von Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch unbehelligt um Milliarden.

Jahre später begannen Ermittlungsverfahren, 2017 saß Schäuble vor einem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags. Der Minister reagierte ungehalten, als er nach möglichen Versäumnissen in Sachen Cum-Ex gefragt wurde. Nun kommt die Affäre erneut auf Schäubles Schreibtisch.

Als Präsident des Deutschen Bundestags muss Schäuble über eine Beschwerde von Fabio De Masi entscheiden. Der Finanzexperte der Linken-Fraktion stößt sich daran, dass Protokolle der Befragung von Elisabeth Roegele für die Parlamentarier unzugänglich sind. Roegele war Chefjuristin der Dekabank, als diese auf Gewinne aus Cum-Ex-Geschäften klagte.

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Im Mai 2015 wechselte Roegele zur Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, seit August 2018 ist sie dort Vizepräsidentin. De Masi würde gern mehr über die Rolle von Roegele in der Cum-Ex-Affäre erfahren, kann es aber nicht. Die Protokolle ihrer Befragung sind als „Geheimsache“ eingestuft.

Warum? Cum-Ex-Geschäfte sorgten über die Jahre für Steuerschäden von zwölf Milliarden Euro, die Finanzaufsicht Bafin sah dabei zu. 2015, als Roegele Exekutivdirektorin für Wertpapieraufsicht wurde, war längst bekannt, dass sie zuvor für eine Bank gearbeitet hatte, die tief in den Steuerskandal verwickelt war. Trotzdem erhielt Roegele „ein wunderbares Angebot“, wie sie selbst die Jobofferte nannte.

De Masis erster Versuch scheiterte, mehr Klarheit zu bekommen. Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung des Bundestags verwehrte ihm Anfang Juli 2020 die Lektüre der Roegele-Protokolle. Noch immer können nur solche Politiker darin Einsicht nehmen, die einerseits 2016/17 Mitglieder des Untersuchungsausschusses waren, andererseits noch heute im Bundestag sitzen.

Zweiklassengesellschaft im Parlament

Die Linken haben damit keinen Zugang mehr – und De Masi meint, die Geheimniskrämerei schade der Demokratie: „Frau Roegele gehört zur Führungsriege der Bafin. Die Parlamentarier haben ein Recht darauf zu erfahren, wie sie sich in der Cum-Ex-Affäre verhalten hat.“

Das gelte auch deshalb, sagt De Masi, weil die Politik bei der Aufklärung der Affäre versagte. Der Untersuchungsausschuss tagte 46-mal, mehr als die Hälfte der Sitzungen fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Als der Ausschuss endete, hielt ihn die Mehrheit der Mitglieder für überflüssig. „Der Abschlussbericht kommt zu dem Schluss, dass der Ausschuss nicht erforderlich gewesen ist“, hieß es in den Parlamentsnachrichten vom 21. Juni 2017.

Der Ausschuss sei „zu der Überzeugung gekommen, dass in den zuständigen Behörden sachgerecht und pflichtgemäß gearbeitet wurde“. Die Grünen und die Linken sagten dazu, der Bericht sei „einseitig geschrieben“ und entschärft worden. „Die Koalitionsparteien wollten den Untersuchungsauftrag nie erfüllen.“

Ein Sprecher von Bundestagspräsident Schäuble sagte auf Anfrage, dass man zum Inhalt von Briefen eines Abgeordneten an den Präsidenten keine öffentliche Stellungnahme abgebe. Grundsätzlich könne das Bundestagspräsidium aber Entscheidungen des Geschäftsordnungsausschusses nicht revidieren. „Wir prüfen rechtliche Schritte“, sagt De Masi dazu.

Die Bafin hält sich ebenfalls bedeckt. Auf die Frage des Handelsblatts, ob Roegele die Protokolle ihrer Befragung nicht selbst öffentlich machen möchte, teilte eine Bafin-Sprecherin mit: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir das nicht weiter kommentieren möchten.“

„Was ist das eigentlich für eine Welt?“

Die Aufklärung der Cum-Ex-Affäre schreitet unterdessen ohne die Politik voran. Im September 2019 begann vor dem Landgericht Bonn ein erster Strafprozess. Im März 2020 wurden beide Beschuldigte verurteilt. „Wir haben Sachen gehört, die sind so eigentlich nicht zu fassen“, sagte Roland Zickler, der Vorsitzende Richter. „Was ist das eigentlich für eine Welt, wenn es normal ist, dass jeder jeden bescheißt?“

Auch die Dekabank, Roegeles früherer Arbeitgeber, mischte 2010 bei Cum-Ex-Geschäften mit. 53 Millionen Euro wollte die Bank damit verdienen. Dabei basierten die Gewinne auf der Erstattung von Steuern, die gar nicht abgeführt worden waren. Der Deka-Wirtschaftsprüfer PwC verweigerte die nötige Bescheinigung zur steuerlichen Anerkennung, das Finanzamt verweigerte 2012 die Gutschrift.

Spätestens seit Juni 2013, das zeigen interne Unterlagen, war Roegele als Chefjuristin persönlich über die Details dieser Geschäfte unterrichtet. Trotzdem erhob die Dekabank im Spätsommer 2014 Einspruch gegen die Entscheidung des Finanzamts. Im Februar 2016 scheiterte sie damit vor dem Hessischen Finanzgericht.

Roegele war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr da – sie arbeitete nun für die Finanzaufsicht. Die Frage, wie sie als Chefjuristin auf einem Gewinn aus einem Geschäft bestehen konnte, das laut Auskunft der Bafin „immer schon rechtswidrig war“, mochte Roegele damals nicht beantworten und mag es auch heute nicht. Ob sie es im Untersuchungsausschuss tat, ist Geheimsache.

Blamage im Wirecard-Skandal

Heute ermittelt die Staatsanwaltschaft im Umfeld der Dekabank gegen rund zehn Personen, darunter ein Ex-Vorstand. Für Roegele geriet das Thema Cum-Ex- zuletzt aus dem Fokus – sie muss sich in einem neuen Skandal erklären.

Vor wenigen Wochen brach die Wirecard AG zusammen. Der Münchener Zahlungsdienstleister stand seit Jahren in der Kritik. Anfang 2019 berichtete die „Financial Times“ über seltsame Geschäftspraktiken des Dax-Konzerns in Asien, es kam es zu starken Kursschwankungen.

Roegele stellte sich auf die Seite von Wirecard. Sie verbot Spekulationen auf den Fall der Wirecard-Aktie, also Leerverkäufe. Außerdem erstattete sie Strafanzeige gegen Journalisten der „Financial Times“ wegen des Verdachts der Marktmanipulation.

Bisher liefen die Ermittlungen ins Leere – stattdessen zeigte ein Sonderbericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG Milliardenlücken in der Bilanz von Wirecard. Der Vorstandschef trat zurück, ein anderer Vorstand ist flüchtig. Das Renommee des Finanzplatzes Deutschland hat stark gelitten.

Roegele wollte sich auf Anfrage auch zum Thema Wirecard nicht äußern. Finanzpolitiker De Masi sieht in der Affäre eine Fortsetzung dessen, was er schon beim Cum-Ex-Skandal vermutete: „Der Wirecard-Skandal hat uns gerade erneut gezeigt, dass die Probleme bei der Wertpapieraufsicht und die Rolle von Frau Roegele ausgeleuchtet werden müssen.“