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Staatsministerin Bär fordert Babypause für Top-Manager

Vorstände von Aktiengesellschaften dürfen in Deutschland nicht in Elternzeit gehen, ohne ihr Mandat niederzulegen. Ein untragbarer Zustand, findet die CSU-Politikerin Bär.

Die Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt, Dorothee Bär (CSU), fordert, dass künftig auch Managerinnen und Manager von Aktiengesellschaften in die Babypause gehen können, ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. „Es ist wichtig, dass wir auch auf Vorstandsebene ermöglichen, eine Auszeit nach der Geburt eines Kindes oder zur Pflege Angehöriger zu nehmen“, sagte Bär dem Handelsblatt. Das gebe die „antiquierte Gesetzeslage“ momentan nicht her.

„Das Aktienrecht ist hier noch ein echter Dinosaurier, der nicht mehr in die heutige Lebenswirklichkeit passt.“ Eine Gesetzesänderung sei daher ein „überfälliger Schritt“. Dabei geht es nicht darum, dass Vorstände Elterngeld bekommen sollen, wie eine Sprecherin Bärs betonte, sondern darum, „das Mandat ruhen lassen zu können, ohne aus dem Vorstand ausscheiden zu müssen und ohne dass man in der Zeit Haftungsrisiken trägt“.

Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf besteht in Deutschland zwar ein gesetzlich geregelter Anspruch auf Eltern- oder Pflegezeit. Für Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften gibt es derzeit jedoch keine vergleichbaren Regelungen. Das Aktienrecht sieht kein vorübergehendes Aussetzen der Vorstandstätigkeit während der Amtszeit vor, weil Manager arbeitsrechtlich nicht als Arbeitnehmer gelten. Sie sind nicht weisungsgebunden und haben damit auch keinen Anspruch auf Mutterschutz oder Elternzeit.

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Ein Pausieren der Vorstandstätigkeit ist zwar mit Zustimmung des Aufsichtsrats möglich, allerdings bei fortdauerndem Haftungsrisiko: Betroffene müssen demnach auch für das geradestehen, was in ihrer familiär bedingten Abwesenheit entschieden wird. Wer dieses Risiko nicht eingehen will, muss das Mandat bislang abgeben.

Die CSU-Politikerin Bär hält das für nicht mehr zeitgemäß. „Wir brauchen sichtbare Vorbilder für die Vereinbarkeit von Karriere und Familie. Nur dann werden wir es schaffen, dass auch endlich mehr Frauen mit Kinderwunsch eine ambitionierte Karriere wagen“, sagte die Bundestagsabgeordnete. „Wer Verantwortung im privaten Bereich übernimmt, sei es durch die Fürsorge für ein Neugeborenes oder durch die Pflege Angehöriger, der darf nicht im Berufsleben dafür bestraft werden.“ Für solche „großen Leistungen“ sei deutlich mehr Anerkennung nötig.

Rückendeckung vom Anwaltverein

Auf Elterngeld hätten viele Top-Manager ohnehin kaum Anspruch, denn die Leistung gibt es nur bis zu einer gewissen Einkommensgrenze: Mütter und Väter, die gemeinsam über mehr als 500.000 Euro verfügen, bekommen die staatliche Leistung nicht. Eine Reform von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), die im kommenden Jahr in Kraft treten soll, sieht eine Absenkung der Grenze auf 300.000 Euro vor. Für Alleinerziehende bleibt sie bei 250.000 Euro.

Die Union will rasch per Gesetz eine Babypause für Top-Manager ermöglichen. Er habe Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) bereits Mitte Juli gebeten, „rasch einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen, damit wir diesen noch bis zum Jahresende verabschieden können“, sagte der rechtspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Jan-Marco Luczak (CDU), dem Handelsblatt. „Leider liegt uns aber bis heute kein Regelungsentwurf seitens des Bundesjustizministeriums vor.“

Die bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen seien „antiquiert, familienfeindlich und verhindern, dass es mehr Frauen in den Führungsetagen von Unternehmen gibt“. Die derzeitigen gesetzlichen Missstände müssten daher „rasch“ beseitigt und familienfreundliche Regelungen geschaffen werden. „Das Aktienrecht wäre dafür der richtige Ort“, sagte Luczak. „Die ergänzenden Regelungen wären im Kontext von Bestellung und Abberufung für den Vorstand einzubetten.“

Bär und Luczak unterstützen deshalb die Initiative „Stayonboard“. „Es ist an der Zeit für moderne und menschliche Führungsetagen. Auch Vorstände müssen Auszeiten nehmen können“, sagte „Stayonboard“-Mitgründerin Verena Pausder jüngst im Handelsblatt-Interview.

Zusammen mit sechs Mitstreitern will die Investorin und Aufsichtsrätin der Comdirect Bank noch in dieser Legislaturperiode eine Änderung der Rechtslage erwirken. Unterstützt wird die Initiative von einflussreichen Wirtschaftsgrößen wie Ex-Daimler-CEO Dieter Zetsche, dem Präsidenten des Startup-Verbands, Christian Miele, und der Multiaufsichtsrätin Ann-Kristin Achleitner.

Konkret schlägt „Stayonboard“ die Einführung eines „Mandat-Ruhezustands“ vor. Vorstände sollen demnach die Möglichkeit bekommen, ihr Mandat und die damit verbundenen Rechte und Pflichten für bis zu sechs Monate ruhen zu lassen, und dass in dieser Zeit keine Haftung besteht. Danach soll das Mandat „automatisch wiederaufleben“.

Anlass für die Initiative war der Fall von Delia Lachance, Kreativchefin des E-Commerce-Anbieters Westwing. Sie musste ihr Amt als Vorstandsmitglied des Unternehmens für eine Babypause niederlegen.

Rückendeckung für eine gesetzliche Änderung kommt nun auch vom Deutschen Anwaltverein (DAV). „Engagierte Vorstandsmitglieder sollten im 21. Jahrhundert weder durch die Geburt eines Kindes noch die vorübergehende Pflege von Angehörigen oder eine Krankheitsphase ausgebremst werden“, sagte die DAV-Juristin Barbara Mayer. „So werden erhebliche Potenziale verschenkt, wenn fähige Führungskräfte den Sprung in den Vorstand nicht wagen oder gar nicht anstreben, weil etwa die Kinderplanung noch nicht abgeschlossen ist.“

Union blockiert Gesetzentwurf von Giffey und Lambrecht

Der DAV schlägt eine aktienrechtliche Lösung vor: Vorstandsmitglieder sollen demnach einen Anspruch haben, bis zu sechs Monate ihr Amt haftungsbefreit ruhen zu lassen. Anlässe können neben Mutterschutz und Elternzeit auch die Pflege von Angehörigen oder eine eigene krankheitsbedingte Auszeit sein. Ein bloßes Sabbatical soll nicht ausreichen.

Das Bundesjustizministerium, in dessen Zuständigkeit Änderungen des Aktienrechts fallen, hatte sich zuletzt offen für das Anliegen der Initiative gezeigt. Eine Ministeriumssprecherin hatte im August dem Handelsblatt gesagt, die Vorschläge von „Stayonboard“ seien ein „interessanter gesellschaftspolitischer Denkanstoß“. Ob hinsichtlich der genannten Kritikpunkte gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, werde geprüft.

Statistiken zeigen indes immer wieder, dass es um die Besetzung von Führungspositionen in der Wirtschaft durch Frauen nicht sonderlich gut bestellt ist. Die Quote liegt derzeit einer Datenbank-Auswertung der Wirtschaftsauskunftei Crifbürgel zufolge bei 24,9 Prozent, wie aus einer Übersicht hervorgeht, aus der die Nachrichtenagentur dpa am Wochenende zitierte.

Das war nicht mal ein Prozentpunkt mehr als vor gut einem Jahr – damals hatte Crifbürgel einen Wert von 24,2 Prozent ermittelt. Am stärksten vertreten in den Chefetagen waren Frauen im Gesundheits- sowie im Veterinärwesen und im Handel. Nur einen geringen Anteil haben sie hingegen in der Schifffahrt, im Maschinenbau sowie im Baugewerbe.

Firmen ab einer bestimmten Größe – in der Regel ab 2000 Beschäftigte – müssen seit Anfang 2016 frei werdende Aufsichtsratsposten mit Frauen neu besetzen, bis mindestens ein Frauenanteil von 30 Prozent erreicht ist. Vorgaben zur Besetzung von Vorständen gibt es bisher nicht. Bundesfamilienministerin Giffey und Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatten dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt, der liegt wegen Widerstand in der Union auf Eis.

Im Koalitionsausschuss war Ende August vereinbart worden, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, um den Konflikt zu entschärfen. Eine erste Sitzung fand in der vergangenen Woche statt, ein neuer Termin steht aber noch nicht fest. Giffey hatte vor wenigen Wochen die Hoffnung geäußert, noch im September eine Einigung zu erreichen.