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Merkel warnt vor Kontrollverlust: RKI und Bundeswehr sollen Großstädten im Kampf gegen Corona helfen

Die Kanzlerin fürchtet ein Entgleiten der Pandemie, alles entscheide sich in diesen Tagen in den Ballungsräumen. Großstädte sollen daher weitere Maßnahmen ergreifen.

„Jetzt sind eben die Tage und Wochen, die entscheiden, wie Deutschland im Winter in dieser Pandemie dasteht.“ Foto: dpa
„Jetzt sind eben die Tage und Wochen, die entscheiden, wie Deutschland im Winter in dieser Pandemie dasteht.“ Foto: dpa

Der Gesprächsbedarf war groß. 50 Minuten später als zunächst geplant gab Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem Gespräch mit den Oberbürgermeistern der elf größten deutschen Städte über das weitere Vorgehen in der Coronakrise ein Statement ab. Nein, es habe nicht gehakt, so die Kanzlerin, aber jeder der Stadtoberhäupter habe seine Erfahrungen mit der Coronakrise, jeder seinen Blick darauf.

Doch eines ist bei allen gleich: Egal ob in Berlin, Hamburg, Bremen, München, Frankfurt, Köln, Düsseldorf, Dortmund, Essen, Leipzig und Stuttgart: Die Eindämmung des Coronavirus ist vor allem in den Großstädten eine besondere Herausforderung. Die Ballungsräume, so Merkel, seien der Schauplatz, „der zeigt, ob wir die Pandemie unter Kontrolle halten können – oder ob uns die Kontrolle entgleitet“.

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In den Gebieten leben teilweise Millionen Menschen, sagte die Kanzlerin, meist eng an eng. In den Städten sei zudem viel los, das locke weitere Menschen zur Unterhaltung an. Im Sommer sei das gut gegangen, doch jetzt sei das Bild besorgniserregend.

Eine Reihe von Städten liegt inzwischen über dem als kritisch geltenden Wert von 50 Infektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen, darunter auch Berlin. Die Zahl der Neuinfizierten stieg zuletzt auch im ganzen Land deutlich an. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab am Freitag 4.516 neue Fälle in Deutschland bekannt, nach 4.058 am Vortag.

Bundeswehr hat noch Kapazitäten

Künftig entsendet das RKI spätestens ab 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen auf Bitten der jeweiligen Stadt Experten, die die Krisenstäbe vor Ort beraten, berichtete die Kanzlerin nach dem Gespräch mit den Oberbürgermeistern. Das gilt auch für Experten der Bundeswehr. Die Bundeswehr habe noch Kapazitäten, sagte Merkel.

Ab 50 Infektionen pro 100.000 Einwohner soll es umgehend neue Beschränkungen geben. Dazu gehören eine Erweiterung der Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen und gegebenenfalls Sperrstunden und Alkoholbeschränkungen für die Gastronomie sowie Teilnehmerbeschränkungen für Veranstaltungen und private Feiern.

Sind die Gesundheitsämter mit der Kontaktnachverfolgung überfordert, sollen Bund und Land personelle Unterstützung leisten. Geprüft wird, ob eine Abordnung aus anderen Verwaltungsbereichen infrage kommt sowie der Einsatz von Studenten. Der Bund will mit der Hochschulrektorenkonferenz darüber sprechen, wie ein verstärkter Einsatz von Studenten umgesetzt werden kann, ohne dass ein ganzes Semester in Gefahr gerät.

Die Großstädte sollen die Ordnungsämter so entlasten, dass diese die Einhaltung der Regeln kontrollieren können. Bund und Länder beraten, ob auch Bundes- und Landespolizei unterstützen können.

In zwei Wochen wollen Merkel und die Oberbürgermeister erneut beraten. Die Kanzlerin warnte vor Zuständen wie in europäischen Nachbarstaaten, etwa in Frankreich, wo die Zahl der neu infizierten Personen zuletzt bei 18.000 lag.

„Alles kommt zurück, der Spaß, das Feiern ohne Coronaregeln“

„Ich möchte, dass Deutschland das nicht durchmachen muss“, sagte die CDU-Politikerin. „Die Infektionszahlen steigen, aber wir können etwas dagegen tun.“ Die Lage werde da in Schach gehalten, wo Infektionsketten unterbrochen würden, sagte die Kanzlerin. Doch die Gesundheitsämter könnten das nicht schaffen, wenn das Virus sich sprunghaft und damit unkontrolliert verbreite.

Erneut appellierte sie an die Bevölkerung. „Ich weiß, es ist schwer“, sagte sie. Manche Beschlüsse, wie etwa die Begrenzung bei privaten Feiern, griffen tief in das Privatleben ein. „Aber wir müssen uns klarmachen, was das Wichtigste ist: wenn irgendwie möglich das wirtschaftliche und öffentliche Leben nicht noch einmal so herunterfahren zu müssen, wie es im Frühjahr notwendig war.“ Auch wenn, wie sie sagte, das sehr wirkungsvoll gewesen sei.

Priorität habe für sie die Wirtschaft und die Kinder und Jugendlichen. „Die Schulen müssen dieses Mal offen bleiben können.“ An die jungen Menschen gerichtet sagte sie: „Denken Sie an Ihre Familie, denken Sie an gute Ausbildungschancen, die an einer starken Wirtschaft hängen.“ Alles komme zurück: der Spaß, das Feiern ohne Coronaregeln. „Jetzt zählt was anderes: Achtung und Zusammenhalt.“

Eine Warnung hatte die Kanzlerin auch parat: Werde der Anstieg der Infektionszahlen nicht innerhalb von zehn Tagen ausgebremst, seien weitere Beschränkungsschritte unvermeidlich, um öffentliche Kontakte weitergehend zu reduzieren.

Flickenteppich an Regelungen

Bund und Länder hatten bereits eine gemeinsame Strategie vereinbart, um das Infektionsgeschehen unter Kontrolle zu behalten. Trotzdem gibt es viele unterschiedliche Regelungen in den einzelnen Bundesländern – was die Menschen vor allem jetzt zum Beginn der Herbstferien an der Tauglichkeit der Beschränkungen zunehmend zweifeln lässt.

Am Morgen hatte bereits der Deutsche Städte- und Gemeindebund die Bundesländer dazu aufgerufen, ihre Maßnahmen zur Corona-Eindämmung zu vereinheitlichen. Ansonsten leide die Akzeptanz in der Bevölkerung, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg im ZDF-Morgenmagazin. „Ich hätte mir schon gewünscht, dass da mehr an einem Strang gezogen wird.“

Landsbergs Worten zufolge ist nicht auszuschließen, dass bald jede deutsche Großstadt zum Risikogebiet wird. „Wir müssen vermeiden, dass Berlin zum neuen Ischgl wird.“ Im dem Tiroler Ort, der als Partyhochburg unter den Skigebieten bekannt ist, hatten sich Tausende Urlauber infiziert und das Virus dann weit verbreitet.

Mehr: Charité warnt vor Auslastung der Intensivkapazitäten