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So senken Unternehmen das Stresslevel ihrer Mitarbeiter

Viele Beschäftigte sind chronisch überarbeitet – hohe Fehlzeiten sind die Folge. Dabei könnte eine gute Führungskultur den Stress verringern.

Als Bernd Riekenbrock vor zwölf Jahren begann, Unternehmen etwas über Stressprävention zu erzählen, stieß er oft auf Skepsis. „Führungskräfte sagten zu mir: Stress, so was haben wir hier nicht!“, erinnert sich Riekenbrock, Geschäftsführer des Da-Vinci-Zentrums Rhein-Ruhr für neuro-mentale Medizin. Gestresst zu sein, das sei in vielen Betrieben noch ein Tabuthema gewesen, über das nicht geredet wurde.

Heute scheint das Thema Stress am Arbeitsplatz allgegenwärtig zu sein. Immer wieder warnen Studien vor den Gefahren durch zu hohen Druck und Überarbeitung, die Weltgesundheitsorganisation bezeichnet Stress als größte Gesundheitsgefahr des 21. Jahrhunderts. Nach einer Studie der Techniker Krankenkasse (TK) von 2016 nehmen stressbedingte Krankschreibungen in Deutschland seit 15 Jahren kontinuierlich zu.

16 Prozent der Fehltage von Arbeitnehmern haben psychische Ursachen – für die Unternehmen ist dies also auch ein schmerzlicher Kostenfaktor. „Chronischer Stress kann körperlich, geistig und seelisch krank machen“, sagt Stresscoach Riekenbrock. Wer chronischen Stress ignoriert, riskiert Depressionen genauso wie einen Herzinfarkt. Und der Job ist laut der TK-Studie für die Deutschen mit Abstand die Stressursache Nummer eins. Vierzig Prozent der Befragten gaben an, im Kopf nie von der Arbeit abschalten zu können – auch nicht am Wochenende.

Doch noch immer tun sich vor allem kleine und mittlere Unternehmen mit der Stressprävention schwer. Eine aktuelle Forsa-Studie stellte fest, dass nur vier von zehn dieser Firmen eine sogenannte psychische Gefährdungsbeurteilung für ihre Mitarbeiter umsetzen – obwohl das Arbeitsschutzgesetz diese seit 2013 vorschreibt.

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Die Betriebe sollen etwa mithilfe von Fragebögen oder Workshops das Stresslevel ihrer Mitarbeiter ermitteln. „Einige Unternehmer sehen das nicht als Chance, sondern als Gefahr, etwas ändern zu müssen“, sagt Ralf Tscherpel, Gesellschafter der Unternehmensberatung Baliogo, die selbst Gefährdungsbeurteilungen in Betrieben durchführt. „Dabei ist Stress bei Mitarbeitern oft ein Ausdruck von tiefer liegenden Problemen in Unternehmen.“

Große Konzerne sind hier oft schon besser aufgestellt. Coca-Cola European Partners Deutschland befragt seine Mitarbeiter regelmäßig zu ihrer psychischen Belastung. In anschließenden Workshops suchen Führungskräfte nach Lösungen, um etwa ein besseres Teamklima zu erreichen.

Der Konzern bietet seinen Mitarbeitern und deren Angehörigen außerdem an, sich bei beruflichen und auch privaten Problemen kostenlos extern beraten zu lassen. In den USA haben sich solche Beratungen im Berufsleben bereits etabliert. „Wir wollen mentale Gesundheit stärken, als Investition in die Mitarbeiter und damit auch in die betriebliche Zukunft“, sagt Unternehmenssprecherin Brinja Brehm. Dafür hat Coca-Cola beim Corporate Health Award 2018 den Sonderpreis für Stressprävention erhalten.

Wer Stress vermeiden will, muss freilich bei den Ursachen ansetzen. Diese liegen meist nicht in der reinen Menge der Arbeit, sondern in deren Organisation, sagt Unternehmensberater Tscherpel: „Es ist die ständige Erreichbarkeit, der Termindruck, die Flut an unbeantworteten Mails. Bestimmte eingeschliffene organisatorische Verhaltensweisen müssen auf den Prüfstand.“

Wenn Chefs ihren Mitarbeitern störungsfreie Zeiten einrichten und den Feierabend respektieren, ist viel gewonnen. Auch sinnlose Meetings und überflüssiger Mailverkehr können vermieden werden. In Großraumbüros helfen zusätzliche Rückzugsräume, in denen vorübergehend ungestört gearbeitet werden kann.

Die Aufgaben müssen passen

Eine besondere Verantwortung kommt den Führungskräften zu. „Eine gute Führungskultur hilft, Stress zu verringern“, sagt Tscherpel. „Es ist vor allem wichtig, die Stärken und Schwächen der einzelnen Mitarbeiter zu kennen.“ Wer entsprechend seinen Fähigkeiten eingesetzt werde, sei motiviert und fühle sich weniger gestresst als jemand, der Aufgaben erledige, die nicht zu ihm passten.

Dazu gehöre auch die nötige Wertschätzung und regelmäßiges Lob für gute Arbeit. Dabei stehen Führungskräfte oft selbst unter hohem Stress – vor allem im mittleren Management, wo in der „Sandwich-Position“ von oben und unten gleichzeitig Druck ausgeübt wird. Manager, die in der Hierarchie ganz oben stehen, können dagegen oft selbstbestimmter arbeiten.

Nicht immer lassen sich alle Stressfaktoren beseitigen. Bestimmte kognitive Methoden können dann helfen, mit dem Stress besser fertig zu werden. Stresscoach Bernd Riekenbrock vermittelt Arbeitnehmern in Seminaren etwa eine gewisse Gelassenheit, mit der sich Sorgen zumindest zeitweise vertreiben lassen.

Denn lässt man sich von kleinen Ärgernissen gar nicht erst aus der Ruhe bringen, können sie sich nicht zu großem Stress aufsummieren. Auch könne man sich eine positivere Wahrnehmung des eigenen Arbeitsalltags antrainieren, sagt Riekenbrock: „Indem man sich regelmäßig bewusst macht, was man richtig gut hinbekommen hat.“ Der Mensch sei nämlich evolutionär darauf konditioniert, negative Dinge zunächst stärker wahrzunehmen. Klassische Entspannungsübungen seien ebenfalls hilfreich, um bereits vorhandenen Stress zu reduzieren.

Runterregeln mit dem Smartphone

Diese lassen sich mittlerweile auch per Smartphone in den Alltag integrieren: Die App „Stress Guide“ des Berliner Start-ups Kenkou misst das Stressniveau ihrer Nutzer und empfiehlt passende Atemübungen. Schon wenige Minuten bewusstes Ein- und Ausatmen beruhigen das überreizte vegetative Nervensystem.

Legt man einen Finger auf die Kamera, erkennt die App durch Helligkeitsunterschiede die Abstände zwischen den Pulsschlägen und berechnet daraus einen Stresswert. „Ein Stresscoach für die Hosentasche“, sagt Mitgründer Maximilian Grönemeyer. Die App schaffe ein größeres Bewusstsein für vorhandenen Stress und benötige nicht viel Zeit – ideal für das Büro. In Zukunft wollen die Gründer mit Krankenkassen zusammen arbeiten, um ihre Apps im betrieblichen Gesundheitsmanagement zu etablieren.

Einige Unternehmen haben heute schon Entspannungsmöglichkeiten direkt im Büro geschaffen. Das Reiseportal Kayak bietet seinen Mitarbeitern am Berliner Standort etwa kostenfreie Yogakurse, Massagen und ein Fitnessstudio. Wer eine Pause benötigt, darf sich mit Tischtennis oder der Spielkonsole ablenken, um dann wieder mit klarem Kopf an die Arbeit zu gehen.

„Wir wollen die Kreativität nicht durch stressgeladene Arbeitstage ersticken“, sagt Kayak-Marketingchef Stefan Petzinger. Sie sollen sich am Arbeitsplatz wohlfühlen: „Immerhin verbringen wir alle einen großen Teil unserer Zeit zusammen im Büro.“ Die Entspannungsangebote würden sehr gut angenommen. Jeden Montag lädt das Unternehmen seine Mitarbeiter zudem ein, die Woche in Ruhe mit einem gemeinsamen Frühstück zu beginnen.

Solche Angebote helfen nicht nur, Fehlzeiten zu reduzieren. Sie seien auch ein Wettbewerbsfaktor im Kampf um gute Mitarbeiter, sagt Coach Riekenbrock. „Ein gutes Stressmanagement kann da heute durchaus den Ausschlag geben.“ Weniger gestresste Mitarbeiter bleiben auch länger im Unternehmen und verringern so die Fluktuation.