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So können stationäre Händler jetzt online noch den Rest des Weihnachtsgeschäfts retten

Die allermeisten Läden müssen nun erst mal geschlossen bleiben. Aber Modegeschäfte, Buchhändler und Schuhläden können trotzdem noch Geld verdienen. Was kurzfristig möglich ist.

Dennis Witton hat keine Zeit zum Telefonieren. Der Laden sei voll, sagt der Buchhändler. Er müsse sich um seine Kunden kümmern. Am Tag vor dem Lockdown, der dem stationären Handel in diesem Jahr ein vorzeitiges Ende beschert, haben viele Menschen die letzte Gelegenheit zum Shoppen vor Ort genutzt.

Es ist die zweite pandemiebedingte Schließung seit dem Frühjahr. Wittons Buchhandlung Wortreich in der Nähe von Köln ist auf sie vorbereitet. Schon länger können Bestellungen per Telefon, WhatsApp, Mail oder über den eigenen Onlineshop angenommen werden. Die bestellten Bücher liefern Witton und seine Kollegen auf Wunsch sogar selbst vor die Tür der Kunden im Ort.

Es sind solche Alternativen, auf die Wortreich und andere Einzelhändler im Lockdown angewiesen sind. Ab diesem Mittwoch sind die allermeisten Läden mindestens bis zum 10. Januar geschlossen.

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Einige Geschäfte haben sich auf die absehbaren harten Maßnahmen der Bundesregierung frühzeitig eingestellt und ihre Onlineaktivitäten verstärkt. Andere müssen jetzt zügig handeln – wenn sie den Rest des Weihnachtsgeschäfts retten wollen. „Resignieren ist das Schlimmste, das man machen kann. Eine gewisse Innovationsfreude muss man einfach fordern“, sagt Georg Wittmann, Geschäftsführer des Forschungsinstituts Ibi Research an der Universität Regensburg.

Die finanziellen Auswirkungen für den Handel wären ohne staatliche Hilfen und kreative Lösungen verheerend. Der Verband HDE schätzt, dass den Firmen an jedem Tag, an dem die Läden geschlossen bleiben, Umsätze in Höhe von 800 Millionen Euro entgingen – den Lebensmittelhandel ausgenommen. Möglichkeiten, diesen Ausfall abzumildern, gibt es viele: von Amazon und Ebay über Instagram und WhatsApp bis „Click & Collect“.

Über Social Media Kontakt halten

Seine Produkte zu zeigen und Beratung anzubieten ist wichtig, um die Kundschaft an sich zu binden. Die Buchhandlung Wortreich etwa hält ihre Community mit Facebook-Videos auf dem Laufenden. Wie immer gibt es Buchtipps, jetzt eben auch Updates zum Lockdown. Die Kommentare unter den Posts zeigen: Die Leser und Zuschauer schätzen die direkte Kommunikation.

Beraten können Einzelhändler auch über digitale Besprechungsräume wie Skype oder Zoom. Manchmal lassen auch lokale Facebook-Gruppen Einzelhändler rein, um für Produkte und Dienstleistungen werben zu dürfen.

Experte Wittmann hat festgestellt, dass „viele Händler soziale Medien nutzen, aber viele schöpfen die Potenziale nicht aus“. Eine aktuelle Umfrage seines Instituts legt die Defizite vieler Einzelhändler im digitalen Raum offen. 45 Prozent finden, sie seien nicht aktiv genug in sozialen Medien.

Dabei gibt es einfache Beispiele, wie diese kundenfreundlich genutzt werden können: Die Business-Version von WhatsApp etwa habe viele kundenfreundliche Features – zum Beispiel, „dass ich als Kunde eine automatisierte Antwort auf eine Bestellung per WhatsApp bekomme“, sagt Wittmann. Die Bezahlung lässt sich ohne einen Onlineshop abwickeln, beispielsweise über Paypal. Ein Konto ist innerhalb weniger Minuten erstellt.

Fast ein Drittel der Händler plant der Studie zufolge, neue Vertriebswege zu nutzen. In erster Linie sind demnach eigene Onlineshops in Planung, gefolgt vom Einstieg in lokale und regionale Marktplätze.

Jörn Poppen, Marketingchef des Oldenburger Modehauses Leffers, sagt am Telefon, das Unternehmen überlege seit März, wie es den digitalen Vertrieb aufstelle. Zeit, diese Überlegungen zu erläutern, habe er aber nicht – zu viel zu tun kurz vor der Schließung. Leffers hat noch fünf weitere Filialen, unter anderem in Bremen und Lippstadt. Einen Onlineverkauf gibt es bis heute nicht, nur einen Zustellservice für Premium-Kunden.

Marktforscher Wittmann sagt, er sei überrascht gewesen, „wie viele stöhnen, wie aufwendig und anstrengend die Umstellung sei“. Dabei sei die erneute Schließung doch vorhersehbar gewesen. „Nach dem ersten Lockdown ist die Notwendigkeit wahrscheinlich etwas aus dem Fokus geraten. Andere Themen wie Hygienemaßnahmen in den Läden und Lieferketten schienen wichtiger.“

Die Big Player des E-Commerce helfen

Konzerne wie Amazon und Zalando gelten als der Feind des stationären Handels. In der Krise haben sie jedoch Programme aufgesetzt, um den Einzelhändlern zu helfen. Auch wenn die Big Player damit Kunden gewinnen und den Boom im Onlinehandel noch verstärken: Vielen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bleibt nichts anderes übrig, als sich dem Onlinegeschäft zu widmen.

Ebay startete bereits im März ein Soforthilfeprogramm, um Firmen schnell und einfach die Möglichkeit zu geben, Waren über den Onlinemarktplatz zu verkaufen. Das Programm enthält für ein halbes Jahr das Premium-Abo mit einem persönlichen Berater, das sonst monatlich 300 Euro kostet. Die Verkaufsprovision fällt für drei Monate weg.

Bisher hat Ebay nach eigenen Angaben 5000 Neukunden von dem Programm überzeugt. „Man muss sie oft sehr genau an die Hand nehmen. Aber sie sind viel erfolgreicher als die, die sich einfach so angemeldet haben und auf die Beratung verzichten“, sagt eine Ebay-Sprecherin. Das Programm läuft noch bis Ende des Jahres, wird laut der Sprecherin aber unter anderem Namen mit den „im Kern gleichen Features“ weitergeführt.

Amazon leitet interessierte KMU ebenfalls auf eine Hilfeseite weiter. Ein spezielles Corona-Programm, etwa mit Vergünstigungen, hat der US-Konzern nicht aufgelegt. In Deutschland arbeitet er nach eigenen Angaben mit dem vom Wirtschaftsministerium geförderten Kompetenzzentrum Handel zusammen und bietet Webinare an, um stationären Händlern den Aufbau eines Onlinegeschäfts zu erleichtern.

Das Kompetenzzentrum hat sein Angebot zum Lockdown noch einmal erweitert. Es gibt Sprechstunden mit Rückrufservice, neue Onlineseminare und Expertenfrühstücke. Auf der Internetseite stehen konkrete Beispiele und Leitfäden für digitalen Vertrieb und Sichtbarkeit im Netz.

Für Einzelhändler, die Mode und Textilien verkaufen, kennt Wittmann noch eine Alternative: Zalando hat ebenfalls ein Programm für stationäre Läden aufgesetzt. Es heißt Connected Retail und ist aktuell kostenlos. 2400 aktive Shops nutzen es nach Angaben des Berliner Onlineversandhändlers. „Wir haben positive Rückmeldungen bekommen, dass der Service für stationäre Geschäfte gut funktioniert und viele Aufträge generiert“, erzählt Wittmann.

Es seien aber eben längst nicht nur die Konzerne mit ihren professionellen IT- und E-Commerce-Strukturen, die stationären Anbietern jetzt helfen könnten, sagt Wittmann. Werbegemeinschaften und lokale Marktplätze hätten viel Potenzial, Waren zu verkaufen. Die Lieferungen könnten städtische Betriebe, Apotheken oder Taxifahrer mitnehmen. „Man hat immer Amazon und Ebay auf dem Radar, aber es gibt so viel mehr.“

Verbände und Unternehmen haben in den vergangenen Monaten diverse Initiativen und Partnerschaften gestartet. Eine davon ist die Wissensplattform „Quickstart Online“. HDE, das Projekt „Händler helfen Händlern“, Amazon und das Handelsblatt als Medienpartner bündeln darauf ihr digitales Know-how und Lösungsansätze für KMU.

Übergabe auf dem Parkplatz

Eine neue Art, Waren stationär, aber außerhalb der Verkaufsräume und mit wenig Kundenkontakt zu handeln, ist der Click- & -Collect-Service. Das funktioniert zum Beispiel auf den Parkplätzen der Stores. Kunden können unter einer Servicenummer ihre Bestellung abrufen und auf den Parkplatz bringen lassen – kontaktlos.

Das sei „eine wichtige Option, dem Handel in dieser verschärften Lage eine Perspektive zu bieten, und ein geeignetes und milderes Mittel als das quasi vollständige Verkaufsverbot“, mahnte Christoph Wenk-Fischer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel (BEVH), vor wenigen Tagen.

Der Schritt ins Digitale – und damit der Schritt in den Fernabsatz – birgt allerdings noch rechtliche und logistische Hürden. Onlineshops müssen Allgemeine Geschäftsbedingungen, ein Impressum sowie eine Widerrufsbelehrung ausweisen. Vorlagen dafür gibt es zum Beispiel auf der Seite des Gütesiegels Trusted Shops.

Wer selbst ausliefern will, braucht dafür ausreichend Kartons. Die Planung dafür sei nicht so banal, wie es klinge, sagt Wittmann. Zumal das online übliche Angebot der kostenlosen Retoure die Portokosten in die Höhe treibe. „Ein Intersport-Händler hat mir erzählt, dass er mit zehn Euro kalkulieren muss fürs Hinsenden und das Rückporto.“

Buchhändler Dennis Witton macht von allem etwas. Neben dem Onlineshop, den Wortreich über den Zwischenhändler Libri abwickelt, verschickt er Ware selbst und richtet Click- & -Collect-Stationen vor seinen beiden Geschäften ein. Bestellungen können Kunden dann vor dem Laden abholen.

„Wir sind wie im Frühjahr auch weiterhin erreichbar auf allen Wegen“, sagt Witton. „Wir werden ausliefern wie die Bescheuerten.“